SIZ Care Forum 2024: Aktuelle Trends in Arbeitsrecht, Prävention und Führung

Am 6. September 2024 fand in Brugg die nunmehr 20. Ausgabe des SIZ Care Forums statt. Die Tagung befasste sich mit Themen rund um Gesundheit, Führung und Prävention. Aber auch aktuelle Fälle aus dem Arbeitsrecht wurden erörtert.

Ihre musikalische Einlage sorgte am SIZ Care Forum 2024 für eine Überraschung: Moderator (und Musiker) Michael Sokoll und Dr. Barbara Studer. (Bild: Thomas Berner)

Seit 20 Jahren führen Kurt Mettler, CEO des auf Gesundheits-, Absenzen- und Case Management spezialisierten Unternehmens SIZ Care AG, und sein Team eine Tagung durch, wo in verschiedenen Referaten auf aktuelle Fragen rund um das betriebliche Gesundheitsmanagement eingegangen wird. Das Unternehmen mit Sitz in Zürich unterstützt und berät seit 25 Jahren Betriebe und Versicherer mit massgeschneiderten Dienstleistungen. So betreut SIZ Care inzwischen in der ganzen Schweiz arbeitsunfähige Personen auf dem Weg zurück in die Arbeitswelt.

„Gehirntraining“ am SIZ Care Forum 2024

In den vergangenen beiden Jahrzehnten hat sich bekanntlich viel verändert in der Arbeitswelt. Gesundheit, Führung und Prävention haben an Stellenwert gewonnen, wie man feststellen darf. Denn gesunde Mitarbeitende sind ein wertvolles Gut in allen Unternehmen. Doch für körperliche und geistige Fitness ist letztlich jeder von uns auch selbst verantwortlich. Ein «Stärkungsprogramm für Gehirn, Körper und Seele» vermittelte in diesem Sinne Barbara Studer, Neurowissenschaftlerin und Hirncoach. Sie legte dem Publikum nahe, Emotionen auch am Arbeitsplatz nicht auszuklammern, sondern sie zuzulassen. «Emotionen bringen Energie, und über Emotionen muss man reden», so Barbara Studer. Wenn man gegenüber den eigenen Emotionen neugieriger werde, könne man dies positiv nutzen. Und auch in der Neugier gegenüber anderen Menschen liegt viel Nutzen: Denn erst in verschiedenartigem Denken, der sog. Neurodiversität, liegt die eigentliche Innovationskraft. Aber bei so viel Gehirnaktivität darf auch die Erholung nicht zu kurz kommen. Multitasking bedeutet Stress fürs Gehirn, deshalb bringt es mehr, sich auf bestimmte Aufgaben zu fokussieren. Und anhand ein paar praktischer Übungen zeigte Barbara Studer, wie man mit durch Achtsamkeit, Bewegung oder auch durch Musik, die Hirnaktivitäten in die richtigen Bahnen zu lenken vermag.

Dauerthema: Psychische Belastungen am Arbeitsplatz

Dennoch: Psychische Belastungen am Arbeitsplatz nehmen zu. Über den konstruktiven Umgang mit psychischen Risiken und Ressourcen im Unternehmen sprach Prof. Dr. Andreas Krause von der FHNW Olten. Er zeigte anhand einer Studienübersicht auf, dass sich psychosoziale Risiken auch körperlich auswirken, z.B. das Risiko für Herz-/Kreislaufkrankheiten signifikant ansteigen lassen. Gemäss Gesundheitsförderung Schweiz berichten 25 Prozent der Arbeitnehmenden über eine kritische Arbeitssituation. Das bedeutet, dass hier Unternehmen immer noch viel zu tun haben, um diese zu verbessern. Andreas Krause stellte drei Punkte in den Raum, wie dies geschehen könnte: Durch das Einrichten eines Frühwarnsystems (z.B. durch das Einholen eines Stimmungsbildes mittels Befragungen), die konkrete Benennung von Gefährdungen und die Stärkung des sozialen Miteinanders.

Diese Fäden spann anschliessend Prof. Dr. med. Matthias Jäger von der Psychiatrie Baselland weiter, und zwar aus medizinischer Sicht. Der Referent betonte, dass Arbeit sich grundsätzlich gesundheitserhaltend auswirkt. Sie sorgt für den Lebensunterhalt und eine Sinngebung, gibt eine Tagesstruktur und kann auch für Status sorgen. Krankheitsfördernd wirkt Arbeit dann, wenn die Ergebnisorientierung überhand nimmt, sich Aufgaben verdichten und entsprechend für Zeitdruck und Stress sorgen. Krankheitssymptome sind dann z.B. Schlafstörungen, Tinnitus, Magen-Darm-Probleme oder Kopfschmerzen bis hin zu affektiven Störungen oder Angstzuständen. Burnout hingegen sei keine psychische Krankheit per se, sondern ein chronischer Stresszustand. Das stellt Ärzte bei der Bescheinigung einer Arbeitsunfähigkeit vor grosse Herausforderungen. Denn nicht immer bedeute eine solche die Ermöglichung einer Genesung, sondern könne auch zu einer Chronifizierung des Krankheitsbildes führen.

Kurt Mettler, Referent und Veranstalter des SIZ Care Forums. (Bild: Thomas Berner)

Diskussionspunkte im Arbeitsrecht

Den letzten Referateblock des SIZ Care Forum 2024 führte Kurt Mettler an. Er beleuchtete einige Fälle aus der arbeitsrechtlichen Praxis, die in letzter Zeit für Aufsehen sorgten. Darunter etwa der «Nestlé-Fall»: Nach einem mehr als zehn Jahre dauernden Rechtsstreit zwischen einer ehemaligen ranghohen Mitarbeiterin und dem Nahrungsmittelkonzern wegen systematischen Mobbings hat letztlich ein Berufungsgericht die ehemalige Arbeitgeberin zu einer Entschädigung in der Höhe von 2 Millionen Franken verdonnert. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Mitarbeiterin durch ihren direkten Vorgesetzten systematisch gemobbt worden sei und deshalb gesundheitliche Schäden davontrug. Die Arbeitgeberin habe dabei die Fürsorgepflicht verletzt. Eine solche Fürsorgepflichtsverletzung lag hingegen in einem anderen Gerichtsfall, den Kurt Mettler darlegte, nicht vor. Das Gericht hielt dabei fest, dass der klagende Mitarbeiter es unterlassen hatte, auf Verbesserungsvorschläge seines Arbeitgebers überhaupt einzutreten. Ein weiteres Thema des Referats bildete die arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit. Ein kürzlich veröffentlichter Bundesgerichtsentscheid hält nun fest, dass bei einer arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit keine Sperrfrist besteht und Mitarbeitende demnach sofort gekündigt werden kann. Für Verwirrung in der Berichterstattung gesorgt haben aber einige Missverständnisse. Denn «arbeitsplatzbezogen» ist nicht dasselbe wie «arbeitsplatzbedingt» oder «berufsbezogen». Auch Kurt Mettler findet diese Begrifflichkeiten nicht unbedingt hilfreich. Er würde lieber von «Arbeitsplatzbezogener Arbeitsverhinderung» sprechen. Denn nach seiner Auffassung stelle sich die Frage der Anwendbarkeit der Sperrfrist gar nicht, da weder eine Krankheit noch ein Unfall (Tatbestände gemäss Art. 336c OR) vorliege. Zudem wird in Art. 324a OR betreffend Lohnfortzahlung der Begriff der Arbeitsverhinderung verwendet, und nicht jener der Arbeitsunfähigkeit. Und bezogen auf die Krankentaggeldversicherung wäre bei einer arbeitsplatzbezogenen Arbeitsverhinderung nicht von einer Krankheit die Rede, und somit falle die Grundvoraussetzung für eine Leistungspflicht weg.

Lukas Christen vermittelte dem Publikum Inputs für einen besseren Umgang mit (ungewollten) Veränderungen. (Bild: Thomas Berner)

Mit 4i zu persönlichem und geschäftlichem Erfolg

Den Abschluss der Tagung bildete der Vortrag des ehemaligen Behindertensportlers Lukas Christen. Er verlor durch einen schweren Motorrad-Unfall sein linkes Bein, was ihn aber nicht hinderte, mehrere Siege im Weitsprung an den Paralympics in den Jahren 1992, 1996 und 2000 einzuheimsen. Mit seiner lebensbejahenden Einstellung – trotz vieler erlebter Rückschläge, die er als «Bootcamp für die Seele» bezeichnete – begeisterte er die Zuhörerinnen und Zuhörer. Wir alle seien «Verwaltungsratspräsidenten der Unternehmung Mensch», so sein Vortrags-Motto. Mit ungewohnten Veränderungen umzugehen sei ein «VRP-Dauerauftrag». Lukas Christen verlässt sich dabei auf das «4i-Konzept»: Instinkt (das Urwissen), Intuition (das Bauchwissen, Gespür), die Inspiration (das Herzwissen, Gefühl) und den Intellekt (Kopfwissen, Vernunft). Diese menschliche Kompetenz, sich selbst zu führen, bildet den Anfang einer Wirkungskette, mit der sich letztlich auch ein Team und ein Unternehmen führen lässt. Wichtig sei aber immer der Grundsatz: «Keine Wertschöpfung ohne Wertschätzung». Und darin dürfte auch die Keimzelle einer jeden Kultur liegen, die präventiv gegen jede Art von arbeitsplatzbedingter Krankheit wirken kann.

Weitere Informationen: SIZ Care

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