Beschäftigte in der Schweiz: Wenig emotionale Bindung ans Unternehmen
Der Dauerkrisenmodus, in dem sich die Welt befindet, ist auch in Unternehmen in der Schweiz spürbar: So fühlt sich jeder Dritte Beschäftigte in der Schweiz bei der Arbeit gestresst (35 %). Das zeigt der neue Gallup-Report „State of the Global Workplace 2023“, für den 122’416 Arbeitnehmende in 145 Ländern befragt worden sind.
Das Beratungsunternehmen Gallup hat den Report „State of the Global Workplace 2023“ veröffentlicht. Dafür wurden in 145 Ländern in der insgesamt 122’416 Beschäftigte befragt, wovon 18.262 Interviews in Europa geführt wurden (38 Länder, einschliesslich der Schweiz). Die Ergebnisse sind repräsentativ für die Arbeitnehmerschaft im jeweiligen Land. Die aktuelle Ausgabe des Reports zeigt die Auswirkungen, wenn man von einer Krise in die nächste gerät: Stress. „Die Welt befindet sich in einer multiplen Krisensituation, die auch Beschäftigte am Arbeitsplatz spüren. Natürlich lässt sich Stress bei der Arbeit nicht immer vermeiden – es kommt aber darauf an, wie man damit umgeht. Zeitdruck durch enge Deadlines kann sich zumindest kurzfristig positiv auf die Leistung auswirken. Wird aus der Ausnahme allerdings ein Dauerzustand, den die Führungskraft nicht durch Unterstützung abfedert, kann er mittelfristig krank machen. Unternehmen müssen hier angesichts hoher Stresslevel ein waches Auge haben. Denn Stress ist langfristig Gift für die Unternehmenskultur und damit auch den wirtschaftlichen Erfolg“, sagt Marco Nink, Director of Research & Analytics EMEA bei Gallup.
Emotionale Bindung der Beschäftigten in der Schweiz auf niedrigem Niveau
Verglichen mit den europäischen Nachbarn stehen die Schweizer Beschäftigten in puncto Stressniveau allerdings noch relativ gut da. 39 Prozent der europäische Beschäftigten berichten unter Stress zu leiden, beim Nachbarn in Deutschland sagen dies 42 Prozent der Befragten und im globalen Durchschnitt liegt das Stresslevel der Arbeitnehmer sogar bei 44 Prozent.
Dabei kommt der gefühlte Stress nicht von ungefähr und geht einher mit einer niedrigen emotionalen Bindung von Schweizer Beschäftigten an ihren Arbeitgeber. So weisen diese gleichzeitig eine niedrige emotionale Bindung auf. Denn nur jeder zehnte Befragte (11 %) ist in der Schweiz emotional hoch gebunden an seinen derzeitigen Arbeitgeber. Die meisten Schweizer machen Dienst nach Vorschrift und haben eine niedrige emotionale Bindung (79 %). Und 10 Prozent haben sogar innerlich gekündigt und keine Bindung an ihren Arbeitgeber mehr.
Gallup analysiert die emotionale Mitarbeiterbindung dabei anhand von zwölf Faktoren, die in einen so genannten Engagement Index fliessen. „Wir wissen aus unseren Langzeituntersuchungen, dass eine niedrige emotionale Mitarbeiterbindung in Zeiten des Arbeitnehmermangels eine Herausforderung für Unternehmen ist“, so Nink. „Denn sie fördert die Wechselbereitschaft. Entgegenwirken können Unternehmen mit der Qualität der erlebten Führung. Beschäftigte, die von guter Führung berichten, fühlen sich weniger gestresst und mehr gebunden als Beschäftigte, deren emotionale Bedürfnisse am Arbeitsplatz übersehen werden“, so Marco Nink, der als EMEA Lead Research & Analytics die europäischen Erhebungen begleitet.
Europa verschenkt Potenziale: keine andere Region ist weniger emotional gebunden
In Sachen niedriger emotionaler Bindung allerdings sind die Schweizer in Europa in gleichgesinnter Gesellschaft. Europa weist von allen zehn Weltregionen den niedrigsten Grad emotionaler Mitarbeiterbindung auf (13 % gegenüber 23 % weltweit). Besonders die grossen europäischen Nachbarn haben ebenfalls niedrige Werte, wenn es um die emotionale Bindung geht. Im Vereinigten Königreich liegt der Wert von Beschäftigten mit einer hohen emotionalen Mitarbeiterbindung bei 10 Prozent, in Deutschland bei 16 Prozent; Frankreich (7 %) und Italien (5 %) schneiden dabei sogar deutlich unter dem europäischen Durchschnitt ab. Damit sind die beiden Länder nicht nur Schlusslichter in Europa, sondern gehören auch global zu den Nationen mit den schlechtesten Werten. „Es werden oft kulturelle Faktoren als Grund für die niedrige emotionale Mitarbeiterbindung in Europa angegeben. Allerdings liegt das Problem nicht in der Arbeits-, sondern in der Führungskultur. Unsere Erfahrungen zeigen, dass bei Unternehmen, die aktiv an der Qualität der erlebten Führung und des Arbeitsumfeldes arbeiten, sich die emotionale Bindung ihrer Mitarbeitenden deutlich steigern lässt“, so Gallup-Experte Marco Nink.
Chancen auf dem Arbeitsmarkt werden als vielversprechend wahrgenommen
Gleichzeitig bewerten viele Beschäftigte in der Schweiz die derzeitigen Chancen, einen neuen Job zu finden, in der mittelfristigen Betrachtung weiterhin als positiv. So gibt fast jeder zweite Befragte an (46 %; -2 %), es sei eine gute Zeit den Arbeitgeber zu wechseln. Auch wenn dieser Wert leicht unter dem europäischen Durchschnitt liegt (56 %), zeigt sich, dass die Beschäftigten insgesamt Vertrauen in den Arbeitsmarkt besitzen. „Wenn Arbeitgeber die emotionale Bindung aktiv fördern und sich um das Wohlergehen ihrer Beschäftigten kümmern, reduzieren sie nicht nur deren Stress, sondern stärken neben der Gesundheit und Leistungsfähigkeit auch ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitgebermarke“, sagt Pa Sinyan, der als Managing Partner von Gallup im EMEA-Raum tätig ist. „Trifft allerdings niedrige emotionale Bindung auf ein hohes Stresslevel und werden gleichzeitig die Chancen, einen neuen Job zu finden, gut bewertet, steigt die Offenheit für einen Wechsel des Arbeitgebers.“
Quelle: Gallup