Das kleine Manifest der Wertschätzung

Je mehr die Digitalisierung voranschreitet, desto schneller und rastloser wird unsere Welt. Viele Menschen spüren, dass es bei dieser Entwicklung immer schwieriger ist, tiefere Kontakte zu pflegen und wie Beziehungen verflachen. Im Privaten finden wir weniger Momente füreinander und sind mit dem Kopf oftmals ganz woanders, während wir gemeinsame Zeit verbringen. Im Beruf fühlen wir uns auf eine Rolle reduziert. Wir erhalten Anerkennung, wenn wir die Erwartungen erfüllen oder übertreffen, vermissen aber eine tiefere Wertschätzung, wenn es einmal nicht so gut läuft.

Wertschätzung: Oft vermisst im Beruf, aber gerade dann notwendig, wenn es mal nicht so rund läuft. (Bild: freepik)

Wertschätzung ist nicht alles, aber ohne Wertschätzung ist alles nichts: Fehlt sie uns privat, ist das einer der häufigsten Ursachen, aufgrund dessen wir uns zurückziehen und Beziehungen scheitern. Im Berufsleben ist mangelnde Wertschätzung der wichtigste Grund, aus dem Mitarbeiter kündigen. Fehlende Wertschätzung kann sogar zu körperlichen Krankheiten führen: Mediziner leiten einen Großteil der Bandscheibenvorfälle auf mangelnde Anerkennung und Wertschätzung zurück[1]. Fühlen wir uns dagegen so angenommen, wie wir sind, blühen wir auf, fassen Vertrauen, öffnen uns und lassen uns fallen. Wertschätzende Beziehungen spenden also in allen Bereichen Energie und bringen Freude in unser Leben.

Auch wenn unsere (Business-)Welt von harten Zahlen geprägt zu sein scheint – lebenswert wird sie erst durch die weichen Aspekte: Wer seinen Mitmenschen mit mehr Wertschätzung begegnet, macht die Welt nicht nur schöner und friedlicher, sondern steckt damit auch andere an – wir neigen nämlich dazu, Wertschätzung, die wir erfahren haben, weiterzugeben. Wer zum „Wertschätzungsstifter“ werden möchte, kann sich an den folgenden 15 Grundsätzen orientieren:

  1. Gib dich in Gesprächen ganz hin und schenke deinem aktuellen Gegenüber deine ganze Aufmerksamkeit. Vernachlässige ihn nicht für mögliche Kontakte im virtuellen Raum. Schalte dein Handy in den Flugmodus und lege es ausser Sichtweite, damit es dich nicht ablenkt.
  2. Hör deinem Gesprächspartner aufmerksam zu, ohne schon im Geist eine eigene Antwort vorzubereiten. Achte auf die Zwischentöne und spüre, was ihn bewegt. So stärkst du deine neuronalen Netzwerke für Empathie, die eine wichtige Grundlage der Wertschätzung ist.
  3. Such regelmässig die Nähe zur Natur und lege von Zeit zu Zeit bewusst Pausen bei der Nutzung deiner digitalen Geräte ein, auch das erhöht deine Empathie.
  4. Beobachte, welche Werte deinen Mitmenschen wichtig sind und berücksichtige diese, wenn du mit ihnen kommunizierst. Verurteile niemanden dafür, dass er anders ist. Verurteile auch nicht dich selbst für Fehler und Schwächen, sondern verstehe sie als Entwicklungsfelder.
  5. Der Dialog ist die Kunst des gemeinsamen Denkens: Nimm achtsam wahr, was die Aussagen deines Gesprächspartners in dir auslösen. Denk erst dann über eine Antwort nach und lass zu, dass sich diese aus dem gemeinsamen Raum zwischen euch beiden entwickelt.
  6. Meditiere regelmässig oder praktiziere Achtsamkeitsübungen und entwickle deine Wahrnehmung für das, was gerade geschieht, bewusst weiter. Nutze Situationen, die dich emotional machen, um dich zu reflektieren und selbst besser kennenzulernen.
  7. Erweise deinen Mitmenschen Respekt, indem du bei Kritik gewaltfrei mit ihnen sprichst und Du-Botschaften sowie Verurteilungen vermeidest. Trenne Verhalten und Person. Halte dich an den Grundsatz, dass jeder allein für sein Mensch-Sein voll akzeptiert ist. Das schliesst nicht aus, dass er bei Fahrlässigkeit oder Vorsatz für sein Verhalten verantwortlich ist.
  8. Sei geduldig und vertrau darauf, dass sich deine Mitmenschen in ihrer individuellen Geschwindigkeit öffnen. Respektiere ihre Grenzen und lasse ihnen Freiräume. Achte auf nonverbale Signale, die zeigen, dass sich jemand gerade unwohl oder gestresst fühlt.
  9. Sei tolerant bei Fehlern und unterstelle anderen keinen Vorsatz oder dass sie etwas tun, um dir bewusst zu schaden. Die meisten versuchen, ein guter Mensch zu sein.
  10. Verurteile niemanden, in dessen Situation du noch nicht warst. Lerne die Unterschiede zwischen dir und anderen schätzen und frage dich, was du daraus lernen kannst.
  11. Sei friedlich: Es geht nicht darum, immer Recht zu haben und zu behalten, sondern um die Gefühle, die du bei deinen Mitmenschen auslöst und dadurch in die Welt bringst.
  12. Kläre mit deinen Mitmenschen eure gegenseitigen Erwartungen, so dass Enttäuschungen vorgebeugt werden. Sei transparent, offen, aber gleichzeitig taktvoll und diskret. Rede nicht über Abwesende, sondern so, dass all deine Worte in der Zeitung stehen könnten.
  13. Wertschätze deine Mitmenschen auf die Art, die sie am besten verstehen. Einige fühlen sich durch materielle Zuwendungen wertgeschätzt, andere durch Lob und Anerkennung, durch Hilfe und Unterstützung, durch körperliche Nähe oder durch gemeinsam verbrachte Zeit.
  14. Praktiziere Dankbarkeitsübungen und öffne dein Herz, um deinen Mitmenschen liebevoller zu begegnen. Begegne anderen auf Augenhöhe, auch wenn es Statusunterschiede zwischen euch gibt.
  15. Nicht viele flache Kontakte werden dich erfüllen, sondern die Tiefe deiner vertrauensvollsten Beziehungen. Das benötigt Zeit, also investiere mehr in die Qualität als in die Quantität.

[1] Werner Bartens: Emotionale Gewalt; S.77, rowohlt, Berlin, 2018

Autor:
Christian Bernhardt
ist Dozent, Autor, Berater und Speaker für Lösungen gegen den Fachkräftemangel. Sein neues Buch „Echte Wertschätzung“ erschien im September 2022 und sprang bereits im November in die Amazon Bestseller-Charts. Es beschreibt 111 Wege, um Mitarbeiter wertschätzender zu führen. Bernhardt berät Unternehmen und hält Vorträge und Trainings in Deutschland und der Schweiz. Mehr unter www.bernhardt-trainings.com

Buchtipp

Christian Bernhardt
Echte Wertschätzung: Beziehungen stärken. Vertrauen vertiefen. Teams gemeinsam entwickeln.
300 Seiten, ab 24,95 Euro
ISBN: 978-3-86980-666-2
BusinessVillage Verlag, September 2022

 

(Visited 586 times, 1 visits today)

Weitere Beiträge zum Thema