Nachhaltigkeit als Differenzierungsmerkmal gegenüber ausländischer Konkurrenz
Nachhaltigkeit in der Praxis: Schweizer Milchkühe erhalten nur noch Soja aus nachhaltigem Anbau. Damit möchten sich die Schweizer Milchbauern unter anderem einen Vorteil gegenüber der ausländischen Konkurrenz verschaffen. Ist der Ansatz auch in anderen Branchen anwendbar?
Redaktion
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13. Dezember 2018
Es kommt Bewegung in die Schweiz in Sachen einhemische Milchproduktion und Sojafutter. (Symbolbild: Unsplash)
Das Sojanetzwerk Schweiz schreibt Nachhaltigkeit gross. Die Branchenorganisation Milch, die Vereinigung Schweizerischer Futtermittelfabrikanten VSF und die UFA AG haben sich zusammen mit dem Sojanetzwerk Schweiz darauf geeinigt, für die Milchviehfütterung in der Schweiz nur noch Soja zu nutzen, welches zu 100 Prozent den Anforderungen des Sojanetzwerks Schweiz entspricht.
Die Unterzeichner der Vereinbarung verpflichten sich, zur Milchviehfütterung lediglich Soja einzusetzen, die zu 100 Prozent den Anforderungen des Sojanetzwerks Schweiz entspricht. Mithilfe des Kodex will die BO Milch im zunehmend härter werdenden Marktumfeld für Milch und Milchprodukten ein wichtiges Differenzierungsmerkmal gegenüber der ausländischen Konkurrenz herausstreichen. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist die BO Milch neues Mitglied des Sojanetzwerks Schweiz.
Das Sojanetzwerk Schweiz setzt sich für einen verantwortungsbewussten Anbau und eine nachhaltige Beschaffung von Futtersoja ein. Die Sojabeschaffer des Netzwerks importieren zu 99 Prozent verantwortungsbewusst produzierte Soja. Der Importanteil dieser Soja im Gesamtmarkt lag im Jahr 2017 bei mindestens 96 Prozent. Bereits 40 Prozent der Futtersoja stammen aktuell aus Europa.
Neben dem Sojanetzwerk Schweiz konnten die Vereinigung Schweizerischer Futtermittelfabrikanten VSF sowie die UFA AG als Mitunterzeichner gewonnen werden. Gemeinsam decken sie den weitaus grössten Teil des inländischen Mischfuttermarktes ab.
Das Sojanetzwerk Schweiz:
Der Verein Sojanetzwerk Schweiz wurde im Jahr 2011 als Antwort auf die ökologischen und sozialen Probleme des Sojaanbaus gegründet. Schlagworte wie Abholzung von Regenwald, Biodiversitätsverlust, Eintrag von Pflanzenschutzmitteln und Nährstoffen in Grund- und Oberflächengewässer gehören zu den Problemen des Sojaanbaus.
Das Sojanetzwerk möchte mithilfe folgender Lösungsansätze diesen Problemen entgegenwirken:
Kontrolle der GVO-Freiheit der Farmen und des Warenflusses durch unabhängige Stellen
Keine Rodung von Primärwaldflächen
Internationale Nachhaltigkeitsstandards
Ausbau der Eiweissproduktion in Europa
Verwendung von potentiell schädlichen Pflanzenschutz- und Düngemitteln soll reduziert werden
Einhaltung von Arbeitsrechten
Dem Sojanetzwerk Schweiz gehören Grossverteiler, Futtermittelbeschaffer, Umwelt- und Labelorganisationen sowie Schweizer Bauernorganisationen an.
Der Rat der Europäischen Union hat anfangs Dezember 2018 neuen EU-Energie-Regeln für erneuerbare Energien und Energieeffizienz geeinigt und zur Fortschrittskontrolle Massnahmen erteilt. Das Europäische Parlament hatte dem Regelungspaket schon vor einigen Wochen zugestimmt, seinem Inkrafttreten steht nun nichts mehr im Wege.
Redaktion
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6. Dezember 2018
Es kommt auf jede Tonne erneuerbare Energie an. (Symbolbild)
Die neuen EU-Energie-Regeln, ein Instrument zur Fortschrittskontrolle in der Klima- und Energiepolitik („Governance-Verordnung“), verpflichtet die Mitgliedstaaten, bis Ende 2019 nationale Energie- und Klimapläne für die Zeit bis 2030 vorzulegen, wie es in einer MItteilung des Deutschen Umweltministeriums heisst. Damit werden Langfriststrategien zum Klimaschutz entwickelt. Deutschland hat mit dem Klimaschutzplan 2050 bereits eine solche Langfriststrategie für den Klimaschutz beschlossen. Ob die Schweiz auf dem gleichen Wege ist, steht woanders geschrieben. Jedenfalls hat sich die EU-Kommission verpflichtet, eine Strategie vorzulegen, wie Europa so schnell wie möglich Treibhausgasneutralität erreichen kann.
Hierfür hat die Kommission am 28. November einen Vorschlag vorgelegt.
Die Neufassung der Energieeffizienz-Richtlinie legt für 2030 ein Energie-Einsparziel von mindestens 32,5 Prozent gegenüber dem Trend fest. Dies bedeutet eine Erhöhung im Vergleich zum Vorschlag der Kommission, der 30 Prozent lautete. Für 2020 gilt bereits ein Ziel von 20 Prozent. In der Energieeffizienz liegen noch viele ungenutzte Potentiale.
Erneuerbare-Energien-Richtlinie
Die Neufassung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie legt fest, dass in der EU bis 2030 mindestens 32 Prozent des Energieverbrauchs (Strom, Wärme und Verkehr) aus erneuerbaren Energien kommen sollen. Beim bislang geltenden Ziel von 20 Prozent bis 2020 liegt die EU gut auf Kurs. Das neue 32-Prozent-Ziel fällt deutlich ambitionierter aus als die ursprünglich von der Kommission vorgeschlagenen 27 Prozent. Im Wärmebereich sollen die Mitgliedstaaten den Anteil erneuerbarer Energien pro Jahr um mindestens 1,1 Prozentpunkte steigern.
Im Verkehrsbereich soll der Anteil erneuerbarer Energien bis 2030 auf 14 Prozent steigen. 2016 lag er bei rund sieben Prozent.
Die Erneuerbare-Energien-Richtlinie legt zudem fest, inwieweit Biokraftstoffe angerechnet werden können. Der Anteil konventioneller Biokraftstoffe aus Ackerpflanzen am gesamten Energieverbrauch im Verkehr darf wie bisher maximal bei sieben Prozent liegen. Neu ist, dass Mitgliedstaaten auch weniger als sieben Prozent Anteil konventioneller Biokraftstoffe vorschreiben können, ohne das an anderer Stelle ausgleichen zu müssen. Die Bundesregierung will konventionelle Biokraftstoffe nach Maßgabe des Status quo nur bis zu einem Anteil von maximal 5,3 Prozent anrechnen.
Die Anrechnung von Biokraftstoffen aus Energiepflanzen, deren Anbau zur Abholzung von Regenwäldern beiträgt, wird auf dem Niveau des Jahres 2019 eingefroren und soll im Zeitraum von 2023 bis 2030 komplett auslaufen. Dies dürfte vor allem Auswirkungen auf den Einsatz von Palmöl haben. Die Details dazu werden derzeit erarbeitet.
Neuer Bericht des Bundesrates zum Goldhandel
Im neuen Bericht zum Goldhandel analysiert der Bundesrat den Goldsektor in der Schweiz, stellt Initiativen und Massnahmen vor und gibt Empfehlungen, mit denen sichergestellt werden soll, dass nur menschenrechtskonform produziertes Gold importiert wird.
Redaktion
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6. Dezember 2018
Der Bund legt wieder Schwergewicht auf die Rückverfolgbarkeit von Goldressourcen. (Symbolbild: Unsplash)
Was viele in der Diskussion um den Goldhandel nicht wissen: Ein Grossteil der weltweiten Goldproduktion wird in der Schweiz raffiniert. 2017 wurden 2404 Tonnen Gold im Wert von 69,6 Milliarden Franken importiert und 1684 Tonnen Gold im Wert von 66,6 Milliarden Franken exportiert, heisst es in der Medienmitteilung.
In Anbetracht der Bedeutung des Goldsektors in der Schweiz beantragte der Bundesrat die Annahme des Postulats 15.3877 vom 21.9.2015, welches ihn beauftragte, den entsprechenden Bericht dazu vorzulegen.
Handlungsbedarf bei der Transparenz
Der Bericht enthält neben einem Überblick über den Goldsektor in der Schweiz und seine Hauptakteure, auch eine Auflistung von potentiellen Risiken und Herausforderungen sowie von durchgeführten Projekten und Massnahmen in der der Schweiz zur Sicherstellung einer menschenrechtskonformen Goldproduktion.
Der Goldhandel in der Schweiz unterliege einer der strengsten Gesetzgebungen der Welt, heisst es weiter. Insbesondere das Edelmetallkontrollgesetz und das Geldwäschereigesetz sollen gewährleisten, dass Schweizer Raffinerien kein Gold betrügerischer Herkunft verarbeiten. Des Weiteren haben die Schweizer Raffinerien freiwillige Sozial- und Umwelt-Standards eingeführt.
Der Bundesrat sieht dennoch Handlungsbedarf, vor allem im Bereich Transparenz und Lieferkette.
, denn nur dadurch lasse sich vermeiden, dass menschenrechtswidrig produziertes Gold in die Schweiz eingeführt wird. Der Bundesrat möchte deswegen den Multi-Stakeholder-Dialog vertiefen und die Entwicklungszusammenarbeit im Bereich der verantwortungsvollen Goldproduktion weiter ausbauen.
Weitere Informationen zum Goldhandel und zu den Verletzungen von Menschenrechten finden Sie hier
EU-Aktionsplan zur nachhaltigen Wirtschaft
Vor mehr als einem halben Jahr (am 8. 3. 2018) hat die EU-Kommission einen Aktionsplan vorgelegt. Die Grundlage für „Financing Sustainable Growth“ zeigt erste kleine Früchte. Nicht zuletzt, weil die EU-Experten ihren längerfristigen Zielhorizont jetzt unter Berücksichtigung von Klimawandel, Energiewende und sozialen Faktoren anpassen möchten.
mm
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23. November 2018
Zur Umsetzung der EU-Vorschläge sind weitreichende, auch gesetzgeberische Massnahmen notwendig. (Bild: depositphotos)
Der EU-Aktionsplan soll die europäische Finanzwirtschaft stärker auf die Finanzierung eines längerfristigen, nachhaltigen Wachstums ausrichten. Dies erfordert weitgehende, auch gesetzgeberische Massnahmen in Bezug auf Berichterstattung, Bilanzierung, Regulierung und Unternehmensführung.
Grundlage des anfangs März 2018 vorgestellten Aktionsplans ist der im Januar vorgelegte Schlussbericht einer hochrangigen Expertenkommission, der „High-Level Expert Group on Sustainable Finance“ (HLEG), deren Empfehlungen weitgehend übernommen wurden. Seit ein paar Wochen ist nun ein deutlich gestiegenes Interesse zu verzeichnen.
Vorschläge der Expertengruppe
Zur Umsetzung der Vorschläge sind weitreichende, auch gesetzgeberische Massnahmen notwendig, die Bilanzierung, Corporate Governance, Risikomanagement und regulatorische Schritte beinhalten. Insbesondere muss der Zeithorizont bei der Bilanzierung und der Erfassung von Risiken deutlich ausgedehnt werden, um beispielsweise die Auswirkungen von Klimawandel und Energiewende angemessen abzubilden.
Der Aktionsplan in Kürze:
Im Folgenden der Versuch, den auf zwanzig Seiten skizzierten Plan der EU-Kommission in Kürze und in Hinblick auf seine praktischen Auswirkungen für die Kreditwirtschaft zusammenzufassen:
Klassifizierung von wirtschaftlichen Aktivitäten bezüglich ihres Beitrags zu einer nachhaltigen Entwicklung („Taxonomie“)
Dabei sollen vor allem die Kriterien Klimawandel, Umweltwirkungen und soziale Wirkungen angewendet werden. Zunächst werden der Klimawandel und die Energiewende im Fokus einer technischen Expertengruppe stehen
Standards/Gütesiegel für „grüne“ Finanzprodukte
Zunächst zielt die Kommission auf die Standardisierung „grüner“ Anleihen, sogenannten Greenbonds. Später sollen andere Produkte auf der Grundlage der Taxonomie geprüft werden
Förderung von Investitionen in nachhaltige Projekte
Aufbau von Beratungskapazitäten für nachhaltige Infrastrukturprojekte in der EU und den Nachbarländern
Aufnahme von Nachhaltigkeit in die Finanzberatung
Modifikation der Vertriebsrichtlinien für Banken (MiFID II) und Versicherungen (IDD, Insurance Distribution Delegated Acts). Anm.: Diese Punkte waren in der Expertenempfehlung nicht so deutlich enthalten
Qualitätsmassstäbe für Nachhaltigkeit
Schaffung von mehr Transparenz und Vergleichbarkeit von Nachhaltigkeitskriterien
Bessere Integration von Nachhaltigkeit in Ratings und Marktresearch
Relevanz für Kreditwürdigkeit (Credit Rating) und Methodik von Nachhaltigkeitsratings
Klärung der Pflichten von Investoren und Vermögensverwaltern
Im Expertenbericht wurde klar eine „treuhänderische Pflicht“ von Investoren für zukünftige Generation gefordert. Verfassungsrechtlich ist diese aber kaum verankert, z.B. fehlen entsprechende Nachhaltigkeitsanforderungen im deutschen Grundgesetz
Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien bei Risikomanagement und Regulierung
Im ersten Schritt werden vor allem Klimarisiken und die Energiewende im Fokus stehen. Konkret ist dies die Umsetzung der Vorschläge der vom Financial Stability Board eingesetzten Taskforce TCFD (Task force for climate-related financial disclosures).
Einige Aufsichtsbehörden wie die Deutsche Bundesbank haben dies ausdrücklich gefordert, die niederländische Zentralbank hat bereits einen Stresstest für Klimarisiken bei Banken avisiert
Ausweitung der Berichterstattungs- und Bilanzierungspflichten
Hier sind weitreichende Anpassungen in Hinblick auf die Wesentlichkeit in der Berichterstattung und vor allem auch auf den Zeithorizont bzw. Zukunftsbezug erforderlich.
Verstärkung von Nachhaltigkeitsaspekten in der Unternehmensführung und Kapitalmarktkommunikation
Die Unternehmensleitungen sollen auf die Formulierung und Veröffentlichung von Nachhaltigkeitsstrategien verpflichtet werden. Der Druck der Kapitalmärkte zu kurzfristigem Handeln in den Unternehmen könnte nach den Vorstellungen des Aktionsplans u.a. durch Halteperioden und Umschlagsbegrenzungen für Vermögensverwalter reduziert werden.
Unter der Voraussetzung, dass das europäische Parlament dem Aktionsplan folgt, werden die Massnahmen gegebenenfalls innerhalb weniger Monate wirksam, etwa durch Anpassungen von MiFID II (Banken) und IDD (Versicherungsvertrieb) Regulativa. Es war zu erwarten, dass die EU-Kommission in diese Richtung tätig wird, allerdings werden wohl Teile der Kreditwirtschaft überrascht sein, wie schnell und weitreichend die Eingriffe sein können.
Mehr Einzelheiten zu den Auslegungen des EU-Aktionsplans finden Sie hier (in Englisch) oder auch hier
„IFZ Sustainable Investments Studie 2018“ über nachhaltige Fonds
die «IFZ Sustainable Investments Studie 2018» der Hochschule Luzern belegt, dass nachhaltige Investmentfonds prozentual dreimal so schnell wie der Gesamtmarkt wachsen. Die Vermögen nachhaltiger Publikumsfonds im Schweizer Vertrieb sind über das vergangene Jahr um 44 Prozent auf 157 Milliarden Franken gestiegen. Schweizer Anlegern stehen heute 423 Fonds zur Verfügung, die neben finanziellen Kriterien auch solche der Sozial- und Umweltverträglichkeit berücksichtigen.
Redaktion
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23. November 2018
27 Prozent der nachhaltigen Publikumsfonds investiert in ein relevantes Thema wie etwa Klima, Umwelt, Energie oder Soziales, heisst es in der IFZ Studie. (Symbolbild: depositphotos)
Der Studienleiter der der „IFZ Sustainable Investments Studie 2018“ Manfred Stüttgen beobachtet eine Tendenz: «Themenfonds greifen meist zeitgenössische Debatten auf, gegenwärtig Umweltthemen wie den Klimawandel oder soziale Herausforderungen wie den demographischen Wandel», sagt Stüttgen. Themenfonds mit einem Fokus auf Umwelt und Klima wachsen überproportional.
Sie profitieren von der Nachfrage nach grünen Obligationen (Green Bonds). Diesen Fonds sind über 1 Milliarde Franken Neugeld zugeflossen. Auch das Angebot an Fonds mit einem sozialen Thema wie Demographie, Generationengerechtigkeit oder Geschlechterdiversität wird breiter. Diese Fonds sind im Vergleich zu anderen Themenfonds (z. B. Wasser) noch relativ jung.
Nachhaltige Anlagen gelten als erfolgreiche Innovation und erreichen eine immer breitere Investorenbasis: Die Anzahl an nachhaltigen Publikumsfonds steigt im Vergleich zum Vorjahr von 336 auf 423 Fonds (+26 Prozent). Die darin verwalteten Vermögen wachsen von 109 auf 157 Milliarden Franken (+44 Prozent). Das zeigt die Studie des Instituts für Finanzdienstleitungen Zug IFZ der Hochschule Luzern, die nachhaltige Investmentfonds mit öffentlicher Vertriebszulassung in der Schweiz analysiert.
21 Milliarden Franken Neugeld
Investoren bevorzugen vermehrt Fonds, die neben finanziellen Kriterien auch ökologische, soziale oder governance-spezifische Faktoren berücksichtigen. Von den 8’788 Publikumsfonds mit Schweizer Vertriebszulassung werden 423 Fonds gemäss der Studie als nachhaltig bezeichnet. Bestehende nachhaltige Fonds haben über die Beobachtungsdauer 21 Milliarden Franken Neugeld angezogen. Das entspricht einem Nettomittelzufluss von rund 20 Prozent. Relativ zum Fondsvermögen ziehen damit nachhaltige Fonds doppelt so viel Neugeld an wie der Gesamtmarkt aller Publikumsfonds in der Schweiz.
Schweizer Fondsanbieter sind besonders aktiv
Die 423 Fonds werden von 119 Fondsanbietern offeriert. Unter den zehn grössten Instituten mit den höchsten verwalteten Vermögen in nachhaltigen Publikumsfonds rangieren auch vier Schweizer (siehe Abbildung 2). Schweizer Anbieter markieren ausserdem mit neu lancierten nachhaltigen Fonds vermehrt Präsenz: Zehn lokale Institute haben über das Berichtsjahr mehr als zwei neue Nachhaltigkeitsfonds aufgesetzt. Neben einer Grossbank zählen dazu ausgewählte Kantonalbanken und Schweizer Asset Manager.
Passive Fonds werden relevanter
Von den 423 nachhaltigen Fonds haben aktiv verwaltete Fonds weiterhin ein deutliches Übergewicht (siehe Abbildung 4). Passive Fonds machen lediglich 10 Prozent aus, die Wachstumsraten sind allerdings beachtlich: Passive nachhaltige Fonds verzeichnen Neugeld-Zuflussraten in der Höhe von 33 Prozent. Dies ist signifikant höher als bei passiv gemanagten konventionellen Fonds. Obwohl Banken und Fondsanbieter die Angebotspalette passiver nachhaltiger Fonds über das vergangene Jahr um fast 50 Prozent erweitert haben, ist dieses Angebot weiterhin beschränkt.
Ausschlusskriterien, Positivselektion und normbasiertes Screening sind häufig
Ein entscheidendes Abgrenzungskriterium nachhaltiger Fonds ist die im Anlageprozess umgesetzte Nachhaltigkeitsstrategie. Meist werden verschiedene Strategien miteinander kombiniert: 78 Prozent der 423 nachhaltigen Fonds schliessen aus ökologischen, sozialen oder governance-spezifischen Erwägungen gewisse Anlageobjekte aus, wie etwa Produzenten bestimmter Waffen (Ausschlusskriterien). 64 Prozent wählen Anlageobjekte aus, die sozial-ökologische Kriterien wie Umweltschutz besonders gut erfüllen (Positivselektion). 61 Prozent der Fonds prüfen ihre Investments auf die Einhaltung internationaler Standards wie dem Global Compact der Vereinten Nationen (normbasiertes Screening).
Kein Konsens zur Beurteilung der Nachhaltigkeitsleistung
Die Studie zeigt, wie «Nachhaltigkeit» von Unternehmen gemessen und beurteilt werden kann. Oft ist man sich in der Praxis uneinig über die «richtigen» Beurteilungskriterien. Rating-Agenturen leisten hier Hilfestellung, um die Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen zu beurteilen.
Wirkung der Fonds schwierig zu messen
«Derzeit ist es noch schwer, die Wirkung nachhaltiger Fonds zu messen», sagt Manfred Stüttgen. Fondsanbieter versuchen aber, mit sogenannten Impact Fonds diesem Erfordernis nachzukommen: Sie wollen die soziale und ökologische Wirkung messen und ausweisen. Nicht nur für Fondsanbieter ist ein transparentes Nachhaltigkeits-Reporting von Bedeutung. Auch für Pensionskassen werden messbare Nachhaltigkeits-Kennziffern aufgrund von Risiko-Erwägungen im Anlageprozess immer relevanter.
Auf die Umsetzung von Nachhaltigkeitskriterien im Investmentprozess von Schweizer Pensionskassen geht die Studie anhand von Praxisbeispielen ausführlich ein.
Die «Sustainable Investments Studie 2018» kann unter ifz@hslu.ch für 190 Franken bestellt werden. Eine digitale Version der Studie steht hier zur Verfügung.
(Quelle: HSLU)
BAFU zum Stand der Umsetzung des Herbizidverbots
Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) hat kürzlich eine Studie zur Umsetzung des Herbizidverbots auf und an Strassen, Wegen und Plätzen veröffentlicht.
Redaktion
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13. November 2018
Insgesamt setzt mehr Mehr als die Hälfte der vom BAFU Befragten setzen Herbizide im Unterhalt von Strassen, Gebäuden und anderen Gebieten ein. (Bild: BAFU)
Die neue Publikation zum Herbizidverbot des Bundeamtes für Umwelt (BAFU) geht auf den Stand der Umsetzung auf und an Strassen, Wegen und Plätzen ein. Im öffentlichen Sektor ist die Anwendung von Mitteln zur Unkrautbekämpfung auf diesen Flächen seit mehr als 30 Jahren untersagt. Das Verbot gilt seit 2001 auch für private Anwenderinnen und Anwender.
Wenig Aufklärung gegeben
Das BAFU wollte nun in Erfahrung bringen, inwiefern das Herbizidverbot bei den Anwenderinnen und Anwendern bekannt ist und umgesetzt wird. Vergleicht man die Ergebnisse der Studien von 2010 und 2017, so kann als Trend festgehalten werden, dass sich in Bezug auf die Bekanntheit des Verbots, sowie in dessen Umsetzung – sowohl bei Fachleuten als auch bei den Privatpersonen – nur wenig verändert hat.
Insgesamt setzt mehr als die Hälfte der Befragten Herbizide im Unterhalt ein, zum Teil auch auf Flächen, auf welchen die Anwendung verboten wäre. Im Gegensatz zu Privaten, von denen 47 Prozent noch nie etwas vom Anwendungsverbot gehört haben, kennen über 90 Prozent der Fachleute das Verbot.
Mit der «Drehscheibe Kreislaufwirtschaft Schweiz» schafft Swiss Recycling eine Plattform für engagierte Organisationen, die konkrete Lösungen zu mehr Kreislaufwirtschaft erarbeiten.
Redaktion
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5. November 2018
Kreislaufwirtschaft dient nicht nur der Sammelquoten, sondern setzt ganz vorne in der Wertschöpfungskette an. (Bild: unsplash)
Die Drehscheibe Kreislaufwirtschaft Schweiz setzt sich dafür engagiert ein, dass unter anderem nachhaltige Kreislauf-Indikatoren anstatt simpler Sammel-Quoten kursieren. Dadruch soll die Kreislaufwirtschaft ganzheitlich messbar werden. Das Design-for-Recycling wird über Branchenempfehlungen der betroffenen Industrien optimiert, womit auch der Rezyklat-Einsatz weiter verbessert werden kann. Schliesslich wird das notwendige Wissen zielgruppengerecht dargestellt und geteilt.
Die Schweiz hat mit dem gut etablierten Recycling innerhalb der beiden Verwertungs-Säulen (stofflich und thermisch, ohne Deponierung unbehandelter Abfälle) eine sehr gute Ausgangslage. Die Bevölkerung stützt die selektive Separatsammlung, welche ein wesentliches Element für eine hochwertige Rezyklat-Qualität darstellt. Die in einem breiten Konsens erarbeiteten Leitsätze des Ressourcen Trialogs sind eine gute Basis für weitere Optimierungen.
„Design-for-Recycling“, das Schlüsselelement
Kreislaufwirtschaft ist nicht eine Maximierung der Sammelquoten, sondern setzt ganz vorne in der Wertschöpfungskette an: zum Beispiel bei der Materialwahl und dem Design der Verpackungen und Produkte. Das Design-for-Recycling ist ein Schlüssel-Element für eine verbesserte Kreislaufschliessung. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Nachfrage nach Rezyklat: Wie kann diese weiter gesteigert werden?
Welcher Rahmen und mögliche Anreize sind dafür nötig? Letztlich ist auch die Sensibilisierung für Kreislauf-Fähigkeit ein wichtiges Thema. Hier wollen wir Entscheidungsträger von morgen sensibilisieren, welches Erfolgsfaktoren einer Kreislaufwirtschaft sind und welche Handlungsoptionen bestehen.
Kreislaufwirtschaft Schweiz
Die Drehscheibe Kreislaufwirtschaft Schweiz wird mit Partnern aus Wirtschaft und Recycling bis Frühling 2019 aufgebaut. Am 14.03.2019 befassen wir uns in einem Forum mit den Zielen der EU und spiegeln diese mit dem Stand in der Schweiz. Am 14.06.2019 – anlässlich der Präsentation des Leistungsbericht Swiss Recycling – werden erste Resultate gezeigt.
Mehr Informationen zum Projekt und zur Kreislaufwirtschaft, wie z.B. einzelne Grafiken, finden Sie hier: www.circular-economy.swiss (eine franz. Version folgt).
Universität Basel und ETH Zürich bündeln Spitzenforschung für Kinder und Jugendliche weltweit
Die Universität Basel und die ETH Zürich haben heute gemeinsam das Botnar Research Centre for Child Health (BRCCH) in Basel gegründet. In diesem bringen sie hervorragende Wissenschaft und klinische Forschung aus verschiedenen Fachgebieten zusammen, um neue Methoden und digitale Innovationen für den weltweiten Einsatz in der Pädiatrie zu entwickeln. Das BRCCH wird durch einen Beitrag von CHF 100 Mio. seitens Fondation Botnar (Basel) finanziert.
Redaktion
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30. Oktober 2018
Universität Basel und ETH Zürich ermöglichen Spitzenforschung, um Kindern und Jugendliche weltweit zu helfen. (Bild: depositphotos)
Das Botnar Research Centre for Child Health (BRCCH) wird von der Universität Basel und der ETH Zürich getragen. Zum Netzwerk des Forschungszentrums gehören zudem Partnerinstitute wie das Universitäts Kinderspital beider Basel und das Schweizerische Tropen- und Public Health-Institut in Basel.
Das Forschungszentrum bündelt die Kompetenzen der beiden Hochschulen in Systembiologie und Medizin sowie in gesundheitsrelevanten Feldern von Life Sciences, Ingenieurwissenschaften, Sozialwissenschaften und Informationstechnologie. Mit seinen Arbeiten soll das Forschungszentrum dazu beitragen, Krankheiten vorzubeugen, neue Behandlungsansätze zu entwickeln, Diagnosen und Wirkungsprognosen zu verbessern und finanziell tragbare Lösungen zu fördern. Ziel des BRCCH sind konkrete Resultate: «Wir wollen Wirkung für Kinder und Jugendliche erzielen», sagt Andrea Schenker-Wicki, Rektorin der Universität Basel.
Transdisziplinärer Forschungsansatz
Im BRCCH arbeiten Grundlagenforschende, klinische Forschende sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den Gebieten Implementationsforschung, Gesundheitssysteme, Gesundheitsökonomie, Pädagogik, Ethik und Recht eng zusammen. Im Fokus sind Länder mit beschränkten Ressourcen – die entwickelten Lösungen sollen aber überall einsetzbar sein. Dieser Ansatz ermöglicht nachhaltige Forschung und Entwicklung mit einem direkten Nutzen für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen.
Das BRCCH wird sich insbesondere auf vier Forschungsschwerpunkte innerhalb der Pädiatrie fokussieren: Diabetes, Infektionskrankheiten/Immunologie, Herz-Lungen-Erkrankungen sowie die Wiederherstellung von Körperfunktionen durch regenerative Chirurgie. Innerhalb der Forschungsschwerpunkte sind bereits verschiedene Forschungsbereiche definiert.
Im Vordergrund stehen Ansätze mit Ausrichtung auf digitale und mobile Gesundheitslösungen sowie auf zellbasierte Therapien. «Es ist unser Ziel, wegweisende digitale Lösungen für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu entwickeln», sagt Lino Guzzella, Präsident der ETH Zürich.
Schwerpunktinvestition von Fondation Botnar
Die Finanzierung des BRCCH erfolgt über einen Beitrag von Fondation Botnar in Basel von CHF 100 Mio. je zur Hälfte an die Universität Basel und an die ETH Zürich Foundation. Die Zuwendung ist auf zehn Jahre verteilt. Fondation Botnar setzt sich für die Verbesserung der Gesundheit und des Wohlbefindens von Kindern und Jugendlichen in stark wachsenden Städten weltweit ein.
Sie investiert in Lösungen, die digitale Innovationen mit Fokus auf künstliche Intelligenz einsetzen und fördern. «Kinder und Jugendliche sind wichtige Pfeiler der Gesellschaft. Wir möchten sie befähigen, ihr Leben erfolgreich zu gestalten und aktiv zu einer positiven Entwicklung beizutragen. Das BRCCH wird dazu viele neue Lösungen beisteuern», sagt Peter Lenz, Stiftungsratspräsident von Fondation Botnar.
Das Engagement im BRCCH stellt für die 2003 gegründete Stiftung eine Schwerpunktinvestition dar. In der Einführungsphase von neu entwickelten Lösungen stellt Fondation Botnar dem BRCCH seine Netzwerke in verschiedenen Städten unter anderem in Tansania und Rumänien zur Verfügung.
Standort Basel
Das Forschungszentrum nimmt seine operative Tätigkeit Anfang 2019 in Basel auf und wird schrittweise aufgebaut. Die Stadt ist mit ihrer Universität, dem Departement für Biosysteme (D-BSSE) der ETH Zürich und vielen hoch innovativen Unternehmen in den Bereichen Biotech und Life Sciences der prädestinierte Standort für das BRCCH.
Zu Fondation Botnar:
Fondation Botnar ist eine 2003 gegründete Schweizer Stiftung mit Sitz in Basel und führt das philantropische Vermächtnis der Familie Botnar fort. Die Stiftung setzt sich für die Verbesserung der Gesundheit und des Wohlbefindens von Kindern und Jugendlichen in stark wachsenden Städten weltweit ein. Sie wirkt dabei als Katalysator, setzt auf Partnernetzwerke und investiert in Lösungen, die digitale Innovationen einsetzen und fördern, darunter insbesondere auch künstliche Intelligenz. Fondation Botnar ist Mitglied des Dachverbands SwissFoundations der Schweizer Förderstiftungen.
Warum die Kleine Eiszeit Mitte des 19. Jahrhunderts endete
Dass in dieser sogenannten Kleinen Eiszeit die Alpengletscher wuchsen und anschliessend wieder zurückgingen, war ein natürlicher Prozess. Dies haben nun PSI-Forschende anhand von Eisbohrkernen nachgewiesen. Bislang wurde vermutet, dass industrieller Russ ab der Mitte des 19. Jahrhunderts die damalige Gletscherschmelze ausgelöst hatte.
Laura Hennemann/ Paul Scherrer Institut
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30. Oktober 2018
Das Camp der Forschenden im Jahr 2015 auf dem südöstlich von Zermatt gelegenen Colle Gnifetti. (Bild: PSI/ Michael Sigl)
Die Gründe, wleche zur Kleinen Eiszeit, zur Abkühlung der Erde beitrugen sind nun bekannt. Die Ergebnisse wurden im Oktober 2018 in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift The Cryosphere veröffentlicht. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts führte eine Serie grosser Vulkanausbrüche in den Tropen zu einer vorübergehenden globalen Abkühlung des Erdklimas.
In populärwissenschaftlichen Darstellungen werden oft Bilder der Alpengletscher aus den 1850er Jahren zum Vergleich herangezogen, um den menschengemachten Klimawandel zu visualisieren. Dies ist jedoch falsch, haben Forschende nun anhand von Daten aus Eisborkernen nachgewiesen. Die Wissenschaftler um Michael Sigl vom Paul Scherrer Insistut PSI analysierten die in den unterschiedlichen Eistiefen archivierte Luftzusammensetzung und darin vor allem die Menge an industriellem Russ.
Sie erstellten so für Mitteleuropa die erste ununterbrochene Datenreihe zur Menge des industriellen Russes in der Atmosphäre für die Zeit von den 1740er Jahren bis heute.
Vulkanausbrüche in den Tropen
Diese Daten zeigen eindeutig, dass industrieller Russ kaum verantwortlich sein kann für die damalige Schmelze der Alpengletscher, die sich vor allem zwischen 1850 und 1875 vollzog. „Bis 1875 waren bereits rund 80 Prozent des damaligen Gletscherrückgangs abgeschlossen“, so Sigl. Doch erst ab 1875 überstieg die Menge an industriellem Russ in Mitteleuropa die natürlich in der Atmosphäre vorhandene Menge. „Nur bei den letzten 20 Prozent des Rückgangs könnte der Russ eventuell einen Einfluss gehabt haben“, stellt Sigl klar.
Die Analyse von Gletschereis liefert lückenlose Daten von 1740 bis heute zum industriellen Russ. Die Chemikerin Margit Schwikowski mit einem Eisbohrkern am Colle Gnifetti.(Bild: PSI/Beat Gerber)
Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts war geprägt von mehreren grossen Vulkanausbrüchen in den Tropen, deren ausgestossene Schwefelpartikel zu einer vorübergehenden globalen Abkühlung führten. In dieser finalen Kaltphase der sogenannten Kleinen Eiszeit wuchsen bis Mitte des 19. Jahrhunderts die Alpengletscher noch einmal stark an. Bislang dachte man, dass ihr Rückgang ab den 1860er Jahren auch auf den Beginn der Industrialisierung zurückzuführen sei. Doch die PSI-Ergebnisse wiederlegen diese Theorie nun eindeutig:
Es handelte sich (zunächst) lediglich um einen Rückgang zur vorherigen, ungestörten Gletscherausdehnung.
1850 eignet sich nicht als Referenzjahr für Klimamodelle
„Die Frage, ab wann der menschliche Einfluss auf das Klima beginnt, ist weiterhin offen“, sagt Sigl. Und dieser Beginn, so zeigt diese Studie, ist aufgrund weiterer Faktoren nicht unbedingt ein geeigneter Referenzwert für Klimamodelle. Sigl schätzt, dass sich die 1750er Jahre besser als vorindustrielle Referenzzeit eignen, also ein Zeitpunkt vor der Kleinen Eiszeit. Auch bisher wird schon – wann immer es die dünne Datenlage vergangener Jahrhunderte ermöglicht – 1750 als Referenzjahr angenommen, wenn es in Klimamodellen darum geht, Daten aus der vorindustriellen Zeit mit denen nach Beginn der Industrialisierung zu vergleichen. „Das ist sinnvoll, denn dass das Klima in der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht das urtümliche war, sehen wir in unseren Daten nun deutlich.“
Zukünftige Klimamodelle berücksichtigen die Russdaten
In Modellrechnungen zum Klimawandel geht auch der zeitliche Verlauf der Russmenge in der Atmosphäre als eine von vielen Variablen ein. „Bisher wird von den Modellierern jedoch ein Schätzwert der jeweiligen Russmenge eingesetzt“, so Sigl. Vor allem für das 19. Jahrhundert liegen hierbei nur grobe Schätzungen der einzelnen Industrienationen auf Grundlage des damaligen Energieverbrauchs zugrunde. Für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde bislang ein linearer Anstieg der Russmenge in der Atmosphäre angenommen, so Sigl. Dass dies nicht der Realität entspricht, lässt sich dank der Eisbohrkernuntersuchungen von Sigl und seinen Mitforschenden nun belegen.
Die Forschenden plädieren daher dafür, dass in zukünftigen Modellrechnungen experimentelle Russdaten Einzug erhalten. Diese Modelle wiederum bilden einen wichtigen Teil des Berichts, den der als Weltklimarat bekannte IPCC, der Intergovernmental Panel on Climate Change, rund alle sieben Jahre herausgibt.
„Im IPCC-Bericht haben die Modellrechnungen, die das Klima seit 1850 mathematisch nachvollziehen, eine zentrale Rolle“, unterstreicht Margit Schwikowski, Leiterin des Projekts, in dessen Rahmen die Untersuchungen durchgeführt wurden. „Mit unserer Forschung haben wir nun dazu beigetragen, dass die Wissenschaftsgruppen, die solche Klimamodelle erstellen, im Bereich des industriellen Russes auf experimentelle Daten zurückgreifen werden können.“
Erster „Umweltpreis der Wirtschaft“ geht an ecoRobotix
Der erste Umweltpreis der Schweizerischen Umweltstiftung integrierte drei bahnbrechende Unternehmen. Schliesslich ist der neu gestaltete Award "Umweltpreis der Wirtschaft" an die Waadtländer ecoRobotix verliehen worden. Künftig soll der Preis in Partnerschaft mit dem Swiss Economic Forum, im Rahmen einer neuen Plattform verliehen werden.
Michael Merz
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26. Oktober 2018
Die Gewinner des ersten „Umweltpreis der Wirtschaft“ heissen: ecoRobotix, das Unternehmen aus Yverdon hat einen autonomen Unkrautvernichtungs-Roboter entwickelt. (Bild: ecoRobotix)
Künftig soll der „Umweltpreis der Wirtschaft“ in Partnerschaft mit Swiss Economic Forum vergeben werden. Die Tochtergesellschaft der NZZ Mediengruppe lanciert dafür eine neue Plattform, das Circular Economy Forum. Neben der Hauptveranstaltung, an welcher der Preis verliehen wird, sollen kleinere Veranstaltungen das Thema Kreislaufwirtschaft auch in die Regionen tragen, erläuterte Dominik Isler, CEO des Swiss Economic Forum. „Wir engagieren uns, weil die Zukunft der Wirtschaft nur nachhaltig sein kann“, so Dominik Isler.
Dünge-Roboter mit Vorteilen
Der Bauernsohn Steve Tanner musste einst zusehen, wie seine Mitschüler nachmittags frei hatten, während er auf den Feldern seines Vaters aushalf. Das sei der Beweggrund gewesen, Robotik zu studieren. Später gründete Tanner zusammen mit Aurélien Demaurex – ursprünglich Banker – ecoRobotix. Das Jungunternehmen aus Yverdon entwickelt einen Roboter mit Rundumblick, der auf dem Feld selbständig Unkraut entdeckt – es präzise vernichtet.
Der Solarbetrieb macht den Roboter völlig unabhängig in der Energieversorgung, selbst bei bedecktem Himmel. Dabei arbeitet er bis zu 12 Stunden pro Tag – dank GPS vollkommen ohne menschliche Kontrolle. Weitere Umwelt-relevante Vorteile: Es braucht weniger Düngemittel und es berührt nicht die Kulturpflanzen – „Wir schützen die Natur, weil kein Unkrautvernichtungsmittel in die Nahrungs- oder Futtermittel gelangt“, so Demaurex.
Aurélien Demaurex konnte am Dienstag auf der MS Diamant auf dem Vierwaldstättersee für ecoRobotix den erstmals vergebenen Umweltpreis der Wirtschaft in Empfang nehmen. Der zunächst mit 20’000 Franken dotierte Preis wird von der Schweizerischen Umweltstiftung vergeben. Allerdings stehen bereits einige Business Angels und der Bund dahinter die diesjährig nominierten Unternehmen zu unterstützen.
EcoRobotix wurde bereits 2011 in Yverdon gegründet. Inzwischen hat das Kleinunternehmen Forschungs- und Pilotprojekte in Gewässerschutzgebieten von Nestlé Waters Schweiz sowie anderen europäischen Agrargebieten durchgeführt. Im Mai 2018 hat das Unternehmen eine so genannte Serie B für CHF 10.6 Millionen (EUR 9.2 Millionen) mit vielversprechenden Investoren unterzeichnet.
Darunter befinden sich Capagro and BASF Venture Capital sowie private Finanzierungspartner. Der Preissieger aus Yverdon versuchen nun im europäischen Agrar-Markt einzusteigen.
Gute Aussichten: neues Label
„Dieser Preis zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, wird Demaurex in einer Mitteilung der Umweltstiftung zitiert. „Er beflügelt uns, die Technik für die Umwelt einzusetzen.“ Die Vision der beiden Gründer: Bereits in zehn Jahren arbeiten Roboter auf allen Feldern, während die Bauern sich damit beschäftigen, sie richtig einzusetzen.
In das Finale des Preises hatten es auch Bühler Insect Technology Solutions und Carbon Delta geschafft. Die Tochter des Uzwiler Mühlenbauers Bühler baut Anlagen für die industrielle Aufzucht und Verarbeitung von Insekten für die Tiernahrung. Das Zürcher Fintech-Unternehmen Carbon Delta hilft mit seiner Software institutionellen Anlegern, den CO2-Fussabdruck und das Klimarisiko ihrer Anlagen zu bewerten.
Zentrale Botschaft am Abend des Umweltpreises war, dass Nachhaltigkeit nicht mehr im Widerspruch zu erfolgreichem Wirtschaften steht. Im Gegenteil. Die nominierten Firmen beweisen, dass ihre Produkte und Dienstleistungen nicht trotz, sondern gerade wegen ihren ökologischen Qualitäten erfolgreich auf dem Markt sind. Dass alle drei nominierten Unternehmungen würdige Sieger gewesen wären, darüber waren sich die Gäste der ersten Preisverleihung einig.
Sie alle hatten das Potenzial, den angestrebten Bewusstseinswandel in der Wirtschaft anzustossen.
Die Auswahl der künftigen Preisträger wird dabei von Go for Impact vorgenommen. Dem im Februar gegründeten Verein gehören das Bundesamt für Umwelt, economiesuisse, öbu, PUSCH, scienceindustries, Swissmem, Swiss Textiles und der WWF an. Wie Kurt Lanz, Präsident des Vereins und Geschäftsleitungsmitglied von economiesuisse, erläuterte, werden die Kandidaten jeweils durch die Partner des Vereins nominiert.
Die Preisverleihung auf dem Vierwaldstättersee war der Kick-off zu etwas Grösserem. Ab 2019 soll der „Umweltpreis der Wirtschaft“ im Rahmen einer neuen Konferenz für Kreislaufwirtschaft des Swiss Economic Forums (SEF) verliehen werden. SEF-CEO Dominik Isler freut sich über diese neue Zusammenarbeit:
„Wir wollen mit dieser neuen Konferenz für Kreislaufwirtschaft ein Schaufenster nach innen und aussen sein, wo wir innovative Projekte der Schweiz zeigen können. Der Preis ist dafür die ideale Ergänzung.“ Die Endauswahl werde dann durch eine Jury vorgenommen. Der Preis wird künftig mit 30’000 Franken dotiert sein.
Weitere Informationen über den Umweltpreis der Schweizer Wirtschaft finden Sie unter
Londoner Hochhausbrand: Fassadenverkleidung als Brandbeschleuniger ausgemacht
Seit dem Londoner Hochhausbrand ist die Feuergefahr von Dämmmaterialien wieder in aller Munde. Tatsächlich spielen diese Baustoffe bei Bränden jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Das haben jetzt auch die vorläufigen Ergebnisse der noch laufenden ersten Untersuchungsphase beim Londoner Hochhausbrand gezeigt, die Mitte Oktober 2018 in der Fachwelt bekannt wurden: Die Wetterschutzverkleidung brannte völlig ab und hat zur schnellen Verbreitung des Feuers geführt.
Redaktion
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25. Oktober 2018
Bei Dämmstoffen gelten in Deutschland und der Schweiz die gleichen Sicherheitsstandards wie bei allen anderen Baumaterialien. (depositbild/Symbolbild)
Als sich Experten über den Hochhausbrand in London, siehe Box, unterhielten, gingen Sie davon aus, dass die wesentlich grösste Gefahr für Leib und Leben der Bewohner nicht die brennende Inneneinrichtung, sondern Dämmstoffe auf der Gebäude-Aussenseite darstellt. Doch das ist nur eine Seite des Problems, denn diese Materialien laut Forschern nur in fünf bis zehn Fällen pro Jahr Feuer.
Wohnungsbrände: Welche Rolle spielen Dämmungen?
In Deutschland brechen jeden Tag durchschnittlich über 500 Wohnungsbrände aus. Nur an jedem 20’000 Brand ist also die Fassade beteiligt. Die meisten Brände haben wie im Londoner Fall ihren Ursprung in den Innenräumen von Wohngebäuden. Brandherd Nummer eins ist die Küche. Hier entstehen aufgrund der Vielzahl elektrischer Geräte die meisten Wohnungsbrände.
Neben technischen Defekten und Fahrlässigkeit spielt auch Brandstiftung eine Rolle bei der Entstehung von Feuer. Auch Fahrlässigkeit beim Rauchen oder dem Abbrennen von Kerzen sind häufige Brandursachen. Fassadendämmungen zählen nicht zu den Brandverursachern.
Ist ein Brand entstanden, brennt zuerst die Inneneinrichtung der Wohnung, etwa Tische, Stühle, Regale, Schränke oder Betten, bevor das Feuer Fenster brechen lässt, sich über die Stockwerke nach oben ausbreitet und dort wiederum die Inneneinrichtung angreift. Erst jetzt ist die Gebäudedämmung prinzipiell in Gefahr. Da die meisten Dämmstoffe jedoch äußerst schlecht brennen, halten die Materialien einen Brand lange aus. In vielen Fällen werden mineralische Stoffe wie Glas- oder Steinwolle als Dämmmaterialien eingesetzt, die überhaupt nicht brennen können.
Neben Naturdämmstoffen mit entsprechenden Zusätzen eignen sich als Dämmstoffe auch organische Stoffe wie Kunststoffschäume. Aus Kostengründen kommen dabei vor allem Dämmplatten aus Polystyrol zum Einsatz, auch EPS-Dämmplatten genannt (EPS für expandiertes Polystyrol). Sie sind in den letzten Jahren wiederholt mit Brandereignissen in Verbindung gebracht worden und damit vermehrt in Kritik geraten. Das Material Polystyrol ist grundsätzlich brennbar.
Bei der Produktion der Dämmplatten fügen die Hersteller jedoch Flammschutzmittel hinzu, die die Platten schwer entflammbar machen. „In Deutschland zugelassene Wärmedämm-Verbundsysteme aus Polystyrol werden seit Langem bei einer Fassadenbrandprüfung gründlich auf ihr Brandverhalten untersucht und sind hinreichend sicher“, sagt Markus Weissert vom Fachverband der Stuckateure für Ausbau und Fassade Baden-Württemberg. „Zahlreiche Einrichtungsbestandteile in Privathaushalten brennen oft sehr viel leichter als die Gebäudedämmung.“ Vor allem Textilien, Möbel sowie PVC-Böden fallen den Flammen schnell zum Opfer – sie brennen zudem innen und nicht außen an der Fassade und verursachen im Ernstfall für die Bewohner giftige Rauchgase.
Doch auch Polystyrol kann nach einiger Zeit bei hoher Temperatur brennen und abtropfen. Um das Brandrisiko bei Wärmedämm-Verbundsystemen aus EPS zu minimieren, ist bei Mehrfamilienhäusern Brandschutz Pflicht. Er verhindert die Weiterleitung des Brandes über die Dämmung auf andere Geschosse. Hauseigentümer können zwischen einem Sturzschutz oder einem Brandschutzriegel wählen:
Beim Sturzschutz wird nicht brennbares Dämmmaterial, häufig Stein- oder Mineralwolle, über und neben den Fenstern aussen angebracht. Bei der Alternative Brandriegel kommt in jedem zweiten Stock über die Fenster ein um das Gebäude laufender Riegel aus nicht brennbaren Dämmmaterialien. Ein Sturzschutz ist seit 1998/1999 im Baurecht vorgeschrieben, die Alternative Brandriegel seit 2006/2007.
Brände bei fertigen Fassadendämmungen
Die Intensität und Häufigkeit der Diskussionen um brennende Dämmungen stehen im Kontrast zu den Fakten. Brennende Dämmungen gibt es jährlich nur in 0,005 Prozent aller Wohnungsbrände in Deutschland. Die Fälle, bei denen Dämmungen Feuer fangen, sind meist Fassaden, die sich noch in der Bauphase befinden. Auch wenn der Brand außerhalb der Immobilie entsteht, etwa durch ein brennendes Auto, Feuer im Müllcontainer oder Ansammlungen von entflammten gelben Säcken, ist die Dämmung früher in Gefahr als das Gebäudeinnere.
„Hauseigentümer sollten bei der Dämmung mittels Wärmedämmverbundsystemen auch darauf achten, dass es sich um bauaufsichtlich zugelassene Systeme handelt“ sagt Frank Hettler von Zukunft Altbau. „Sie müssen zudem fachgerecht eingebaut werden.“ Für noch mehr Sicherheit sorgen die Wahl einer nicht brennbaren Fassadendämmung und die vorgeschriebene Platzierung von Müllcontainern oder gelben Säcken mindestens drei Meter vom Gebäude entfernt. Auch Gebäudeenergieberater helfen: Sie klären neutral über die Eigenschaften einzelner Dämmmaterialien auf und helfen bei der Auswahl eines geeigneten Dämmstoffs.
Greenfell Tower: Die Dämmung brannte nicht
Der grösste Teil der Dämmplatten blieb intakt
Nach dem Brand des Hochhauses „Grenfell Tower“ in London wurde vermutet, dass die Dämmung die Ausbreitung der Flammen stark beschleunigt hat. Dies war jedoch gar nicht der Fall. Darauf weisen Experten wie Werner Eicke-Hennig, Experte des Energieinstituts Hessen, hin. Vollständig abgebrannt ist der Wetterschutz aus Aluminium-Kunststoff ganz aussen an der Fassade. Die darunter liegende Dämmschicht aus Polyurethan-Hartschaum (PU) wurde nur leicht angekokelt. Der dahinter liegende Teil, rund 90 Prozent, blieb unversehrt. (Quelle: Haustech.de).
Wie Holz verbrennt, lässt sich nicht neu erfinden, würde man denken. Gleichwohl hält die Energieerzeugung aus Holz trotz ihrer jahrtausendealten und global praktizierten Anwendung immer wieder interessante Neuerungen parat. So stellten die Referenten des 15. Holzenergie-Symposiums von Mitte September in Zürich verschiedene Ansätze vor, um die Gewinnung von Wärme und Strom aus Holz noch effizienter und noch sauberer zu machen.
Dr. Benedikt Vogel, im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)
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25. Oktober 2018
Holzenergie ist eine beliebte Energieform zur Versorgung von Wärmenetzen. (Bild: depositphotos)
Holz ist nicht gleich Holz, auch was die Holzverfeuerung anbetrifft. Es gibt gibt mehr als eine halbe Million Holzfeuerungen in der Schweiz Die überwiegende Zahl sind Cheminées oder Kachelöfen. Sie liefern behagliche Raumwärme, werden aber von den meisten Menschen nicht als Geräte zur Energieerzeugung wahrgenommen. Wirklich auf die Energieproduktion zugeschnitten sind hingegen einige Zehntausend Stückholzkessel, Pellet- und Schnitzelfeuerungen, zudem einige Dutzend grosse Holzkraftwerke. In diesem Bereich der professionellen Energieerzeugung – von wenigen bis mehreren Tausend kW Leistung – findet ein kontinuierlicher Erneuerungsprozess hin zu noch effizienteren und noch schadstoffärmeren Anlagen statt.
Ein Strauss aus Innovationen
Das Holzenergie-Symposium von Mitte September hat diesen Innovationsprozess den rund 150 Teilnehmern und Teilnehmerinnen anschaulich vor Augen geführt. Während eines halben Tages stellten Forscher und Industrievertreter Konzepte vor, die sich teilweise auf dem Markt bereits bewährt haben. Michael Strassl (ETA Heiztechnik, Hofkirchen/A) berichtete über eine neue Baureihe von Hackgut-Kesseln im unteren Leistungsbereich (20 bis 80 kW), die dank integriertem elektrostatischem Partikelfilter ein tiefes Schadstoffniveau erreichen, und dies auch in der Zünd- und Glutabbrandphase. Das Gerät, von dem seit 2016 schon 1000 Stück ausgeliefert wurden, richtet sich vor allem an Waldbesitzer, die ihr eigenes Holz verfeuern wollen. Auf tiefe Emissionen bei aschereichen Brennstoffen zielt auch die neuartige Schneckenrostfeuerung, die Dr. Gabriel Barroso (Hochschule Luzern – Technik&Architektur) für ein schweizerisch-österreichisch-schwedisches Projektteam mit der Firma Schmid AG energy solutions als Industriepartner präsentierte. In einem Forschungsprojekt von Dr. Mohammad Aleysa (Fraunhofer-Institut für Bauphysik, Stuttgart) wird dasselbe Ziel durch keramische und metallische Einbauten in der Feuerungskammer erreicht.
Um eine bessere Energieausbeute geht es bei der Anlage mit dem Namen ‚Neviro‘, die Rupert Kaindl (Kaindl Feuerungstechnik GmbH, Lachen/SZ) gemeinsam mit der Firma OekoSolve AG (Mels-Plons/SG) entwickelt hat. Hier werden die heissen Abgase genutzt, um feuchte Holzbrennstoffe zu trocknen, bevor sie in die Feuerung gelangen. Holz mit relativ viel Feuchte ist auch der Brennstoff, mit dem das neue Holz-Heizkraftwerk in Puidoux/VD beschickt wird. Genau diese Eigenschaften hatten die Auftraggeber der Gemeinde Puidoux gewünscht, um das lokale Holz nutzen zu können. Mit der 4,5-MW-Anlage kann neben Wärme auch vergleichsweise viel Strom erzeugt werden, letzteres dank der Kombination eines Blockheizkraftwerks und einer ORC-Turbine, wie Dr. Giulio Caimi (Romande Energie Services SA, Morges/VD) berichtet hat. Weitere Innovationen am Holzenergie-Symposium waren sehr leistungsfähige Wärmespeicher, die spezielle Speichermedien nutzen, und ein Verfahren zur Bestimmung des Energiegehalts von Hackschnitzeln (vgl. BFE-Fachartikel ‚Soviel Energie steckt in Hackschnitzeln‘, abrufbar unter www.bfe.admin.ch/CT/biomasse).
Holzenergie und andere Biomasse für Prozesswärme nutzen
Doch wofür braucht die Schweiz eigentlich Holzenergie? Oder besser: Wozu soll die aus dem nachhaltigen Energieträger Holz gewonnene Energie am besten eingesetzt werden? Dieser strategischen Fragestellung widmete sich in seiner Keynote Prof. Hanspeter Eicher, Mitgründer und Verwaltungsratspräsident des Planungsunternehmens eicher+pauli AG. Den langfristigen Schweizer Wärmebedarf für Raumwärme (ca. 35 °C), Warmwasser (bis zu 60 °C) und Prozesswärme (bis zu 1000 °C) bezifferte Eicher auf 60 bis 70 TWh pro Jahr, wobei in diesem Wert das grosse Einsparpotenzial im Bereich der Raumwärme und die weiter zunehmenden Energiebezugsflächen bereits berücksichtigt sind.
Eicher plädierte dafür, Holzenergie und die restliche Biomasse oder daraus gewonnene Energieträger aus Effizienzgründen längerfristig nur dort zur Erzeugung von Raumwärme einzusetzen, wo vor Ort nicht andere Energiequellen zur Verfügung stehen, etwa die Wärme aus Grund-, See- und Flusswasser, Abwärme aus Kehrichtverbrennungsanlagen oder der Abwasserreinigung. Holz und Biomasse sind die einzigen erneuerbaren Energieträger, mit denen industrielle Prozesswärme ganzjährig bereitgestellt werden kann, meinte Eicher und zeigte realisierte Beispiele von Anlagen bei Coop, Migros und der Oberland Energie AG in Wimmis. „Rund die Hälfte des Holzes, das gegenwärtig zur Wärmeerzeugung in Fernwärmenetzen eingesetzt wird, sollte künftig für die Erzeugung von Prozesswärme bis 300 °C genutzt oder über Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen verstromt werden“, forderte Eicher. Würden die Holzenergie und die weitere nachhaltig nutzbare Biomasse konsequent zur Bereitstellung von Prozesswärme eingesetzt, könnte der aktuelle landesweite Bedarf an Prozesswärme (26 TWh/a) zu etwa 80% gedeckt werden. Diese strategische Überlegung Eichers stiess bei der Zürcher Tagung auf Widerspruch von Andreas Keel, Geschäftsführer von Holzenergie Schweiz. In der Schweiz gebe es 250 000 Waldbesitzer, gab Keel zu bedenken, und viele von ihnen wollten für sich Wärme aus dem eigenen Wald produzieren.
Schadstoffminderung bei Kleinanlagen
Unbestritten war am Holzenergie-Symposium der hohe Stellenwert von Holz, nach Wasser der zweitwichtigste erneuerbare Energieträger der Schweiz. Die Energiestrategie 2050 des Bundesrats sehe eine vollständige Nutzung des inländischen Potenzials vor, sagte Christoph Plattner, der bis vor kurzem im Bundesamt für Energie die Energiestrategie mit betreute. Holzenergie werde weiter an Bedeutung gewinnen und „hat gute Zukunftsaussichten“, wie Plattner sagte.
Der Energieexperte betonte, der Ausbau der Holzenergie müsse „ohne zusätzliche Immissionsbelastung“ erfolgen. Tatsächlich sieht sich die Holzenergiebranche mit gesetzlichen Vorgaben konfrontiert, den Ausstoss von festen und gasförmigen Schadstoffen weiter zu vermindern. Dr. Beat Müller vom Bundesamt für Umwelt stellte in Zürich die seit Juni 2018 geltende Luftreinhalte-Verordnung (LRV) vor, mit der insbesondere die Anforderungen an kleinere Feuerungen (unter 70 kW) verschärft werden (darunter tiefere Grenzwerte, Sichtkontrollen und periodische Messungen). „Die Kantone sind jetzt gefordert mit dem Vollzug“, sagte Müller. Gleichzeitig kündigte er weitergehende Regelungen zugunsten von Mensch und Umwelt an: „Wir sind noch nicht am Ziel bei den Holzfeuerungen. Die jüngste Revision bedeutet einen grossen Schritt vorwärts bei den kleinen Holzfeuerungen. Weitere Schritte werden definitiv folgen.“
Neuer Anlauf bei der Ascheentsorgung
Gefordert ist die Branche auch bei der Entsorgung von Asche. Holzfeuerungen in der Schweiz waren im Jahr 2016 für 75’000 Tonnen Holzasche verantwortlich. Wie diese sachgerecht entsorgt werden kann, beschreibt seit Anfang 2016 die ‚Verordnung über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen‘ (VVEA). Die Verordnung führte seinerzeit zu erheblichen Vollzugsproblemen. Schon kurz nach Inkrafttreten wurde eine Revision erforderlich. Der Bundesrat hat die revidierte VVEA nun im September 2018 gutgeheissen. Jetzt liege eine „praktikable Lösung“ auf dem Tisch, sagte Andreas Keel von Holzenergie Schweiz. Er informierte zugleich über das Projekt HARVE, mit dem bis 2020 nicht nur regionale Entsorgungslösungen, sondern auch neue Wege der Verwertung für Holzasche erarbeitet werden.
Die Tagungsdokumentation des vom Bundesamt für Energie unterstützten Holzenergie-Symposiums 2018 finden Sie unter: www.holzenergie-symposium.ch
Weitere Fachbeiträge über Forschungs-, Pilot-, Demonstrations- und Leuchtturmprojekte im Bereich Holzenergie/Bioenergie finden Sie unter www.bfe.admin.ch/CT/biomasse
Wärmenetze richtig auslegen:
Holzenergie ist eine beliebte Energieform zur Versorgung von Wärmenetzen. Thomas Nussbaumer (Organisator des Holzenergie-Symposiums, Inhaber des Ingenieurbüros Verenum und Professor an der Hochschule Luzern – Technik&Architektur) stellte in Zürich das EXCEL-basierte Tool THENA (für: Thermal Network Analysis) zur Planung und Evaluation von Fernwärmenetzen mit bis zu 400 Teilsträngen vor. Eine Grundregel laut Nussbaumer: Um Wärmenetze kostengünstig zu bauen, sollte bei jedem Teilstrang der kleinste zulässige Durchmesser gewählt werden. (BV)