Umweltschutzorganisation ECO SWISS ist 50 geworden
ECO SWISS – die Umweltschutzorganisation der Schweizer Wirtschaft - feiert offiziell am 24. Mai 2019 50 Jahre ihres Bestehens.
Redaktion
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23. Mai 2019
Daniel Christen ist Geschäftsführer bei ECO SWISS seit gut 10 Jahren.
Auch wenn möglicherweise einigen unbekannt, gehört ECO SWISS zu den ältesten Umweltschutzverbänden der Schweiz. Entstanden ist sie 1969 durch die Gründung des damaligen Vereins zur Förderung der Wasser- und Lufthygiene (VSWL). Messungen sowie Beratungen im Bereich der Emissionen und Immissionen standen damals im Vordergrund.
Kunden waren sowohl produzierende
Unternehmen und Energieversorger als auch die öffentliche Hand. Im Jahr 2000 kam der Fachbereich «Arbeitssicherheit & Gesundheitsschutz» sowie 2006 die Fachstelle «Grosstanklager» hinzu, welche den Vollzug der Kantone in der ganzen Schweiz wirkungsvoll unterstützt.
400 Mitgliedsunternehmen
1969 entschlossen sich Vertreter der Wirtschaft, den Umweltschutz in ihren Betrieben voranzutreiben und fortan bei der Umweltschutzgesetzgebung des Bundes aktiv mitzuwirken. Im Zentrum der Bestrebungen standen damals wie heute die Eigenverantwortung und ein landesweit einheitlicher Vollzug. ECO SWISS hat sich seither erfreulich weiterentwickelt und umfasst heute 12 Branchenverbände sowie über 400 Unternehmen.
Heute präsentiert sich ECO SWISS als moderne Organisation zur Förderung des betrieblichen Umweltschutzes und der Arbeitssicherheit. Sie vertritt einen pragmatischen, zielgerichteten Umweltschutz und unterstützt die Betriebe technisch fundiert und praxisbezogen. So erbringt ECO SWISS eine hervorragende und wirksame Leistung im Dienst der Umwelt.
Alexa und andere digitale Helfershelfer: Ein aktueller Bericht der UNESCO fordert die Verwendung eines "neutralen Maschinengeschlechts", weil der Stimmenabdruck von Rechnern stereytypische Bilder in den Köpfen der User freisetze.
Redaktion
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23. Mai 2019
Moderne Gadgets wie Alexa können auch unsere Vorurteile wecken. (Bild: unsplash_loewe-technologies)
Moderne Sprachassistenten wie Amazons Alexa, Apples Siri oder Microsofts Cortana reflektieren, verstärken und verbreiten stereotype Geschlechterbilder von Frauen. Diese werden durch entsprechende Technologien, die Usern mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) den Alltag erleichtern sollen, oft auch herabgewürdigt und zu braven, willfährigen Gehilfinnen degradiert. Zu dem Ergebnis kommt ein aktueller Bericht der UNESCO http://en.unesco.org , der die Hersteller unter anderem dazu auffordert, ihre Systeme nicht standardmäßig mit weiblichen Stimmen auszustatten, sondern stattdessen ein „neutrales Maschinengeschlecht“ zu verwenden.
Weibliches Erscheinungsbild
„Schon im nächsten Jahr wird es soweit sein. Dann werden vermutlich bereits mehr Menschen Gespräche mit ihren digitalen Sprachassistenten führen als mit ihren Ehepartnern“, heißt es von der UNESCO. Gegenwärtig sei die große Mehrheit dieser Assistenten von Werksseite her auf ein weibliches Erscheinungsbild getrimmt – sowohl in Bezug auf ihre Namen als auch ihre Stimmen und Persönlichkeiten. Mit dem Bericht, der in Kooperation mit dem deutschen Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung http://bmz.de und der EQUALS Skills Coalition http://equals.org erarbeitet wurde, wolle man einen „kritischen Blick“ auf diese Praktiken werfen.
„Die Welt muss viel stärker darauf achten, wie, wann und ob KI-Technologien stereotype Vorstellungen von Geschlechterrollen einsetzen und verbreiten“, betont Saniye Gülser Corat, Leiterin des Bereichs Gender Equality bei der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur. Oft sei es nämlich so, dass durch den Einsatz solcher Geräte ein völlig falsches Bild entsteht, das zeigt, wie Frauen sich ausdrücken oder auf Bitten reagieren sollen. „Eine synthetische weibliche Persönlichkeit muss Kommandos einer höheren, zumeist männlichen Autorität ausführen“, so Corat.
Zu wenig Frauen als Entwickler
Dass Alexa und Co großteils weiblich sind, sei allerdings auch ein Ausdruck für die zumeist sehr einseitige Zusammensetzung der KI-Entwickler-Teams, die für derartige Systeme verantwortlich sind. „Diese Teams müssen in Bezug auf ihre geschlechtliche Zusammensetzung stärker ausbalanciert sein“, fordert die UNESCO. Im Moment würden Frauen nur zwölf Prozent der KI-Entwickler stellen, bei den Software-Entwicklern seien es sogar nur sechs Prozent. „Dieses Problem lässt sich nur durch besser ausgewogene digitale Bildungs- und Trainingsprogramme lösen“, ist die Organisation überzeugt.
UNESCO-Bericht „I’d blush if I could: closing gender divides in digital skills through education“ online verfügbar unter: http://bit.ly/2WlFOhh
Xylella-Update: nach wie vor keine Heilung, Kontrollmassnahmen entscheidend
Die EFSA hat ihre Bewertung der von Xylella fastidiosa ausgehenden Risiken für (Nutz-)Pflanzen in der Europäischen Union aktualisiert. Die jüngste Bewertung liefert neue Erkenntnisse und Schlussfolgerungen zur Bekämpfung bestehender Ausbrüche des Schädlings sowie zur Verhinderung seiner weiteren Ausbreitung in der EU.
Redaktion
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23. Mai 2019
Dieser Olivenbaum in Süditalien könnte von Xylella oder einem Holzpilz befallen sein. Dabei könnten andere Bäume in Mitleidenschaft geraten. (Symbolbild: depositphotos)
Das Gremium für Pflanzengesundheit (PLH-Gremium) der EFSA simulierte anhand von Computermodellen, wie sich Xylella (X. fastidiosa) unter verschiedenen Bedingungen über kurze und weite Entfernungen ausbreitet. Die Modellierung zeigte, wie wichtig es ist, Maßnahmen wie von der Europäischen Kommission festgelegte Kontrollen umzusetzen, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern und sogar Ausbrüche zu tilgen. Sie veranschaulichte die relative Effektivität von Pufferzonen unterschiedlicher Größe zur Kontrolle eines infizierten Gebiets.
Die Simulationen zeigten auch, dass es wichtig ist, die Insekten zu bekämpfen, die den Erreger in Europa nachweislich übertragen – wie etwa die Wiesenschaumzikade Philaenus spumarius – sowie den Zeitverlust zwischen Ausbruchserkennung und Umsetzung von Kontrollmaßnahmen – z.B. die Entfernung infizierter Pflanzen und Einrichtung abgegrenzter Gebiete – zu minimieren.
Gibt es Heilung?
Die Bewertung bestätigt, dass nach wie vor kein Weg bekannt ist, das Bakterium unter Freilandbedingungen aus einer erkrankten Pflanze zu eliminieren. Die Wirksamkeit chemischer und biologischer Bekämpfungsmaßnahmen wurde in jüngsten Experimenten bewertet. Die Ergebnisse zeigen, dass solche Maßnahmen in einigen Situationen die Schwere der Erkrankung vorübergehend vermindern können; es gibt jedoch keine Hinweise darauf, dass sie X. fastidiosa unter Freilandbedingungen und über einen längeren Zeitraum hinweg eliminieren könnten.
Computersimulationen ergaben, dass auch wenn der größte Teil des EU-Gebiets Klimatypen aufweist, unter denen der Erreger andernorts in der Welt auftritt, die am stärksten gefährdeten Gebiete in Südeuropa liegen (siehe Karte). Die Modellierung zeigte jedoch einige Abweichungen von dieser allgemeinen Regel, je nach Unterart des Erregers. So ist etwa das Ansiedlungspotenzial von X. fastidiosa subsp. multiplex in Nordeuropa größer als das anderer Unterarten.
Die Informationen über das Ansiedlungsrisiko werden für die Aufstellung von Überwachungs- und Erkennungsprogrammen in verschiedenen Mitgliedstaaten von Nutzen sein. Die EFSA entwickelt derzeit mit Pflanzenschutzorganisationen in der gesamten EU Leitlinien für Erhebungen zu X. fastidiosa.
Ein versteckter Schädling
Die Bewertung enthält einen wichtigen Abschnitt über Schwankungen der asymptomatischen Periode – der Zeit zwischen Infektion und Ausprägung der Symptome – bei Pflanzen, die als Wirte für X. fastidiosa fungieren können.
Literaturrecherche und Datenanalyse ergaben für verschiedene Kombinationen von Wirt und Unterart signifikante Unterschiede in Bezug auf den asymptomatischen Zeitraum. Diese Informationen sind nützlich für die Ausarbeitung maßgeschneiderter Überwachungsprogramme und helfen Risikomanagern zu entscheiden, wann die Abgrenzung eines Ausbruchsgebiets sicher beendet werden kann.
Künftige Forschung
Stephen Parnell, Vorsitzender der Arbeitsgruppe des PLH-Gremiums für X. fastidiosa, erklärte: „Diese Arbeit war eine komplexe wissenschaftliche Herausforderung mit vielen Unsicherheiten, aber wir konnten einige wichtige Schlussfolgerungen ziehen, die Risikomanagern, Risikobewertern und Forschern helfen werden.“
„Computersimulationen bilden den Kern dieses wissenschaftlichen Gutachtens. Die von uns entwickelten Modelle sind robust und vor allem flexibel, sodass sie für die Untersuchung einer Vielzahl unterschiedlicher Szenarien und zur Unterstützung der Notfallplanung angepasst werden können.“
Dr. Parnell fügte hinzu: „Seit der Veröffentlichung unseres vorigen Gutachtens im Jahr 2015 ist eine Fülle neuer Informationen verfügbar geworden, die größtenteils aus EU-finanzierten Projekten wie POnTE oder XF-ACTORS stammen. Dank dieser und anderer Initiativen erlangen wir ein immer besseres Verständnis dieses gefährlichen Pflanzenschädlings, auch wenn noch viele Unsicherheiten bestehen, insbesondere in Bezug auf Unterarten und Sequenztypen.“
„Es ist unerlässlich, dass wir auch weiterhin in die Forschung investieren, damit wir künftig Ausbrüche nicht nur eindämmen, sondern auch vorhersehen können.“
Hintergrund:
Xylella fastidiosa ist eines der gefährlichsten Pflanzenbakterien der Welt. Es verursacht eine Vielzahl von Krankheiten mit enormen wirtschaftlichen Auswirkungen auf Landwirtschaft, Gärten und Umwelt.
Die vier am häufigsten gemeldeten Unterarten sind fastidiosa, pauca, multiplex und sandyi. Das Bakterium lebt im Xylem-Gewebe von Pflanzen und verbreitet sich üblicherweise über Vektorinsekten, die sich vom Xylem-Saft ernähren.
X. fastidiosa wurde in Europa erstmals 2013 entdeckt, als es im süditalienischen Apulien zu einem Ausbruch kam. Seither wurde das Bakterium auch aus Frankreich (Korsika und Provence-Alpes-Côte d’Azur), Spanien (Balearen, Valencia, Madrid), Mittelitalien (Toskana) und Portugal (Porto) gemeldet. In allen Ausbruchsgebieten wurden EU-Notfallmaßnahmen zur Eindämmung des Erregers ergriffen.
Rülpsende Kühe und künstliche Intelligenz: Klimastiftung spricht Fördergelder
Die Klimastiftung Schweiz hat entschieden, welche Klimaschutz-Projekte von Schweizer und Liechtensteiner KMU sie diesen Frühling fördert. Darunter ist etwa ein Nahrungszusatz, der Kühe weniger Methan ausstossen lässt, oder künstliche Intelligenz für die Kanalisation.
Redaktion
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16. Mai 2019
Die Stiftung hat seit ihrer Gründung 2008 Förderungen in der Höhe von 20 Millionen Franken für über 1’400 KMU in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein gesprochen. (Bild: Klimastiftung Schweiz)
Die Klimastiftung Schweiz schreibt im jüngsten Communique über prämierte Klimaschutz-Projekte: Kühe schaden dem Klima etwa gleich stark wie alle Autos, Lastwagen und Flugzeuge zusammen. Methan, das in ihren Mägen entsteht, ist um ein Vielfaches schädlicher als CO2. Nun will ein Westschweizer KMU dafür sorgen, dass Kühe weniger Methan ausstossen. Ein Futtermittelzusatz auf Basis von Knoblauch und Zitrusfrüchten namens MOOTRAL soll den Methan-Ausstoss um bis zu 38% senken.
«Wir unterstützen MOOTRAL mit einer Spende über 200’000 Franken», sagt Vincent Eckert, Geschäftsführer der Klimastiftung Schweiz. Das erlaubt es dem KMU, den Nahrungszusatz anfangs vergünstigt abzugeben. «Es ist wichtig, dass sich solche Massnahmen rasch durchsetzen, denn die Menschheit muss ihren Ausstoss von Klimagasen in den nächsten 12 Jahren im Vergleich zu 1990 halbieren», sagt Eckert.
16 Klimaschutz-Projekte erhalten Fördergelder
In ihrer Frühlings-Vergaberunde unterstützt die Klimastiftung Schweiz zahlreiche weitere KMU mit Fördergeldern. So will die Waadtländer Revopack mit einer neuen Recycling-Presse die Zahl der Lastwagenfahrten zur Entsorgung von Flaschen, Büchsen und Dosen halbieren. Die kompakte Presse wird direkt an den Rückgabestellen installiert und komprimiert Flaschen auf die Hälfte, Büchsen und Dosen sogar um über 80%.
Andere geförderte KMU entwickeln neuartige Windturbinen oder setzen künstliche Intelligenz ein, um die Kanalisation effizienter zu bewirtschaften. Auch «Alte Bekannte» erhalten neue Fördergelder: Das Bieler KMU Joulia hat mit finanzieller Unterstützung der Klimastiftung Schweiz bereits eine Duschwanne entwickelt, welche mit der Wärme des gebrauchten Wassers das Frischwasser vorheizt und so viel Heizenergie spart.
Mittlerweile ist auch eine Duschrinne erhältlich, welche unsichtbar im Duschboden eingebaut ist. Nun will das KMU in eine günstigere Fertigung investieren, welche die Wärmerückgewinnung noch attraktiver macht. Dabei erhält es erneut Unterstützung von der Stiftung.
«Die Bandbreite der eingereichten Projekte ist riesig», freut sich Geschäftsführer Eckert. «KMU packen den Kampf gegen den Klimawandel von allen möglichen Seiten an. Genau das braucht es, wenn wir die schlimmsten Folgen des Klimawandels verhindern wollen.»
Banken, Versicherungen und andere Dienstleister an Bord
Finanziert wird die Klimastiftung Schweiz von 27 grossen Dienstleistungsunternehmen aus der Schweiz und Liechtenstein. Sie spenden ihre Netto-Rückvergütung aus der CO2-Abgabe der gemeinsamen Stiftung, die damit Klimaschutzprojekte von einheimischen KMU fördert. Nach einem Rekordjahr 2018 will die Klimastiftung Schweiz dieses Jahr noch mehr Fördergelder vergeben. «Dank unseren Partnerfirmen sind wir gut finanziert», sagt Eckert. «Mit ihrem Engagement können wir weiter dafür sorgen, dass innovative Ideen für den Klimaschutz Realität werden.»
Über die Klimastiftung Schweiz
Klima schützen. KMU stärken. Nach diesem Motto unterstützt die Klimastiftung Schweiz Projekte kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU), die einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Die Stiftung hat seit ihrer Gründung 2008 Förderungen in der Höhe von 20 Millionen Franken für über 1’400 KMU in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein gesprochen.
Die Klimastiftung Schweiz wurde als gemeinnützige, unabhängige Stiftung gegründet. Sie ist unter Bundesaufsicht und steht interessierten Firmen offen, die durch einen effizienten und gezielten Einsatz der Rückverteilung aus der CO2-Lenkungsabgabe den Klimaschutz verstärken wollen.
Seit Januar 2008 verlangt das CO2-Gesetz eine Abgabe auf Brennstoffe. Ein Teil der Abgaben fliesst zurück an die Wirtschaft. Vor allem grosse Dienstleistungsunternehmen erhalten mehr zurück, als sie bezahlt haben. Diese «Netto-Rückvergütung» setzen die Partnerfirmen der Klimastiftung Schweiz für Klimaschutzmassnahmen von Schweizer und Liechtensteiner KMU ein.
Die Partner der Klimastiftung Schweiz
Die Schweizer und Liechtensteiner Dienstleister Allianz Suisse, Alternative Bank Schweiz, AXA, Bank J. Safra Sarasin, ECA, Gebäudeversicherung Bern, Gebäudeversicherung Kanton Zürich, Glarner Kantonalbank, Julius Bär, LGT, Liechtensteinische Landesbank, Man Investments, NewRe, PartnerRe, Pictet & Cie, PwC Schweiz, Raiffeisen Schweiz, RobecoSAM, Sanitas Krankenversicherung, SAP (Schweiz) AG, SCOR, Swiss Life, Swiss Re, Vaudoise Assurances, Vontobel, VP Bank und AXA XL sind Partner der Klimastiftung Schweiz.
"50 Prozent Rezyklatanteil in PET-Flaschen sollte Standard werden", meint Benedikt Kauertz, Themenleiter „Umweltbewertung von Verpackungen“ am unabhängigen ifeu-Institut, zu einer faktengestützten Diskussion über Getränkeverpackungen mittels Ökobilanzen.
Redaktion
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16. Mai 2019
Kunststoff ist der Buhmann unter den Verpackungsmaterialien. Auch PET-Flaschen stehen immer wieder in der Kritik. Doch wie sehen eigentlich unabhängige Experten diese Diskussion? (Quelle: Forum PET)
Kunststoff, auch PET-Flaschen stehen immer wieder in der Kritik. Doch wie sehen eigentlich unabhängige Experten diese Diskussion? Warum sich Argumente für die scheinbar schlechte Ökobilanz aus wissenschaftlicher Sicht nicht halten lassen, erklärt Benedikt Kauertz, Fachbereichsleiter Industrie und Produkte am unabhängigen Heidelberger ifeu-Institut, im Interview.
Kunststoff steht öffentlich unter Druck. Teilweise wird er als Grund zahlreicher Umweltbelastungen ausgemacht. Wie erleben Sie die Diskussion?
In der Öffentlichkeit nehmen wir stellenweise eine enorme Vereinfachung der Sachverhalte wahr. Zugegeben, Ökobilanzen zur neutralen Bewertung von Verpackungsarten sind sehr komplex. Materialbedarf, Energieaufwand in Produktion und beim Recycling, der Anteil von recyceltem PET-Material in neuen Flaschen und vieles mehr spielen eine Rolle. Welche Verpackungsart sich für ein bestimmtes Produkt eignet, hängt von mehreren Faktoren ab. Deshalb sollte man eine bestimmte Verpackungsart nicht pauschal verteufeln.
Wie schneiden PET-Getränkeverpackungen aktuell aus ökobilanzieller Sicht ab?
PET-Flaschen stehen ökobilanziell vergleichsweise gut dar. Das liegt insbesondere an dem leichten Gewicht und den damit verbundenen CO2-Einsparungen beim Transport gegenüber zum Beispiel schwererem Glas. In diesem Bereich hat sich sehr viel getan. Diese positiven Eigenschaften von PET-Flaschen gelten für Limonade sowie stilles und karbonisiertes Wasser. Das sind natürlich die relevantesten Getränkearten am deutschen Markt, für die Kunststoff als Verpackungsmaterial eine Rolle spielt. Außerdem wirkt das Einwegpfand hier positiv. Die Wertstoffkreisläufe sind nahezu geschlossen. Das begünstigt wiederum eine positive Ökobilanz. Entgegen der landläufigen Meinung beinhalten PET-Flaschen zudem keine Weichmacher.
Sie sprechen positiv über PET. Woher kommt aus Ihrer Sicht die negative Grundhaltung in der Öffentlichkeit?
Obwohl sich die Einführung des Einwegpfands 2003 positiv auf die Meinung der Bevölkerung niederschlug, hat die Kritik an PET-Flaschen, die sich bis heute hält, in dieser Zeit ihren Ursprung. Die ersten Ökobilanzen des Umweltbundesamtes 2000 und 2004 waren eigentlich bereits vergleichsweise gut. 2008 kam die nächste Ökobilanz zu dem Schluss, insbesondere PET-Einwegflaschen seien nachteilig.
Woran lag das?
Nach der Einführung des Einwegpfandes 2003 hatten zuerst viele Discounter Getränke aus PET-Einwegflaschen aus dem Sortiment genommen. In Folge dessen konsolidierte sich der Markt. Die Abfüllung von PET-Flaschen konzentrierte sich bei nur wenigen Herstellern. Als die Discounter PET-Einwegflaschen nach und nach wieder ins Sortiment nahmen, mussten die verbliebenen Mineralbrunnen über weite Strecken liefern. Zu diesem negativen Faktor kamen damals noch vergleichsweise schwere Flaschen sowie ein Einsatz von recyceltem PET-Material, der nahezu bei null lag, hinzu. Es gab zudem auch kaum Recyclingkapazitäten in Deutschland. All dies floss in die Ökobilanz 2008 ein. Seitdem heißt es in der Öffentlichkeit: Vorfahrt für Mehrweg – bis heute. Diese generalisierte Aussage hält heutigen Erkenntnissen aber nicht mehr stand.
Wie ging es ökobilanziell weiter?
Schon bei der Veröffentlichung der Ökobilanz 2008 war klar, dass sich die Ökobilanzen für PET-Verpackungen verbessern würden. 2010 erstellten wir im Auftrag der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen die bisher letzte ISO-konforme Ökobilanz hinsichtlich Getränkeverpackungen. Darin kamen wir zu folgenden Ergebnissen: PET-Mehrweg- sind vorteilhafter als Glas-Mehrwegflaschen. Und in bestimmten Segmenten sind PET-Einwegflaschen ökobilanziell sogar gleichwertig zu Glas-Mehrwegflaschen. Sicherlich spielt dabei eine Rolle, dass für drei Liter Mineralwasser vier 0,75-Liter-Glas-Mehrwegflaschen und nur zwei 1,5-Liter-PET-Einwegflaschen nötig sind. Die Ökobilanz berücksichtigt diesen Effekt, indem sie alle Ergebnisse auf eine vergleichbare Ebene, nämlich 1.000 Liter Getränk, skaliert. Alleine das schlug sich natürlich positiv für PET-Einwegflaschen nieder. Hinzu kamen Gewichtseinsparungen und bessere Recyclingkapazitäten.
Demnach müsste PET als Verpackungsmaterial doch viel positiver wahrgenommen werden.
Bis heute werden von den Kunststoff-Kritikern tatsächlich eher die Argumente aus der Ökobilanz von 2008 weiter verbreitet. Das steht neuen Erkenntnissen entgegen.
…und das, obwohl die Flaschen im aktuellen Jahrzehnt weiter optimiert worden sind.
Das ist richtig. Insbesondere die PET-Einwegverpackungen wurden immer weiter optimiert. Früher galten 40 Gramm als Gardemaß für die 1,5-Liter-PET-Einwegflasche. Heute gibt es 1,5-Liter-Flaschen für stilles Wasser, die nur noch wenig mehr als 20 Gramm wiegen – ein enormer Fortschritt.
Ist es vor diesem Hintergrund nicht wieder Zeit für eine neue Ökobilanz?
Sinnvoll wäre eine erneute Betrachtung sicherlich. Dies scheitert aber am Mangel an Vergleichszahlen der Glas-Abfüller. Und auch die PET-Industrie dürfte nach den Erfahrungen im Jahr 2010 im Zuge der zum Teil doch auch voreingenommenen öffentlichen Diskussion erst einmal wenig Interesse daran haben – so gut die neuen Zahlen auch wären.
Also gehen Sie davon aus, dass die Ökobilanz heute noch vorteilhafter für die PET-Verpackungen ausfallen würde?
Ja, hier hat sich einfach sehr viel getan. Während PET-Mehrwegverpackungen bisher eigentlich als vorteilhafteste Getränkeverpackung galten, haben hoch optimierte PET-Einwegverpackungen sie heute schon eingeholt. Diese Flaschen sind sehr leicht und haben einen Anteil an recyceltem PET-Material von mehr als 50 Prozent. Und ein zweiter Umstand auf der anderen Seite kommt hinzu.
Nämlicher welcher?
Das Glas-Mehrwegsystem steht mehr und mehr unter Druck. Markengetränke kommen zunehmend in individuell gestalteten Mehrwegflaschen auf den Markt. Diese können wiederum nicht von anderen Getränkeabfüllern genutzt werden, wie es das Mehrweg-System eigentlich vorsieht. Eine Deloitte-Studie bescheinigt den tatsächlich einheitlichen Mehrwegflaschen eine höhere Anzahl an Wiederbefüllungen als den individuellen Glas-Mehrwegflaschen. Deren Anstieg wirkt sich möglicherweise negativ auf die Mehrweg-Ökobilanz aus.
Höhere Mehrwegquoten werden gefordert. Ist diese Mehrweg-/Einweg-Diskussion vor dem gerade geschilderten Hintergrund noch zeitgemäß?
Aus unserer Sicht ein klares Nein. Wir halten eine festgeschriebene Mehrwegquote für nicht zielführend hinsichtlich der Umweltziele. Aktuell schreibt das Verpackungsgesetz eine solche Quote von 70 Prozent vor. Es findet aber keinerlei Differenzierung statt. Dieser Quote liegen pauschale Bewertungen zu Grunde, die den Ergebnissen der Ökobilanzen der vergangenen Jahre zum Teil wiedersprechen oder Teilergebnisse als allgemeingültig darstellen. Wir schlagen daher statt einer pauschalen Mehrwegquote festgeschriebene Zielwerte sowohl für Mehrweg als auch für Einweg vor.
Wie könnten diese aussehen?
Bei Mehrweg sollte beispielsweise langfristig eine Festlegung auf die einheitlichen Mehrwegflaschen gegenüber den individuellen erfolgen. Dabei sollte eine Mindestumlaufanzahl verankert werden. Bei den PET-Einwegflaschen könnte ein bestimmter Anteil an recyceltem PET-Material oder ein bestimmtes Verhältnis zwischen Füllvolumina und Verpackungsgewicht festgeschrieben werden. Ein Anteil von recyceltem PET-Material von 50 Prozent in neuen PET-Flaschen sollte keine Ausnahme bleiben, sondern Standard werden. Auch der verstärkte Einsatz von biobasierten Kunststoffen könnte die Ökobilanz von Einwegflaschen weiter verbessern. Diese müssen dann aber auf jeden Fall im Rahmen des aktuellen Kreislaufsystems recycelbar sein.
Getränkehersteller suchen bei Ihnen regelmäßig Rat bei der Auswahl für die Verpackungsart. Was geben Sie diesen mit auf den Weg?
So viel steht fest: Es gibt nicht die universelle Verpackungslösung. Sollte zum Beispiel ein Safthersteller regional an den Handel liefern, ist Glas-Mehrweg aus ökobilanzieller Sicht eine gute Wahl. Kunststoffverpackungen für Säfte bestehen aufgrund der notwendigen Barriereeigenschaften neben PET zum Teil aus Polyamid. Daher können sie nicht einfach in den PET-Wertstoffkreislauf aufgenommen werden, was sich wiederum negativ auf die Ökobilanz auswirkt. PET-Einweg bietet dagegen sicherlich Vorteile bei der Lieferung an den Discount über weite Transportstrecken und bei großen Abfüllmengen. Neben diesen ökobilanziellen Themen spielen bei der Wahl des Verpackungsmaterials aber noch ganz viele Parameter hinein – zum Beispiel die Höhe der Investition in neue Maschinentechnik oder die Eigenschaften des Verpackungsmaterials, die für Hersteller und Handel sehr wichtig sind. Hier haben PET-Einwegverpackungen durch die Unzerbrechlichkeit, die Leichtigkeit für den Endverbraucher und individuelle Gestaltungsmöglichkeiten Vorteile.
Wohin bewegt sich aus Ihrer Sicht der Getränkemarkt?
Solange sich der gesetzliche Rahmen nicht drastisch ändert, wird es sicherlich nicht die großen Umwälzungen geben. Wir erwarten einen weiteren Anstieg von PET-Verpackungen bei Milch- und Milchmixgetränken. PET-Einwegflaschen werden dabei sicherlich auch weiter optimiert. Durch spezielle, bereits heute verfügbare Glasinnenbeschichtungen sind PET-Flaschen für Saft eine Alternative, um auch Saftflaschen zu bepfanden und mit sortenreinem PET-Material zu recyceln. Aktuell dreht sich viel um weitere Materialeinsparungen. Dass der Handel das Thema für sich entdeckt hat, ist sicherlich positiv für die gesamte Verbesserung von PET-Ökobilanzen. Wenn größere Player am Markt vorangehen – auch bei den Getränkeherstellern – werden andere nachziehen.
(Quelle: Forum PET)
Benedikt Kauertz vom unabhängigen ifeu-Institut in Heidelberg beschäftigt sich mit der Ökobilanzierung von Verpackungen. (Quelle: ifeu)
Benedikt Kauertz
Benedikt Kauertz ist Experte auf dem Feld der Ökobilanzierung von Verpackungen. Seit seinem Eintritt in das ifeu-Institut in Heidelberg beschäftigt er sich mit ihren Umweltauswirkungen aus verschiedenen Blickwinkeln. Heute ist er Fachbereichsleiter Industrie und Produkte. Im Fokus liegen alle Verpackungsarten von Folien über Papier bis hin zu Glas. Das ifeu-Institut forscht und berät weltweit zu allen wichtigen Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen. Es zählt mit seiner fast 40-jährigen Erfahrung zu den bedeutenden ökologisch ausgerichteten Forschungsinstituten in Deutschland. Unter anderem kooperierte es im Bereich Verpackungs-Bilanzierung bereits oftmals mit dem Umweltbundesamt.
Seit Beginn wurde Kobalt in der Produktion von Lithiumbatterien genutzt und seit Beginn wird nach einem Substitut gesucht, wegen seines hohen Preises, seiner Toxizität und aus Sicherheitsgründen.
Redaktion
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15. Mai 2019
Im Zeitalter des rasanten technologischen Wandels und Industrie 4.0 spielt Kobalt eine wesentliche Rolle. (Bild: Amnesty International)
Kobalt ist, mit Lithium und anderen Metallen, ein Inhaltstoff der Kathoden in den Zellen der meistgebrauchten Batterien (z.B. NMC, NCA). Ohne diesem hätten die Batterien nicht die von uns gekannten Leistungen.
Kobalt mangelt aber und ist hauptsächlich in einem Land konzentriert (zu 60%), die Demokratische Republik Kongo, der Krisenstaat per excellence, wo politische Unsicherheit, Gewalt, Ausbeutung und Korruption walten. Darüber hinaus geschieht die Verarbeitung der Minerale hauptsächlich in China, der weit grösste Hersteller des Kobaltes für Batterien. All dies macht Kobalt sehr teurer und macht die Unberechenbarkeit seines Preises aus. Es wird prognostiziert, dass sich per 2025 die Kobalt-Nachfrage verdoppeln wird, die Belieferungskapazität muss also erhöht werden, um das Wachstum der Nachfrage zu decken. Die Handlungsalternativen: einen Ersatzstoff finden, weniger Kobalt verwenden, Wiederverwertungsmethoden erforschen.
Ein Teil des in Kongo extrahierten Kobalts kommt aus illegalem Kleinbergbau, der durch Verletzung der Menschenrechte, Kinderarbeit und Umweltverschmutzung gekennzeichnet ist. Im handwerklichen Bergbau werden Kinder, ca. 40’000, ausgebeutet und die Arbeitsverhältnisse sind katastrophal: der Rohstoff wird mit der Hand gefördert, ohne jegliche Schutzkleidung mit offensichtlichen Auswirkungen auf die Gesundheit (s. Bericht von Amnesty International und African Resources Watch). Es kann natürlich nicht gesagt werden, dass der Batteriemarkt nur auf Kinderarbeit beruhe. Wenn aber auch nur ein Bruchteil des Kobalts aus der handwerklichen Förderung in Kongo kommt (ca. 20%) und heutzutage 30% der Weltproduktion für Batterien bestimmt ist, besteht Gefahr, dass ca. 3% des Kobalts in einer Batterie schmutzig ist.
Da es unwahrscheinlich scheint, dass die lokale Regierung das Problem der Ausbeutung beseitigt, müssen die OEMs resp. Autobauer aktiv den schmutzigen Rohstoff aus der eigenen Lieferkette streichen.
Ergebnis der Umfrage (106 Teilnehmer)
Amnesty International hat die Einführung eines Zertifikates vorgeschlagen, welches die Art der Kobalt Gewinnung bezeugt. Denkt ihr, ein solcher Eingriff, könne der Problematik wirksam entgegenwirken?
– Ja, die Herkunft des Kobalts zu zertifizieren ist wirksam: wer kauft muss den Unterschied machen (65.1%)
– Ja, die Herkunft des Kobalts zu zertifizieren ist ein sinnvolles Vorgehen, es ist jedoch mit der Willensfreiheit des Käufers verbunden und ist somit nicht wirksam (32.1%)
– Nein, die Herkunft des Kobalts zu zertifizieren, beseitigt nicht das Problem (32.1%)
– Anderes. Ich äussere meine Meinung in einem Kommentar (32.1%)
Nachhaltigere Verhaltensänderung durch gezieltere Kampagnen
Wie könnte man Nachhaltigkeit in den Köpfen der Mitarbeitenden umsetzen? Die Hochschule Luzern hat sechs Leitfäden entwickelt, welches Menschen gezielter zu umweltfreundlichem Verhalten motivieren und auch dabei helfen soll, Streuverluste in Kampagnen zu reduzieren.
Redaktion
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6. Mai 2019
Werbekampagnen mit nachhaltigen Inhalten sind zu wenig auf ihre Zielgruppen abgestimmt. «Sie nehmen zu wenig Rücksicht darauf, dass Menschen auf unterschiedliche Signale ansprechen, je nachdem wieviel sie zu einem Thema wissen», so Verkehrswissenschaftler und Soziologe Timo Ohnmacht, Leiter des Projekts «Nachhaltige Lebensstile und Energieverbrauch» im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms «Steuerung des Energieverbrauchs» und Forscher am Kompetenzzentrum für Mobilität der Hochschule Luzern.
Das Forschungsteam des Instituts für Tourismuswirtschaft ITW der Hochschule Luzern hat für dieses Projekt eng mit der Stadt Luzern und der Stadt Biel zusammengearbeitet. 2000 Personen wurden in Luzern und Biel zu ihrem Verbrauchsverhalten befragt, zudem wurden Workshops an Umweltfachstellen durchgeführt mit Vertretern der für Velowege zuständigen Tiefbauämter, der Stadtkommunikation, der Immobilienabteilungen und der Verkehrsbetriebe.
Konkrete Handlungsempfehlungen
Die Ergebnisse wurden in konkrete Handlungsempfehlungen umgesetzt und in sechs Leitfäden zusammengefasst. Gerichtet sind sie an Kommunen, Behörden, Kommunikations- oder Beratungsagenturen, Interessensverbände und NGOs und sollen Bürger dazu ermuntern, mehr Velo zu fahren, ihren Fleischkonsum zu reduzieren, mehr gebrauchte anstatt neue Güter zu kaufen, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, das Mobiltelefon erst zu wechseln, wenn es kaputt ist und generell energiesparender zu leben.
Vom Vorsatz zur Gewohnheit – Vier Phasen
Ohnmacht erklärt, dass eine nachhaltige Verhaltensänderung ein langwieriger Prozess ist. Um menschliches Verhalten besser zu verstehen, haben die Forscher Erkenntnisse aus der Sozialpsychologie genutzt, welche auf der oben gezeigten Grafik in einem Vier-Phasenmodell visualisiert sind. Dies ist auch eine Chance, Kampagnen wirkungsvoller zu gestalten und somit einen grösseren Einfluss auf das menschliche Verhalten auszuüben.
Menschen durchlaufen vier Phasen, bis ihnen ein neues Verhalten zur Gewohnheit wird: Vorüberlegung, Absicht, Handlung und Gewohnheit. «Jeder macht jede Phase durch, aber nicht alle gleich lang. Manche überlegen länger, andere kürzer», sagt Ohnmacht. «Manche haben Rückfälle in eine frühere Phase, andere nicht».
Daher sollen neben grundsätzlichen Argumenten für ein bestimmtes Verhalten auch Motive aufgezeigt werden, die eine Handlung bestätigen oder eine Gewohnheit festigen. Menschen sollten phasenspezifisch angesprochen werden, dies vermindert Streuverluste und spart Zeit, Geld und Nerven. «Menschen in Phasen Zwei und Drei werden oft überbedient, die in den Phasen Eins und Vier hingegen zu wenig berücksichtigt», argumentiert Ohnmacht. «Besonders die, die das gewünschte Verhalten schon zeigen, werden oft vergessen. Auch sie brauchen Ermunterung, dass sie nicht in frühere Phasen zurückfallen.» Es gibt Einflussfaktoren wie Emotionen, soziale Normen oder Problemlösungsfähigkeit, die je nach Phase der Verhaltensänderung unterschiedlich stark wirken. Die sechs Leitfäden nennen für jede Phase und jeden passenden Einflussfaktor Massnahmen, die ergriffen werden können und illustrieren das mit Beispielen, die bereits durchgeführt wurden.
Positives Feedback von der Stadt Luzern
Peter Schmidli vom Umweltschutz der Stadt Luzern sagt, dass das Phasenmodell ihnen sehr bei der Arbeit geholfen habe: «Da die Stadt eine Motion angenommen hat, die den Energieverbrauch bis 2050 stark reduzieren soll, hatten wir bereits Massnahmen geplant und umgesetzt. Aber jetzt wissen wir, dass es Erfolg hat, diejenigen anzusprechen, die sich ohnehin überlegen, energiesparsamer zu leben und zum Beispiel mehr Velo fahren wollen. Aber die, die es nicht wichtig finden, können wir fast nicht erreichen». Dass das Team der Hochschule Luzern auch konkret den Nutzen vergangener Kampagnen beurteilt und Kampagnen anderer Städte aufgezeigt hat, war auch sehr hilfreich.
«Wichtig ist, dass die Menschen nicht bevormundet, sondern aufgeklärt werden. Sie selbst müssen ihr Verhalten ändern, dazu kann sie keiner zwingen», schliesst Timo Ohnmacht.
Die Hochschule Luzern hat sechs Leitfäden entwickelt, welches Menschen gezielter zu umweltfreundlichem Verhalten motivieren und auch dabei helfen soll, Streuverluste in Kampagnen zu reduzieren. (Grafik: HSLU)
Das Vier-Phasen-Modell:
Phase 1: Vorüberlegung. Personen werden mit emotionalen Bildern angesprochen, um den Wunsch zu entwickeln, ein Verhalten zu ändern.
Phase 2: Absicht. Einsatz von Opinionleadern wirken motivierend (nicht belehrend), um Überlegungen über Verhaltensänderung in die Tat umzusetzen.
Phase 3: Handlung. Infrastrukturmassnahmen wie Velowege oder Zählstellen sind zentral, dass Handlungen überhaupt geändert werden können.
Phase 4: Gewohnheit. Positive Rückmeldungen helfen, nicht in alte Muster zurückzufallen.
sanu: 30 Jahre Bildung und Beratung für eine nachhaltige Entwicklung
Die Sanu AG, die heute sanu future learning ag heisst, hat ihr Bildungsangebot in den letzten 30 Jahren stark weiterentwickelt. Um der Komplexität des Umweltbereichs gerecht zu werden und jeder Organisation massgeschneiderte Lösungen anbieten zu können, orientiert sich sanu an zeitgemässen Umweltentwicklungen.
mm
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6. Mai 2019
Die aktuellen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen erfordern zunehmend starke Umweltkompetenzen. Die sanu future learning ag bietete hierfür diverse Weiterbildungsmöglichkeiten. (Bild: sanu)
Durch innovative Ansätze will sanu ihre Aktivitäten expandieren und vor allem ihre Wirkung für die Praxis umsetzen. Die Sanu AG, die heute sanu future learning ag heisst, hat ihr Bildungsangebot in den letzten 30 Jahren stark weiterentwickelt. Um der Komplexität des Umweltbereichs gerecht zu werden und jeder Organisation massgeschneiderte Lösungen anbieten zu können, orientiert sich sanu an zeitgemässen Umweltentwicklungen.
Neue Formen der Arbeit, der Kommunikation, des Managements, der Führung und der Zusammenarbeit: Von der Erfahrung bei der Unterstützung strategischer und partizipativer Prozesse für eine nachhaltige Entwicklung profitieren immer mehr sanu KundInnen.
Genauso wie die Welt verändert sich auch sanu ag konstant
Knapp ein Jahr nach der Stabsübergabe an den neuen CEO der sanu future learning ag, an Marc Münster, verändert sich nicht nur die Unternehmenskommunikation, es gibt auch weitere personelle Zugänge: Ursula Spycher, tragende Figur in den letzten zwei Dritteln der 30-jährigen Geschichte von sanu, verlässt das Unternehmen per Ende März 2019. Bernhard Wyss übernimmt dafür die Leitung „management- & eventsupport“ als leidenschaftlicher Marketer mit reich gefülltem Digital- und IT-Rucksack. Im Frühling 2019 neu zu sanu stöss ebenso Laure Mäder. Sie übernimmt die Stelle von Coraline Sahin als Projektleiterin des Bereiches „planung & bau“.
Ihre Feuertaufe steht mit dem Lehrgang „Bodenkundliche Baubegleitung“ diesen Herbst bevor.
Umweltkompetenzen, die erst geschaffen werden mussten
Während in den 80er-Jahren primär um den Schutz der Natur und die Umsetzung neuer echtsvorschriften ging, widmete sich später sanu auch der Entwicklung von Kompetenzen, die notwendig sind, um die Berufspraktiken öffentlicher und privater Organisationen und Branchen zu ändern. Der Unterhalt von Grünflächen in Gemeinden, das Umweltmanagement in Unternehmen, die Förderung der Biodiversität bei Spezialisten oder die Umweltbaubegleitung sind mitunter ins Interessenszentrum von sanu gerückt. Stets hat sich sanu der beruflichen Weiterbildung von Generalisten in allen Berufen, die die Umwelt in ihr Kompetenzprofil integrieren wollen, verpflichtet.
Heute bietet sie zwei Vorbereitungslehrgänge auf die eidgenössischen Fachausweise der / s Umweltberaters / In und der / s Natur- und Umweltfachfrau / -fachmann auf Französisch und Deutsch an.
Restrukturierungen, wohin man sieht
Allein 1989 fiel die Berliner Mauer, Voyager 2 flog über Neptun und der Tanker Exxon Valdez ging vor Kanada auf Meeresgrund. Der Schweizer Bundesrat beschloss das Verbot von Aerosoldosen mit Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW), die im Verdacht standen, zur Bildung des Ozonlochs beizutragen.
1989 wurde in Biel sanu ag (damals «Schweizerisches Ausbildungszentrum für Natur- und Umweltschutz») gegründet. 2012 nahm der gesamte operative Teil von sanu die Rechtsform einer Aktiengesellschaft an, um ihr die notwendige Flexibilität und Reaktionsfähigkeit in einem sich schnell verändernden Markt zu verleihen. Was die anfängliche sanu-Stiftung betrifft, so entwickelte sie sich zu einem Think and Do-Tank unter dem Namen sanu durabilitas. Heute beschäftigt sanu ag 25 feste MitarbeiterInnen und mehr als 300 externe ExpertInnen. sanu ag bietet mehr als 100 Angebote für rund 3’000 Kunden und Kundinnen pro Jahr bei einem Umsatz von etwas über 3 Millionen Franken an.
Zeit zum Feiern und Teilen:
Wir möchten die Gelegenheit unserer Jubiläumsfeier nutzen, um am 17. Mai 2019 mit unseren Freunden, Partnern und anderen Interessierten über Zeit zu diskutieren, mit ihr zu spielen und durch spannende Beiträge über Zeit in verschiedenen Kulturen, Dimensionen und Beziehungen nachzudenken. Wie viel Zeit haben wir, und wie viel Zeit geben wir uns selbst wofür? Wir möchten auch denen, die an diesem Tag nicht kommen werden, etwas Zeit in Form von interaktiven Minikonferenzen zum Thema Umwelt und Zukunftsfragen bieten. Jedes Unternehmen oder jede Organisation, die von unserer Erfahrung und Vision zu aktuellen Themen profitieren möchte, kann sich an uns wenden.
Wir würden uns freuen, wenn unsere Mitarbeitenden Ihre Organisation besuchen dürfen und Ihnen eine Stunde ihrer Zeit in diesem Jubiläumsjahr schenken kann. Mehr Details zu unseren Jubiläumsaktivitäten finden Sie hier
Treibhausgas-Inventar: Die Schweiz nimmt sich Zeit
Es eilt... zeigt das Treibhaus-Inventar des Bundesamtes für Umwelt: Wenn die Schweiz seine Treibhausgas-Emissionen wie geplant reduzieren möchte, nämlich um 4% jährlich, sollte sie in den vierten Gang schalten. Laut dem BAFU steht sie momentan bei einer zweiprozentigen Abnahme. Der Bundesrat möchte das Tempo reduzieren.
Redaktion
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3. Mai 2019
Ein Fünftel der gesamten Emissionen in der Schweiz wird vom Verkehr verursacht. Autos emittieren genauso viel, in der Schweiz startende Flugzeuge sogar leicht mehr als in den Vorjahren. (Symbolbild: WWF)
Das neue Treibhausgas-Inventar zeigt: Die Schweiz reduziert den Treibhausgas-Ausstoss nur halb so schnell wie notwendig. Bundesrat und Umweltkommission wollen dieses Tempo noch halbieren. Mitte April hat der Bund das neue umfassende Treibhausgas-Inventar für die Schweiz veröffentlicht:
2017 ist der Ausstoss um nur rund 2 Prozent gesunken, u.a. dank mildem Winter und entsprechend tieferem Heizöl-Verbrauch. Die Treibhausgas-Emissionen müssen pro Jahr jedoch um rund 4 Prozent sinken, damit die Schweiz für die Ziele des Pariser Klimaabkommens auf Kurs bleibt.
Verkehr grösstes Sorgenkind
Statt das viel zu tiefe Tempo im Klimaschutz zu verdoppeln, wollen der Bundesrat und die Umweltkommission des Ständerats das aktuelle Tempo halbieren: Ab 2020 sollen die Emissionen in der Schweiz nur noch um 1 Prozent pro Jahr sinken.
«Wir brauchen doppeltes Tempo im Klimaschutz, nicht halbe Sachen», sagt Patrick Hofstetter, Klimapolitikexperte beim WWF Schweiz. «Der Ständerat muss endlich die Handbremse lösen und das CO2-Gesetz zu einem Klimaschutz-Gesetz machen, das den Namen verdient.»
Das neue Treibhausgas-Inventar zeigt auch: Das wohl grösste Sorgenkind der Schweizer Klimapolitik bleibt der Verkehr. Autos und in der Schweiz startende Flugzeuge verursachen alleine je rund einen Fünftel der Treibhausgase. Die Emissionen der Autos sinken trotz technischer Fortschritte kaum, im Flugverkehr nehmen sie sogar laufend zu.
«Das sind ausgerechnet die beiden Sektoren, die nichts oder fast nichts an die von ihnen angerichteten Klimaschäden bezahlen», sagt Patrick Hofstetter. «Wenn beim Verkehr die Verursacher für Klimafolgeschäden bezahlen müssen statt wie heute die Allgemeinheit, wird der Treibhausgas-Ausstoss rasch sinken.» Der WWF fordert Kostenwahrheit für alle Treibhausgas-Verursacher.
Einzelne Emmisions Outputs des Treibhausgas-Inventars finden Sie in diesem Link
CLEAN-UP TOUR 2019: Die erste, nationale Abfall-Aufräumtournee in den Bergen
Die erste CLEAN-UP TOUR ist angesagt! Wie jeden Winter sausten auch diese Saison mehrere Millionen Skifahrer die Schweizer Pisten hinunter. Sie hinterliessen viel Abfall. Die Summit Foundation lanciert, in Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern, eine nationale Müllsammlung in rund 20 Skigebieten.
Redaktion
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1. Mai 2019
Die Clean-Up Tour ist eine nationale Aufräumaktionstournee die zum Ziel hat, die Schönheit und Eigenart der alpinen Berglandschaft zu erhalten. (Bild: Summit Foundation)
Ziel der CLEAN-UP TOUR 2019 ist es, nicht nur die Pisten für die Wanderer zu säubern, sondern auch die Bevölkerung für Littering in den Bergen zu sensibilisieren. In den Bergen wie auch anderswo, haben Abfälle verschiedene Auswirkungen auf die Natur; von Wasser- und Bodenverschmutzung bis zur Beeinträchtigung der Tierwelt. Zigarettenstummel, Flaschen, Plastikverpackungen, Dosen oder sogar Smartphones, der schmelzende Schnee offenbart viele Überraschungen.
Seit neunzehn Jahren organisiert und unterstützt Summit Foundation zahlreiche Aufräumaktionen in den Bergen. Um die Bedeutung der Problematik zu unterstreichen und alle Aktionen im ganzen Land zu vereinen, lanciert die NGO aus Vevey die CLE
AN-UP TOUR 2019 mit einer eigens dafür bestimmten Website. Summit Foundation setzt sich dafür ein, die Bekanntheit dieser Aktionen zu fördern, um das Bewusstsein für das Thema Littering in den Bergen zu schärfen. Die neue Plattform www.cleanuptour.ch ermöglicht allen, herauszufinden wo und wann die Müllsammlungen stattfinden werden, und sich dementsprechend einzuschreiben.
Alle Regionen berücksichtigt
Um alle Regionen der Schweiz optimal zu repräsentieren, wird die Clean-Up Tour mit Partnern aus der Westschweiz, der Deutschschweiz und dem Tessin organisiert. Aktionen sind unter anderem in den Waadtländer Alpen (Villars), im Graubünden (La Punt – S-chanf), der Zentralschweiz (Engelberg-Brunni), dem Jura (Buttes-La Robella) und im Tessin (Airolo) geplant.
Das «Highlight» der Tour findet am Samstag, 8. Juni im Wallis statt, dies in Zusammenarbeit mit «Ski Valais», wo während dem ganzen Tag in rund zehn verschiedenen Walliser Skigebieten geputzt wird. Die Termine und Orte aller Aktionen sind auf der Plattform www.cleanuptour.ch ersichtlich.
Schweizer Energiewende mittels Solarstrom
Das ausschöpfbare Solarstrom-Potenzial auf Schweizer Gebäuden liegt gemäss einer Mitte April veröffentlichten BFE-Studie bei jährlich 67 Milliarden Kilowattstunden. Dies entspricht 110 Prozent des Stromverbrauchs der Schweiz.
Redaktion
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25. April 2019
Das Potenzial der Photovoltaik ist in der Schweiz noch nicht voll ausgenützt. (Bild: Roy Buri / Pixabay.com)
Die Schweiz hat viel mehr Potential für Solarstrom, als bisher angenommen. Dafür haben die Bundesämter für Landestopographie (Swisstopo), Meteorologie und Klima (MeteoSchweiz) und Energie (BFE) mit der Anwendung sonnendach.ch ein Solarpotenzialkataster für die ganze Schweiz bereitgestellt. Auf Basis dieses Katasters hat das BFE eine genaue Abschätzung der Potenziale auf Dächern und Fassaden gemacht. Die Schweiz dürfte eines der ersten Länder sein, in dem eine Potenzialanalyse auf Grund eines Solarkatasters möglich ist.
Bereits im letzten September wurde das Potenzial auf Dächern mit einer Jahresproduktion rund 50 Milliarden Kilowattstunden (50 Terawattstunden, TWh) ermittelt.
Fassaden mit viel Potenzial
Am 15. April hat das BFE das Potenzial auf Fassaden vorgestellt. Es liegt bei jährlich 17 TWh. In beiden Fällen handelt es sich um das «ausschöpfbare» Potenzial, das deutlich tiefer liegt als das technische Potenzial. Berücksichtigt sind darin nur grössere zusammenhängende Flächen mit einer sinnvoll nutzbaren Einstrahlung. Das neu ermittelte Fassadenpotenzial ist von besonderem Interesse, da auf diesen Flächen aufgrund der senkrechten Ausrichtung vergleichsweise hohe Wintererträge zu erwarten sind. Deren Nutzung stösst auch bei Architekten auf immer grösseres Interesse, da die Vielfalt der verfügbaren Photovoltaikmodule bezüglich Farben, Texturen und Grössen rasch zunimmt.
Ergänzend hat Swissolar berechnet, welches Potenzial zusätzlich auf Parkplatzüberdachungen, Strassenflächen und im Alpenraum vorhanden ist. Bei letzterem wurden nur Flächen in Betracht gezogen, die in keiner Weise geschützt sind und bereits Infrastrukturanlagen aufweisen. Dazu gehören beispielsweise Skigebiete. Ergebnis: Auch bei einer sehr vorsichtigen Berechnung kommen weitere 15 Terawattstunden Jahresproduktion hinzu.
Der Zubau von Photovoltaik muss verfünffacht werden
Insgesamt können also in der Schweiz mindestens 82 Terawattstunden Solarstrom pro Jahr produziert werden. In Kombination mit der bestehenden Wasserkraft (jährlich 35 Terawattstunden) und weiteren erneuerbaren Energien (insbesondere Wind) lässt sich somit eine hundertprozentige Energieversorgung der Schweiz bis 2050 sicherstellen, inklusive Ersatz des Atomstroms und der fossilen Energien (Mobilität, Heizungen).
Um diesen Umstieg in Übereinstimmung mit dem Pariser Klimaabkommen bis 2050 zu bewerkstelligen, braucht es eine Verfünffachung des jährlichen Zubaus von Photovoltaik von heute 300 Megawatt auf 1500 Megawatt. Die Berechnungen stimmen gut überein mit einer am 11.4.19 veröffentlichten Studie von Energy Watch Group und der finnischen LUT Universität. Demnach kann bis 2050 eine weltweite Vollversorgung mit erneuerbaren Energien erreicht werden, und dies ist kostengünstiger als das heutige Energiesystem. Im Szenario stammt 70% der Energie von der Sonne.
Eawag: Bedrohte Fischvielfalt in Bächen wird erfasst
Mit der systematischen Befischung der Schweizer Fliessgewässer haben Eawag-Forschende im «Progetto Fiumi» über 40 Fisch-Arten dokumentiert. Eine zuvor nur ansatzweise erfasste Vielfalt hat das Eawag-Team zudem innerhalb der Arten gefunden. Damit liefert das Projekt Grundlagen für den Schutz dieser genetischen und ökologischen Vielfalt.
Sibylle Hunziker
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25. April 2019
Johannes Hellmann, Leiter der Feldarbeit (links), und sein Mitarbeiter fischen in einem Hochgebirgsbach, dem Rein da Cristallina, im Tessin. (Foto: Eawag)
Die Gewässer der Schweiz beherbergen eine einzigartige Artenvielfalt. Um diese erstmals genauer zu erfassen, haben Forschende der Abteilung Fischökologie und Evolution im Projekt «Progetto Fiumi» zwischen 2013 und 2018 hunderte von Flüssen und Bächen jeweils im September und Oktober systematisch befischt. «Mehr als die Hälfte der Fänge waren Forellen», sagt Jakob Brodersen, der das vom BAFU finanzierte Projekt koordiniert. «Und wir haben sie fast in allen Lebensräumen gefunden – von kleinen Bergbächen auf über 2000 Metern über Meer bis ins Tiefland.» Insgesamt entnahmen die Forschenden Fische an 308 Stellen, die sich über die ganze Schweiz und sämtliche Fluss- und Bachtypen verteilten.
Dass Forelle nicht gleich Forelle ist, war schon lange bekannt. So wurden bisher fünf Arten unterschieden, die sich in den grossen Flusssystemen vollkommen getrennt voneinander entwickelt haben. Die Bachforelle (Salmo trutta) in den Zuflüssen des Rheins, die Doubs-Forelle (Salmo rhodanensis), die Marmor- und die Italienische Bachforelle (Salmo marmoratus und Salmo cenerinus) in den Zuflüssen der Adria und die Schwarzmeerforelle (Salmo labrax) im Inn. Auch haben Schweizer Fischbiologinnen und Fischbiologen bereits im frühen 20. Jahrhundert auf unterschiedliche Forellenformen um die Engadiner Seen hingewiesen.
Neue Erkenntnisse zur Forellenvielfalt
Die vielfältigen Variationen zwischen und auch innerhalb der Arten hat das Team um Brodersen systematisch dokumentiert – und dabei Formen gefunden, die sich in Aussehen, Verhalten und zum Teil im Erbgut unterscheiden. Untersuchungen im Einzugsgebiet des Vierwaldstättersees zeigten zum Beispiel, dass sich Forellen in Bächen mit gleichmässiger Wasserführung bei der Beutewahl individuell stärker spezialisieren als Forellen in Wildbächen mit stark schwankender Wasserführung. In Graubünden verglichen die Forschenden Bachforellen, die in tiefen Lagen unter günstigeren Umweltbedingungen leben, mit ihren Verwandten im kargen Oberlauf von Wildbächen. Aber anders als erwartet waren die «Hochgebirgsforellen» nicht kleiner, als sie das erste Mal laichten, sondern ganz im Gegenteil signifikant grösser als die Forellen im Tiefland – eine wichtige Information, wenn es um das Festlegen von Mindestfangmassen geht. Und in der Waadt machten Behörden und Fischereiaufseher das Team auf einen Bach aufmerksam, in dem Forellen mit Punkten neben anderen ohne Punkte leben. Genetische Untersuchungen ergaben, dass die gepunkteten Tiere nah mit anderen Bachforellen in der Umgebung verwandt sind, nicht aber mit ihren punktlosen Nachbarn, mit denen sie sich gewöhnlich auch nicht fortpflanzen.
Datenbank der Fischdiversität
Unterschiedliche ökologische Anpassungen und lokale Formen fand das Eawag-Team auch bei allen anderen Fischarten – von den weit verbreiteten Groppen bis zu Barben, Elritzen und anderen Karpfenartigen, die in den grossen, langsam fliessenden Gewässern dominieren. Erste genetische Analysen bestätigten manche bisherigen Annahmen nicht und deuten darauf hin, dass auch bei diesen Arten Überraschungen zu erwarten sind.
Für die weitere Erforschung der bisher weitgehend unbekannten innerartlichen Diversität wurde eine Sammlung angelegt. Sie umfasst heute gut 10’000 Fische, 20’000 Gewebeproben sowie Umweltproben, die über das Nahrungsnetz der Probestellen Auskunft geben. «Die Sammlung an der Eawag in Kastanienbaum steht als grossflächige Datenbasis für lokale Untersuchungen zur Verfügung», sagt Jakob Brodersen. «Umgekehrt wird sie durch Meldungen aus der Bevölkerung und durch lokale Untersuchungen laufend erweitert und verfeinert.»
Gefangene Forellen aus dem Fluss Ticino: Insgesamt umfasst das Sammlung von «Progetto Fiumi» 10’000 Individuen. (Foto: Eawag)
Für einen Schutz, der wirkt
Bereits heute wird die Sammlung für verschiedene angewandte Forschungsprojekte genutzt. Denn die Fischdiversität ist durch Bachverbauungen, Wanderhindernisse, Schwall-Sunk-Probleme unterhalb von Kraftwerken und andere menschliche Einflüsse bedroht. Mit dem neuen Gewässerschutzgesetz will die Schweiz stark beeinträchtigte Lebensräume sanieren. Das Progetto Fiumi liefert unter anderem Grundlagen für Monitoringprogramme und angewandte Forschung. Es hilft damit, die Investitionen für Sanierungsmassnahmen so einzusetzen, dass sie den Fischen wirklich etwas nützen und die genetische Vielfalt nicht verloren geht, bevor sie überhaupt richtig erfasst worden ist.
Inventur auch in den Seen
Ähnlich zum «Progetto fiumi» untersuchte die Eawag von 2010 bis 2015 im «Projet Lac» die Fischvielfalt in den alpennahen Seen. Zusammen mit den Kantonen, dem Bundesamt für Umwelt, der Universität Bern und dem Naturhistorischen Museum der Berner Burgergemeinde sowie weiteren Partnern wurden über 70 Fischarten nachgewiesen. Viele Arten aus grösseren Wassertiefen, vor allem Felchen und Saiblinge, kommen nur in einzelnen Seen vor, wo sie im Laufe der Evolution – zumeist erst seit der letzten Eiszeit – durch Anpassung an die extremen Lebensräume entstanden sind. Viele der ehemaligen Tiefwasserfischarten sind aber mit der Überdüngung der Seen wieder verloren gegangen. www.eawag.ch/projetlac