Wie der Baumwollanbau Biodiversität fördern kann

Der weltweite Artenschwund kann vor allem im Hinblick auf Bestäuberinsekten dramatische Folgen haben. Laut einer Studie des NABU hatten manche Orte Deutschlands im Jahr 2014 um bis zu 80 Prozent weniger Biomasse Fluginsekten als noch 1989. Biologische und ganzheitliche Ansätze aus dem Baumwollanbau zeigen praxisnahe Lösungen dazu auf, wie auch in Zukunft die Bestäubung der Felder gesichert werden kann.

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Während zahlreiche Industrienationen von einem massiven Insektensterben bedroht sind, vollzieht sich auf vielen US-Baumwollfarmen die stille Revolution der Biodiversität. Umweltverträglichere Whole-Farm-Praktiken fördern das Miteinander von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen über und unter der Erde. Diese biodiverse Entwicklung kommt Umwelt und Landwirtschaft gleichermassen zugute.

Ein gesamtbetrieblicher Ansatz der Baumwoll-Landwirtschaft betrachtet Biodiversität und Baumwollanbau integriert und nicht als sich gegenseitig ausschliessende oder gar konkurrierende Bereiche. Im Fokus des vernetzten Vorgehens steht auch ein bislang unbekannter und daher spekulativer Mehrwert. Sledge Taylor, ein Baumwollanbauer in Mississippi, drückt es so aus: „Die biologischen Abläufe hinter der Landwirtschaft und Biodiversität sind hochkomplex. Viele Dinge verstehen wir noch gar nicht, wissen aber, dass mehr biologische Vielfalt beim Baumwollanbau nachhaltiger und für uns daher wertschöpfender ist.“ In diesem Zusammenhang wurde das U.S. Cotton Trust Protocol (vgl. hier) ins Leben gerufen, das Anbaubetriebe unter anderem im Hinblick auf eine ökologische und ressourcenschonende Ackerwirtschaft prüft. Auf diese Weise können Akteure der gesamten textilen Wertschöpfungskette auf verifizierbare Daten bezüglich der Nachhaltigkeit ihrer Produkte zurückgreifen.

Intakt lassen der natürlichen Bodenbeschaffenheit

Neben der Stilllegung von Flächen zur Förderung natürlicher Lebensräume setzen die US-Baumwollfarmer zunehmend auf Minimal- und Direktsaat sowie den Einsatz von Deckfrüchten. Minimal- und Direktsaatsysteme verbessern die Bodenstruktur, indem sie die Böden intakt lassen. Ein Verzicht auf die Umwälzung des Bodens verbessert auch seine Kohlenstoffspeicherung, wodurch Landwirte die Auswirkungen der Treibhausgase durch den Baumwollanbau senken. In Kombination mit der minimalen und pfluglosen Bodenbearbeitung trägt der Einsatz von Deckfrüchten ebenfalls zur Bindung von bis zu zweimal so viel Kohlendioxid aus der Atmosphäre bei.

Der Anbau von Bodendecker-Pflanzen reduziert ausserdem den Ressourcenaufwand. Zum Beispiel verringern Bodendecker die Verdunstung des Bodens, indem sie Schatten spenden, was nicht nur weniger künstliche Bewässerung, sondern auch weniger Bodenerosion bedeutet. „Wir sehen den Unterschied in der Sommerhitze zwischen Flächen mit und ohne Bodendecker. Flächen mit Bodendeckern sind deutlich kühler und speichern mehr Feuchtigkeit“, so ein Baumwollfarmer aus Louisiana.

Die Wurzeln von Bodendeckern wie Radieschen helfen, verdichtete Böden zu durchbrechen. Nicht zuletzt dadurch, dass sie reichlich Schatten und Nahrung für Regenwürmer bieten, welche den Boden auflockern und belüften. Dies wiederum ermöglicht eine bessere Wasseraufnahme und weniger Abfluss. Deckfrüchte bilden eine natürliche Barriere für schädliche Insekten, Unkraut und Krankheiten. Ausserdem reduzieren sie den Bedarf an Pflanzenschutzmitteln.

Reduzierung von Pestiziden durch konzentrierten lokalen Einsatz

Der gesamtbetriebliche Ansatz beschränkt die Menge an Pestiziden auf ein Minimum. US-Baumwollfarmer haben dabei nicht nur gelernt, wie Deckfrüchte bei der Schädlingsbekämpfung helfen, sondern auch, dass Baumwollpflanzen bestimmte Schädlinge über eine gewisse Zeit tolerieren. Die Landwirte verwalten sorgfältig, wann und wie sie ihre Pflanzen vor Schädlingen schützen müssen. Sie identifizieren und verfolgen das Vorkommen von Schädlingen, die ihre Pflanzen befallen, und konzentrieren sich auf die Vorbeugung. Hierbei setzen die Landwirte Pestizide nur als letztes Mittel ein.

Der NDVI (Normalized Difference Vegetation Index) ermöglicht es Landwirten, genau diejenigen Bereiche zu identifizieren, in denen ein Eingreifen erforderlich ist und um die speziellen Bedürfnisse der Pflanzen auf diesen Flächen zu verstehen. Anstatt eines ganzen Feldes wird nur der betroffene, durch den NDVI identifizierte Bereich in einer sehr lokalen operativen Anwendung behandelt. „Wir sprechen von ein paar Dutzend Gramm pro 4000 Quadratmeter“, erklärt Marshall Hardwick, Landwirt aus Louisiana. Der reduzierte Pestizideinsatz hat den Vorteil, dass diese sogenannte lokale Spot-Applikation nur minimale Auswirkungen auf die Biodiversität des Betriebs hat und somit dazu beiträgt, diese zu erhalten. Das Konzept ist auch wirtschaftlich sinnvoll, da wenige Liter Pestizid tausende Dollar kosten können.

Die Bedürfnisse jedes Landwirts sind unterschiedlich. Mehr Biodiversität auf US-amerikanischen Baumwollfarmen kann deshalb nur im Dialog und nicht in Form von Patentlösungen entstehen. Organisationen wie Quail Forever und Pheasant Forever arbeiten Hand in Hand mit Landwirten, um ihnen zu helfen, massgeschneiderte Programme für ihre jeweiligen Ansprüche zu entwickeln. Oft ist es einfach, die Landwirte davon zu überzeugen, dass die Verbesserung der Artenvielfalt keine zusätzlichen Kosten für ihren Betrieb bedeutet.

In vielerlei Hinsicht ertragreich

Eine biodiverse Landwirtschaft hat sich in vielerlei Hinsicht als sehr ertragreich erwiesen. Mark McConnell, Dozent für Hochlandvögel an der Mississippi State University, berichtet von einem Beispiel, in dem die Anlage von zusätzlichen vier Prozent an Habitat-Feldrändern zu einem Anstieg der wilden Wachtelpopulation um 23 Prozent führte. Die Menschen vor Ort haben auch Kanadagänse gesichtet, die so weit südlich normalerweise nicht vorkommen.

Der Aspekt der Artenvielfalt als zusätzlicher Ertrag der Landwirtschaft motiviert immer mehr US-Baumwollbauern auch mit Blick auf kommende Generationen zu einem holistischen Ansatz. Die wirtschaftlichen Vorteile sind zahlreich, denn während durch die Reduzierung von Bewässerung oder Pestiziden wertvolle Ressourcen und finanzielle Mittel gespart werden, steigt gleichzeitig die Produktivität. Schliesslich sichern Biodiversitätsmassnahmen langfristig eine höhere Bodengesundheit und in der Folge eine solide Ernte.

Hinweis: NABU-Studie hier

 

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