Boom-Phase im Export – doch für wie lange?

Im ersten Quartal 2021 liegt der Schweizer Euler Hermes Export Forecast auf einem Rekordwert von 3,13 Punkten (Vorquartal: 0,78 Punkte). 2021 ist folglich mit einer Art Boom-Phase bei den Schweizer Exporten zu rechnen. Andere Konjunkturforscher warnen allerdings, dass nach einer Nachhol-Phase eine Phase mit schleppendem Konsum folgen und die Stimmung wieder trüben könnte.

Die Konjunkturbarometer zeigen nach oben. Doch wie nachhaltig ist die Boom-Phase? (Bild: Pixabay.com)

Im ersten Quartal 2021 liegt der Schweizer Euler Hermes Export Forecast mit 3,13 Punkten mehr als zwei Punkte über dem im Januar gemeldeten Wert von 0,78 Punkten und erreicht damit ein neues Rekordhoch. Entsprechend ist 2021 mit einem starken Anstieg der Schweizer Exporte zu rechnen. Mitverantwortlich für diesen steilen Aufwärtsgang sind auf statistischer Seite das tiefe Ausgangsniveau der Vorjahresmonate und auf wirtschaftlicher Seite die in den letzten Monaten überaus dynamischen Konjunkturentwicklungen in einigen Regionen, insbesondere in China und den USA.

Auch in der Industrie sei derzeit eine ausgeprägte Boom-Phase zu erleben, der die nach wie vor gestörten Lieferketten nicht gewachsen sind. Dies besagt der Konjunkturkommentar von hpo forecasting für das 2. Quartal 2021. Aufgrund der Covid-19-Verwerfungen, also dem Mix aus Lockdowns, gigantischen Fiskalstimuli und extrem expansiver Geldpolitik verlaufen die Ab- und Aufschwungphasen in der Industrie seit über einem Jahr wie im Zeitraffer, dafür umso ausgeprägter.

Startschuss für die Auferstehung des privaten Konsums ist gefallen

Nach einem aus wirtschaftlicher Sicht schwachen Start ins Jahr 2021 ist nach Ostern aufgrund erster Lockerungen der Corona-Restriktionen Bewegung in den privaten Konsum gekommen. «Angesichts zuletzt rückläufiger Neuinfektionen sowie guter Fortschritte in der Impfkampagne dürfte die Konjunktur in der zweiten Jahreshälfte den Turbogang einschalten. Wir rechnen mit einem starken Konsum-Boom, der durch die aufgestaute Nachfrage im Kontext einer sinkenden wirtschaftlichen Unsicherheit angefeuert wird,» so Katharina Utermöhl, Europa-Ökonomin bei Euler Hermes. Insgesamt geht Euler Hermes im laufenden Jahr von einer Zunahme des Welthandelsvolumens von +7,9 Prozent und 2022 von weiteren +6 Prozent aus (2020: -8,1 Prozent). Die Schweizer Wirtschaft wird 2021 voraussichtlich um +3,6 Prozent und 2022 um +3,0 Prozent wachsen (2020: -2,9 Prozent) – und somit ihr Vorkrisenniveau bereits im Spätsommer 2021 erreichen.

Gemäss hpo forecasting habe sich insbesondere in den USA der Konsum verstärkt, dies aufgrund der Fortschritte bei den Impfprogrammen und der Stimuluspakete. hpo forecasting verweist dabei auf Äusserungen verschiedener Marktbeobachter, wonach trotz nach wie vor erhöhter Arbeitslosigkeit in den USA viele Firmen grosse Mühe haben, neue Mitarbeitende zu finden. Die 300 USD, die Arbeitslose in den USA bis September 2021 wöchentlich zusätzlich erhalten, würden zur paradoxen Situation führen, dass Amerikaner im Niedriglohnsektor in der Arbeitslosigkeit mehr verdienen, als wenn sie arbeiten. Generell lassen die Erfolge bei der Pandemiebekämpfung in den Industrieländern die Konsumentenstimmung steigen, so der Konjunkturkommentar von hpo forecasting.

Boom-Phase: Steigende Nachfrage verschärft Lieferengpässe

Die Schweizer Exportwirtschaft profitiert vom weltweiten Aufschwung in der Industrie, schreibt wiederum Euler Hermes. Allerdings könnte die damit einhergehende grosse Nachfrage Lieferkettenspannungen aufgrund von Neustartproblemen auf Angebotsseite auf kurze Sicht noch verschärfen. Gravierend sind diese Engpässe etwa in der Halbleiterindustrie, wovon unter anderem die IT-Industrie und die Automobilbranche betroffen sind. Die Folge sind Preissteigerungen, allen voran bei Industriemetallen und Energieträgern. Stefan Ruf, CEO Euler Hermes Schweiz, kommentiert: «Der Kupferpreis hat sich innert Jahresfrist verdoppelt. Die Frachtpreise für den Containerexport erreichen abermals Rekordwerte. Diese Kräfte könnten den Boom etwas abdämpfen. Neben den Inflationsrisiken bleibt COVID-19 im Fokus oder genauer: der Wettkampf zwischen den Impfkampagnen und der Wirkung der Impfstoffe einerseits und neuer COVID-19 Varianten andererseits.»

Auf ein weiteres Beispiel verweisen die Experten von hpo forecasting: Gemäss dem Online-Magazin «The Markt» (NZZ Gruppe) würden viele Grossabnehmer von Halbleitern derzeit die doppelten bis dreifachen der tatsächlich benötigten Mengen an Halbleitern bestellen, damit ihre Bestellungen von den Produzenten höher priorisiert werden. Gleichzeitig überböten sich die Halbleiterhersteller in den letzten Wochen mit Ankündigungen für Investitionen im zweistelligen Milliardenbereich zur Ausdehnung ihrer Produktionskapazitäten. Diese Investitionen seien einerseits politisch gewollt, um die Abhängigkeit insbesondere von asiatischen Herstellern zu reduzieren, andererseits drohten mittelfristig Überkapazitäten. Vorläufig aber würden sich Ausrüster auf grosse Aufträge freuen.

Schweizer Exporte übertreffen Vor-Corona-Niveau

Es scheint, dass nach der Baisse wegen der Corona-Pandemie eine Art Boom-Phase folgt. Der Erholungskurs des Schweizer Aussenhandels hält jedenfalls gemäss Euler Hermes weiterhin an. Im ersten Quartal 2021 haben die Exporte im Vergleich zum vierten Quartal 2020 um 4,8 Prozent (saisonbereinigt) zugenommen. Dank diesem dritten Quartalsplus in Folge übersteigen die Exporte wieder das Niveau vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Auch die Importe sind gegenüber dem Schlussquartal 2020 um 1,7 Prozent gewachsen. Die Handelsbilanz schloss mit einem Überschuss von 11,3 Milliarden Franken. Gemäss der Eidgenössischen Zollverwaltung entfiel mehr als die Hälfte der Zunahme auf chemisch-pharmazeutische Produkte (+ 1,4 Milliarden Franken), wobei das Wachstum bei den Medikamenten (+ 1,2 Milliarden Franken) am höchsten war. Ebenfalls gestiegen sind die Exporte von Maschinen und Elektronik, Metallen und Uhren. Letztere nähern sich mit +4,0 Prozent (+ 5,3 Milliarden Franken) wieder ihren Umsatzwerten aus den starken Jahren 2018/19. Regional hat die Schweiz im ersten Quartal 2021 in alle drei bedeutenden Wirtschaftsräume wertmässig mehr exportiert. Insbesondere die Ausfuhren nach Nordamerika (+ 18,5 Prozent) haben im Vergleich zu Europa (+ 4,6 Prozent) und Asien (+ 2,6) zugelegt.

Ist die Boom-Phase nur eine vorübergehende Erscheinung?

Konjunkturzyklische Betrachtungen, wie sie hpo forecasting vornimmt, zeigen nach Abebben der Nachholeffekte eine verhaltene Entwicklung an. „Gemäss unseren realwirtschaftlichen Konjunkturzyklusbetrachtungen befinden wir uns nach wie vor sehr früh in der Abschwungphase im Zyklus, der in den Industrieländern (OECD) erst Anfang 2020 seinen Höhepunkt überschritt“, heisst es dazu im hpo Konjunkturkommentar. Obwohl derzeit alle Stimmungsindikatoren steil nach oben deuten würden, zeigten Modellrechnungen nach einer kurzen Phase mit Nachholeffekten weiterhin eine längere Phase mit eher schleppendem Konsum an, sowohl in Nordamerika und Europa als auch in Asien.

Quellen: Euler Hermes und hpo

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