Schweizer Handelsbranchen verbreiten Zuversicht
Handel Schweiz, der Dachverband des Handels, hat eine Umfrage unter 19 Handelsbranchen durchgeführt. Sie zeigt, dass sich im Jahr 2020 nur sehr wenige Handelsbereiche wie Spielwaren, Holz und Fahrzeuge mit Elektroantrieb über deutlich wachsenden Umsatz freuen konnten. Die meisten Händler hatten mit Problemen und streckenweise starken Umsatzeinbussen zu kämpfen. Trotzdem dominiert im Handel die Zuversicht.
Der Handel ist seit jeher auf Flexibilität getrimmt. Das ist einer der Gründe, warum sich die Schweizer Handelsbranchen im Jahr 2020 insgesamt tapfer geschlagen haben, meint Kaspar Engeli, Direktor von Handel Schweiz, dem Dachverband des Handels: «Auch ausserhalb von Corona sind Handelsunternehmen mit stetigen Veränderungen konfrontiert – angefangen vom wechselhaften Konsumverhalten über Probleme in den Lieferketten, Preissteigerungen bei den Rohstoffen oder bei den Lieferanten bis hin zu Zollbestimmungen, die plötzlich angepasst werden.»
Forderndes Jahr für alle Handelsbranchen
Trotzdem war 2020 auch für die meisten Handelsbranchen ein aussergewöhnlich forderndes Jahr. Doch einzelne Bereiche erreichten deutliche Steigerungen. Dazu zählen der Spielwarenhandel, der generell um 13% gewachsen ist und inzwischen fast 40% über den Onlinehandel verkauft, was dem Niveau unserer Nachbarländer entspricht. Die Schweiz hat damit in nur zwei Jahren massiv aufgeholt. Die Konsumentinnen und Konsumenten spielen und puzzeln nicht nur mehr. Sie haben auch andere Vorlieben verändert. So wird Kaffeerahm heutzutage vor allem in grösseren Flaschen gekauft statt in kleinen Portionen. Herr und Frau Schweizer geniessen lieber einheimischen Wein, der um 10% zulegen konnte. Sie nutzten ausserdem die Zeit, um ihre Holzterrasse zu planen und in Auftrag zu geben. So stieg der Umsatz im Handel mit Holzwerkstoffen für den Holzbau um 20%. Auch die Antriebstechnik des Neuwagens war ein Thema in Schweizer Familien. 2020 wurden 30% mehr Neuwagen mit alternativen Antrieben wie Elektro verkauft, 2021 bereits 36% mehr. Homeoffice und Online-Meetings kurbelten den Umsatz von qualitativ hochstehenden Kameras an. Der Textilhandel freute sich über den guten Trend bei der Berufskleidung. Auch der Handel mit Maschinen für die Verpackungsindustrie verzeichnete ein Plus. In der Medizinaltechnik konnten die Bereiche «Notfall» und «Anästhesie» die Umsatzeinbrüche in anderen Segmenten etwas wettmachen.
Die Einschätzungen der Handelsbranchen im Einzelnen
Für die Spielwarenbranche war 2020 ein sehr gutes Jahr mit 13% höheren Umsätzen. Lieferprobleme waren eine Herausforderung. Die Verschiebung vom stationären Handel ins Internet war enorm. Inzwischen hat die Schweiz in diesem Bereich die anderen Westeuropäischen Länder fast eingeholt. 2021 wird sich dieser Trend fortsetzen und der Onlinehandel gut 40% des Umsatzes mit Spielwaren ausmachen.
Lebensmittel haben die Schweizerinnen und Schweizer im Jahr 2020 insgesamt weitgehend unverändert konsumiert. Der zeitweise unterbrochene Einkaufstourismus erwies sich als ein Vorteil für den hiesigen Handel. Manche Handelsfirmen verzeichneten ein leichtes Plus. Die Branche schaut mit verhaltenem Optimismus ins Jahr 2021.
Im Coronajahr 2020 freute sich der Weinhandel über eine qualitativ gute Ernte und konnte die Lager gut füllen. Doch wird in geschlossenen Restaurants bekanntlich kein Wein konsumiert. Deshalb musste der Weinhandel in der Gastronomie einen Umsatzrückgang von bis zu 45% hinnehmen. Auch im Fachhandel brach der Umsatz um 45% ein, während der Detailhandel zulegen konnte. Im Januar 2021 lag die Konsumentenstimmung auf einem Tiefpunkt. Im Februar zeichnete sich jedoch eine leichte Erholung ab.
Der Detailhandel ist von der Pandemie sehr heterogen betroffen. Die wochenlange Schliessung Tausender Läden brachte viele Händler in grosse Schwierigkeiten. 2021 ist der Detailhandel insgesamt jedoch zuversichtlich. In der Branche ist ein Aufatmen spürbar. Eine aktuelle Herausforderung sind die Überseetransporte, die mit Unsicherheiten behaftet sind, was zu Warenausfällen führen kann.
Der Handel mit Foto- und Video-Kameras verzeichnete für das Jahr 2020 insgesamt einen Umsatzrückgang. Gleichzeitig fand ein Technologiewechsel von Spiegelreflexkameras zu spiegellosen Geräten statt. Während dem Lockdown und im Homeoffice haben sich viele Berufstätige für Videositzungen mit qualitativ hochstehenden Kameras eingedeckt. Inzwischen ist diese Art der Kommunikation breit akzeptiert, was zu weiteren Bedürfnissen der Anwender führen wird. Für 2021 sind die Tendenzen leicht negativ, aber das Jahr entwickelt sich besser als 2020.
Der Textilhandel lag 2020 auf üblichem Niveau; die Verkäufe von Textilien an den Einzelhandel zeigten sich stabil. Der Handel mit Berufskleidung folgte weiterhin einem positiven Trend. Nach den Corona-Einschränkungen vom Herbst liegt jedoch die Winterkollektion immer noch in den Läden und Lagern und ist fast nicht mehr zu verkaufen. Probleme bereiten auch die fehlenden Container für den Transport aus Fernost und die massiv steigenden Frachtkosten.
Im Lederhandel verlief die Entwicklung je nach Region und Kundengruppen sehr unterschiedlich. Während manche Lederhändler keine Einbussen verzeichneten, haben andere bis zu 40% Umsatz verloren.
Im Fachhandel Zigarren und Genussmittel ging 2020 der Umsatz um 20% zurück, während der Grosshandel sein Volumen halten konnte. Mit 90% Rückgang machte der Bereich Duty Free eine dramatische Entwicklung durch. Sorge bereitet der möglicherweise nachhaltige Rückgang der Geschäftsreisen. Während der Umsatz in Asien leicht steigt und sich der Markt in den USA stabil zeigt, sinkt das Geschäftsvolumen in Europa. Die Preise und die Zuverlässigkeit der Fracht stellen aktuelle Herausforderungen dar. Insgesamt ist trotzdem der Ausblick für 2021 verhalten positiv.
In der Medizinaltechnik entwickelten sich die Bereiche sehr unterschiedlich. Während «Notfall» und «Anästhesie» im Jahr 2020 ein Plus verzeichneten, kam es in der Chirurgie zu Rückgängen von bis zu 40%. Da verschobene Operationen nun nachgeholt werden, normalisieren sich insofern die Aussichten für den Handel mit Medizinaltechnik. Grosse Sorge bereitet das Auslaufen des Mutual Recognition Agreements MRA-Abkommens mit der EU. Die EU hat klar gemacht, dass sie ohne das Institutionelle Rahmenabkommen das MRA nicht erneuern wird.
Auch der Handel mit Maschinen und Automation für Druck und Verpackung musste grosse Flexibilität beweisen. Während sich der Bereich Verpackung überdurchschnittlich positiv entwickelte, verzeichnete der Handel mit Druckmaschinen einen Rückgang von 20%. Für das laufende Jahr wird damit gerechnet, dass der Handel mit Druckmaschinen das aktuell tiefe Niveau zumindest halten kann.
Im Autohandel sorgt die Pandemie für eine rasche Veränderungen im Markt. Die Neuwagenverkäufe 2020 sind gegenüber 2019 um 24% eingebrochen – das schlechteste Resultat seit 1975. Für den Lichtblick sorgen hingegen die um 30% gestiegenen Verkäufe von Neuwagen mit alternativen Antrieben. Im Januar und Februar 2021 sank der Neuwagenverkauf um 18%, wobei der Anteil von Neufahrzeugen mit alternativen Antrieben weiter auf 36% zunahm.
Auch im gesamten Baubereich entwickelten sich die einzelnen Branchen sehr unterschiedlich, was sich auf mehrere Handelsbranchen auswirkt. Während der Tiefbau weiter auf hohem Niveau läuft, ist der Hochbau rückläufig. Nicht nur der Stahlhandel litt 2020 unter den verzögerten Baubewilligungen, die aufgrund des Homeoffice der Baubehörden langsamer bearbeitet wurden. Diese Tatsache bremst die gesamte Entwicklung im Markt. Da der Bau zu den Treibern der Wirtschaft zählt, werden die Auswirkungen dieser Bewilligungspolitik in zahlreichen anderen Branchen spürbar, so auch im Handel. Das hat auch im laufenden Jahr zu einem schwierigen Start geführt.
Der Innenausbau und Eventbau, der unter den abgesagten Messen leidet, verzeichnet einen Einbruch von etwa 10%. Für Unsicherheiten sorgen zudem die drohenden Zurückstellungen von Projekten der öffentlichen Hand wie zum Beispiel den SBB. Herausforderungen liegen in den Preiserhöhungen bei Stahl, Holz und Plastik und die – hoffentlich nur vorübergehende – Sistierung von Projekten der öffentlichen Hand. Es ist absehbar, dass in den nächsten Jahren Investitionen im Tourismusbereich nur zurückhaltend getätigt werden.
Doch trotz diesen negativen Voraussetzungen verlief vor allem der Handel mit Holzwerkstoffen zufriedenstellend. Der Umsatz im Holzbau stieg um bis zu 20%. Die Pandemie sorgte für einen kräftigen Digitalisierungsschub im betrieblichen Arbeiten. Die Aussichten für 2021 sind sehr gut. Holz liegt nach wie vor im Trend. Die Herausforderungen liegen eher bei der Materialverfügbarkeit, den Preiserhöhungen und der hohen Auslastung der Produzenten.
Insgesamt verzeichnete der Handel mit Metallen 2020 einen Rückgang von bis zu 1.5%. Vor allem brach die Nachfrage durch die Industrie ein. Bereits im vergangenen Jahr kam es zu einem Preisanstieg, der sich in den ersten zwei Monaten des Jahres 2021 weiter fortsetzte.
Im Handel mit Baumaschinen ging im vergangenen Jahr das Volumen um 6% zurück. In 2021 rechnet die Branche mit einer stabilen Nachfrage und einem Plus von 1.5%. Aktuelle Herausforderungen sind die um bis zu 7% gestiegenen Preise, längere Lieferzeiten und die EU-Zölle für Produkte aus den USA.
Im Handel mit Baumaterialien blieb das Geschäftsvolumen stabil, wobei es zu regionalen Unterschieden kam wie beispielsweise in der Region Genf, in der 15% weniger Baumaterialien verkauft wurde. In der Romandie und im Tessin bereiteten die Baustellenschliessungen Probleme, während auf der anderen Seite ganzjährig Fabrikschliessungen zu Lieferverzögerungen führten. 2021 rechnet der Baumaterialhandel mit einer Stagnation oder einem leichten Rückgang.
Der Elektrogrosshandel konnte nach zeitweisen stärkeren Einbrüchen den Umsatz in der Bauwirtschaft bis Ende 2020 stabilisieren. In der Industrie konnten dagegen die anfänglichen Umsatzeinbussen im Jahresverlauf nicht mehr wettgemacht werden. Zu Beginn des Jahres 2021 sind vor allem wetterbedingt die Umsätze um 5% zurückgegangen. Insgesamt wird davon ausgegangen, dass die Umsätze 2021 ähnlich verhalten wie 2020.
Der Handel mit Bodenbelägen verzeichnete 2020 einen Rückgang von rund 8%. Negativ fiel ins Gewicht, dass die üblichen Umbauten in den Tourismusregionen im Frühjahr nicht möglich waren respektive auf den Herbst verschoben wurden. 2021 entwickelte sich der Umsatz in den ersten beiden Monaten stabil. Unabhängig von Corona setzt sich die Entwicklung fort, dass reine Bodenbelagsanbieter immer mehr verschwinden werden. Fusionen zum Beispiel mit Malerbetrieben führen dazu, dass die Bauherren in Zukunft für den Innenbereich «kleine» Generalunternehmer beauftragen können, die Wände-, Böden- und Deckenarbeiten aus einer Hand erledigen.
Arbeitsbühnen werden im Bau, in der Industrie, Reinigung und bei Messen und Events eingesetzt. Insgesamt verloren im Jahr 2020 die meisten Anbieter von Arbeitsbühnen bzw. Hebebühnen gegenüber dem Vorjahr 12% Umsatz. Die Branche spürt den Einfluss von Corona insbesondere durch abgesagte Events. Zudem investieren verunsicherte Kunden weniger, was sich auf den Verkauf von Arbeitsbühnen negativ auswirkt.
Quelle: Handel Schweiz