Gewerbeverband fordert Ende des Lockdowns

Der Schweizerische Gewerbeverband fordert ein Ende des Lockdowns per 1. März 2021. Die Dachorganisation der Schweizer KMU erachtet die bisherige bundesrätliche Strategie zur Pandemie-Bekämpfung als gescheitert und will eine Rückkehr zu logischen, evidenz-basierten und nachvollziehbaren Massnahmen, die den Unternehmen wieder eine Perspektive erlauben.

Schluss mit geschlossenen Restaurants und Läden: Der Schweizerische Gewerbeverband fordert ein Ende des Lockdowns und eine Rückkehr zu evidenz-basierten Massnahmen. (Bild: Unsplash.com)

Hans-Ulrich Bigler, Geschäftsführer des Schweizerischen Gewerbeverbands sgv, beschönigt nichts: «Die Lage ist düster und wir benötigen dringend eine Perspektive.» Das Unverständnis gegenüber den bisher getroffenen Massnahmen zur Pandemie-Bekämpfung nehme zu. Man richte sich zu stark nach den schlimmstmöglichen Szenarien, der aktuelle Lockdown beruhe auf falscher Evidenz und allgemein herrsche zu viel Alarmismus, wie Bigler anlässlich einer Medienkonferenz am 9. Februar 2021 äusserte. Entsprechend klar ist die Forderung an den Bundesrat: Er soll rasch wieder den «Pfad der Verhältnismässigkeit einschlagen». Dazu gehört eine Beendigung des Lockdowns am 1. März 2021 in Verbindung mit konsequenten flankierenden Massnahmen wie flächendeckende Tests, Schutz der besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen, Forcierung der Impfkampagnen und Umsetzung von Schutzkonzepten in Betrieben.

Lockdown-Strategie ist gescheitert

Fabio Regazzi, Nationalrat und Präsident des sgv sagte gegenüber den Medien, dass mit der Öffnung ab dem 1. März die Wirtschaft wieder funktionieren könne. Die grossen Schäden des Lockdowns könnten so eigedämmt werden. Mit der Logik des gezielten Schutzes und den damit verbundenen Massnahmen – Impfungen, Testungen und Contact Tracing – könne die Wirtschaftsfreiheit wieder gewährleistet werden und der gesellschaftliche Austausch könne sich wieder schrittweise normalisieren. Wichtig sei: Die Wirtschaft habe Schutzkonzepte, welche Hygiene- und Distanzmassnahmen beinhalten. «Diese Konzepte werden flächendeckend eingesetzt und haben sich bewährt, wie die Zahlen des BAG zu den Ansteckungsorten beweisen», sagte Regazzi. Am Schluss seines Referates zitiert der sgv-Präsident KMU-Unternehmer, welche Zeugnis von ihren grossen Existenznöten ablegen. So rechnete ihm ein 36-jähriger Hotelbetreiber aus der Romandie vor, dass er mehrere Jahre benötigen werde, um sich beruflich und privat zu erholen. Oder ein Sportartikel-Händler aus dem Tessin erzählte ihm, dass derzeit von 40 Mitarbeitenden nur fünf noch am Arbeiten seien – allesamt Familienmitglieder des Inhabers. Das Einzige, was dieses Unternehmen derzeit anbieten dürfe, seien Ski- und Fahrrad-Services. Auch sgv-Vizepräsident André Berdoz weiss von Stimmen «zwischen tiefer Ernüchterung und enttäuschten Hoffnungen» zu berichten. Die Schliessung von «nicht lebensnotwendigen» Bereichen haben schwerwiegende Folgen für die betroffenen Unternehmen, welche mit dem Gefühl leben müssten, dass ihnen ihre wirtschaftliche Existenzberechtigung abgesprochen werde. In der ersten Phase der Pandemie, als es darum ging, sich auf das Ende des Lockdowns vorzubereiten, welche von Mitte März bis Mitte April im vergangenen Jahr geherrscht hatte, seien die Unternehmen ausserordentlich diszipliniert gewesen. Die Stimmung sei jetzt anders. Dies zeigen viele Stimmen aus KMU.

Ende des Lockdowns bzw. «Lasst uns arbeiten»

Fabio Regazzi bezeichnet denn auch die aktuelle Lockdown-Strategie als gescheitert. «KMU benötigen eine Perspektive. Kein Hüst und Hott und Wirrwarr von unverständlichen Massnahmen. Wir brauchen eine verlässliche Exitstrategie.» Tomas Prenosil vom Handelsverband.swiss kritisierte, dass die Schliessung des stationären Handels eine negative Wirkung auf die Menschen habe. Der Effekt, durch Ladenschliessung die Mobilität einzuschränken, sei nicht erkennbar, moniert er. Es müsse deshalb darum gehen, mit Covid leben zu lernen. Werner Scherrer, Präsident des KMU- und Gewerbe-Verbands Kanton Zürich und selbst Unternehmer, fordert: «Lasst uns arbeiten». Denn für viele KMU sei es nun 5 vor 12, Warten sei keine Option mehr und die Verzweiflung und der Unmut wüchsen. Dabei gäbe es durchaus Lösungen, auch unter Covid-Bedingungen ein einigermassen normales Wirtschaftsleben zu ermöglichen, etwa durch eine grösstmögliche Flexibilisierung von Laden-Öffnungszeiten oder durch Privat-Shopping: Kunden kommen auf Vereinbarung zum Einkaufen in den Laden. Gar nichts hält Scherrer von der Homeoffice-Pflicht: Diese habe gar nichts gebracht, ausser kostspielige und schikanöse Kontrollen. «Entsprechend muss die Pflicht sofort entfallen», fordert Scherrer. «Betriebe erhalten so einen grösseren Handlungsspielraum. Eigenverantwortung und glaubwürdige Überzeugungsarbeit bringen bei mündigen Bürgerinnen und Bürgern mehr als staatliche Vorschriften.»

Bewährte Elemente «smart zusammensetzen»

Mit seinen Forderungen nach einem Ende des Lockdowns drückt der sgv die wachsende «Corona-Müdigkeit» in Wirtschaft und Gesellschaft aus. Allerdings bleibt die Frage, ob man mit einer zu frühen Öffnung nicht das Risiko eingeht, infolge der zunehmenden Mutationen eine nächste Welle zu provozieren. Eine schlüssige Antwort darauf gibt es wohl nicht, ausser, wie es Tomas Prenosil ausdrückt: «Wir müssen damit leben, dass Covid über eine mittlere Frist bleiben wird. Wir können uns keinen mittelfristigen Lockdown leisten. Bleibt die jetzige Situation noch länger, erodiert die Basis unseres gesellschaftlichen Zusammenseins. Also müssen wir Strategien entwickeln, wie wir uns weiterhin austauschen können und uns selbstverständlich dabei schützen. Das geht mit einer guten Impfstrategie, mit Kontakt-Tracing, mit Testungen, mit dem Brechen von Peaks im Verkehr und mit Schutzkonzepten. Die gute Nachricht ist: Diese Elemente sind alle schon da. Jetzt müssen wir sie nur noch smart zusammensetzen. Gerade das erwarten wir und fordern es auch von der Regierung.»

Die Forderungen des sgv

Im Interesse der Schweizer KMU setzt sich der grösste Dachverband der Schweizer Wirtschaft für optimale wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen sowie für ein unternehmensfreundliches Umfeld ein. Vor diesem Hintergrund fordert der sgv in einem Positionspapier:

  • Die Erarbeitung von verlässlichen Indikatoren mit objektiven und konstanten Grenzwerten, welche als Grundlage für eine Evidenz-basierte Politik dienen;
  • Die Öffnung aller Wirtschaftsbereiche ab dem 1. März 2021 mit einer Rückkehr zur Logik des gezielten Schutzes, welche durch gezielte Testungen und Schutzkonzepte unterstützt wird;
  • Die Verstärkung des Impfprogramms mit verbindlichen Angaben über seine Umsetzung;
  • Den Unterbruch der Infektionsketten mit gezieltem Contact Tracing;
  • Die Umsetzung von flankierenden Massnahmen wie beispielsweise Abschaffung der Home-Office-Pflicht, Teilöffnungen und Flexibilisierungen bis zum 1. März 2021;
  • Die Behebung von Lücken im Härtefallregime sowie seine rasche Umsetzung;
  • Einen Digitalisierungs-Push in der Bundesverwaltung und im Gesundheitswesen; denn viele dieser Forderungen können digital einfach und kostengünstig umgesetzt werden.

Weitere Informationen: https://www.sgv-usam.ch/

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