Exportsituation zwischen Hoffen und Bangen
Im Dritten Quartal haben die Exporte wieder angezogen. Doch für die letzten drei Monate des Jahres 2020 sieht es wieder düsterer aus. Hoffnung macht aber die Entwicklung in Deutschland, dem wichtigsten Exportmarkt für Schweizer Unternehmen.
Zunächst gibt es positive Nachrichten zur Schweizer Exportsituation: Gemäss dem Export Forecast des Kreditrisikoversicherers Euler Hermes liegt der Export-Index derzeit bei 0,71 Punkten. Dieser Wert liegt über dem langjährigen mittleren Wachstumskurs der Schweizer Exportindustrie. Innerhalb der letzten drei Monate habe der Forecast markant zugelegt, liege jedoch weiterhin unter dem Vorjahresniveau, vermeldet Euler Hermes. Nach dem tiefen Einschnitt aufgrund der Corona-Pandemie im Frühling hatte ab Mai eine Gegenbewegung eingesetzt. Wie die Entwicklung des Forecasts zeigt, hielt diese bis Ende September an, wurde in der Tendenz jedoch schwächer. Im Oktober verzeichnete der Frühindikator dann einen leichten Rücklauf. Vorausgesetzt, die im Oktober beobachtete Trendwende verschärft sich nicht, deutet der Euler Hermes Export Indikator damit zurzeit darauf hin, dass die Exportwirtschaft in den kommenden Monaten überdurchschnittlich wachsen wird.
Trendumkehr aufgrund schlechter Stimmungsindikatoren
Für die Trendwende des Forecasts im Oktober ist gemäss Stefan Ruf, CEO Euler Hermes Schweiz, die sich verschlechternde Stimmung bei den Investoren und Konsumenten verantwortlich. Die steigenden Covid-19-Infektionen belasten das Konsumentenvertrauen erneut, was sich direkt auf den Service-Sektor auswirkt. Auch die Volatilität an den Finanzmärkten hat wieder zugenommen. Ruf verdeutlicht weiter: «Die Wirtschaft in Europa hat im letzten Halbjahr besonders unter der Pandemie gelitten. Jetzt droht mit der zweiten Covid-19-Welle neues Ungemach. Davon wird auch die Schweizer Exportindustrie in Mitleidenschaft gezogen. Die Wahrscheinlichkeit eines weiteren Abgleitens der konjunkturellen Entwicklung steigt.»
Im vierten Quartal wird mit Wachstumsrückgang gerechnet
Nach dem Rekordrückgang im zweiten Quartal 2020 hat sich der schweizerische Aussenhandel im Folgequartal deutlich erholt. Die Exporte stiegen saisonbereinigt um 6,5 Prozent (real: +9,9 Prozent), was umsatzmässig dem Quartalsniveau von vor drei Jahren entspricht. Auch die Importe haben um 11,5 Prozent (real: +9,0 Prozent) zugenommen. Nach der kräftigen Konjunkturerholung in den Monaten Mai bis September erwartet Euler Hermes im Schlussquartal 2020 allerdings wieder einen deutlichen Rückschlag für die Exportsituation. Insgesamt wird damit gerechnet, dass die Schweizer Wirtschaft 2020 um 4,7 Prozent schrumpft (2021: +2,6 Prozent) und Schweizer Exporte um 7 Prozent zurückgehen (2021: +5,6 Prozent). «Auch wenn die Schweiz sich noch gegen einen zweiten nationalen Lockdown sträubt, so dürfte angesichts erhöhter Ansteckungssorgen und der Exportabhängigkeit der Wirtschaft ein erneuter konjunktureller Rückschlag nicht zu vermeiden sein,» so Katharina Utermöhl, Europa-Ökonomin bei Euler Hermes. «Mit einer nachhaltigen Erholung der Konjunkturdynamik ist erst in der zweiten Jahreshälfte 2021 zu rechnen – sofern bis dahin ein Impfstoff gegen das Virus flächendeckend verteilt werden kann.»
Exportsituation in Deutschland erholt sich rasch
Was für die Schweiz gilt, lässt sich zu grossen Teilen auf unseren wohl wichtigsten Handelspartner Deutschland übertragen. Gemäss dem Konjunkturausblick der Deutschen Industriebank IKB hat sich die Stimmung der Wirtschaft in unserem nördlichen Nachbarland – nicht überraschend – eingetrübt. Auch wenn sich die Entwicklung des Verarbeitenden Gewerbes in Deutschland zuletzt als stabil erwiesen hat, belasten der aktuelle Lockdown und vor allem die konjunkturellen Unwägbarkeiten die Erwartungen. Diese Belastungen seien allerdings eher kurzfristiger Natur, so die IKB. Zwar sei im vierten Quartal des Jahres 2020 erneut mit einem BIP-Rückgang zu rechnen, der Ausblick für das Jahr 2021 werde dennoch vielfach zu negativ eingeschätzt. Zunehmende Impfquoten und das durch China und andere asiatische Länder initiierte globale Wirtschaftswachstum sollten vor allem in der zweiten Jahreshälfte 2021 für einen dynamischem Konjunkturverlauf sorgen und zunehmend Aufholeffekte als Wachstumstreiber ersetzen. Schon nach dem Lockdown im Frühjahr konnte die deutsche Industrie die Produktion schnell wieder hochfahren. Im nächsten Jahr erwartet die IKB ein BIP-Wachstum in Deutschland von rund 5 %. Haupttreiber dürften weniger Investitionen sein als vielmehr Export und privater Konsum. Das sind zwiespältige Aussichten für Schweizer Exportunternehmen: Je nach dem, in welchen Sektoren – Konsumgüter oder Investitionsgüter – sie sich bewegen, könnte es entweder schnell wieder aufwärts gehen, oder die Durststrecke hält an.
Indikatoren des Welthandels entwickeln sich positiver als erwartet
Bis zuletzt war die Entwicklung des Welthandels ermutigend. Während die WTO im ersten Halbjahr noch von einem Rückgang des globalen Handelsvolumens von über 20 Prozent ausging, wird derzeit mit einem Einbruch von weniger als 10 Prozent gerechnet. Die Frachtpreise haben jüngst ein neues Rekordhoch erreicht und der Containerumschlag übertrifft sogar das Niveau, welches er vor der Corona-Krise erzielte. Die dynamische Entwicklung des Welthandels hängt eng mit der Erholung der Rohstoffmärkte und der Industrie allgemein zusammen. So hat der globale Einkaufsmanagerindex von J.P. Morgan Ende Oktober ein neues Mehrjahreshoch von 53 Punkten erreicht. Weiter haben sich im August und September die meisten Arbeitsmärkte weltweit erholt, im Oktober wurde hingegen keine weitere Verbesserung beobachtet.
Quellen: Euler Hermes, IKB Deutsche Industriebank AG