KPMG Studie: Nachhaltige Geldanlagen

Das Thema Nachhaltige Geldanlagen hat in der Finanzbranche im Zuge der Klimadebatte markant an Bedeutung gewonnen, und auch die Coronakrise hat diese Entwicklung nicht gebremst – im Gegenteil. Finanzdienstleister lancieren immer häufiger Produkte, die neben finanziellen auch hohen ökologischen und sozialen Ansprüchen genügen sollen. Es gibt jedoch auch schwarze Wolken am Wirtschaftshorizont. Nach wie vor fehtl es an verbindlichen und einheitlichen Standards.

Nachhaltige Anlagen sind zurzeit beleibt, doch nicht überall akzeptiert: Viele Finanzinstitute und Pensionskassen offerieren noch klassische Portfolios. (Symbolbild: Unplash)

Nachhaltige Geldanlagen werden von Bankkunden und Investoren immer stärker nachgefragt. So hat das Volumen für nachhaltige Anlagen in der Schweiz in den letzten Jahren stark zugenommen. Ein Blick auf die Zahlen von Swiss Sustainable Finance (SSF) zeigt, dass sich das Anlagevolumen von 2014 bis 2018 verzehnfacht hat (von CHF 71 Mrd. auf CHF 717 Mrd.). Davon sind rund 90 Prozent des Volumens den institutionellen Anlegern zuzurechnen. Wie die neuste KPMG-Studie «Clarity on Sustainable Finance» jedoch zeigt, fehlen einheitliche Standards zur Messbarkeit und Berichterstattung im Nachhaltigkeitsbereich weitgehend. Dies führt dazu, dass die Finanzinstitute selbst entscheiden, ob und wie sie Nachhaltigkeitsüberlegungen in ihr Geschäftsmodell integrieren wollen. Entsprechend höchst unterschiedlich ist der Umgang der Finanzinstitute mit dem Thema Nachhaltigkeit. Dies führt für Anleger zu einer unzureichenden Vergleichbarkeit der als „nachhaltig“ angepriesenen Anlagen. Das im Zuge der Coronakrise gestiegene Bewusstsein für die Fragilität unseres Wirtschaftssystems dürfte dazu führen, dass nicht-finanziellen Marktrisiken verstärkt Beachtung geschenkt wird.

Regulierung als treibende Kraft

Weltweit setzt sich bei vielen Marktakteuren zusehends die Erkenntnis durch, dass die Kapitalmärkte selber nicht in der Lage sind, Kapital so zu allozieren, dass die Erreichung der Klimaziele unterstützt wird. Regulierung ist in diesem Zusammenhang notwendig, um die Marktineffizienzen zu bereinigen. Die Europäische Union setzt mit ihrem «Action Plan on Sustainable Growth» sowie dem «European Green Deal» aktuell den weltweit ambitioniertesten und umfangreichsten Plan zur Regulierung in diversen Sektoren um. Dabei will die EU über die Bereinigung von Marktineffizienzen bewusst eine Lenkungswirkung erzielen. Die Finanzindustrie nimmt bei der Finanzierung der Transition zu einem nachhaltigen Wirtschaftssystem eine Schlüsselrolle ein. Aufgrund der befürchteten, irreversiblen Folgen der Klimaerwärmung fokussiert sich die EU in erster Linie auf die Beschränkung des CO2-Ausstosses und die Einhaltung von Umweltvorgaben. Obwohl noch nicht klar ist, inwiefern die Coronakrise die Klimaagenda beeinflussen wird, scheint die europäische Politik an ihrer Stossrichtung und ihrem Zeitplan festzuhalten.

In der Schweiz beobachtet der Gesetzgeber die Entwicklungen in der EU, plant jedoch (noch) keine verbindliche Regulierung im Finanzbereich. «Aktuell sehen wir im Markt sehr viele Nachhaltigkeitsinitiativen bei den Finanzinstituten, was grundsätzlich positiv ist. Diese Vorhaben orientieren sich jedoch wahlweise an Selbstregulierungen, Regulierung in einzelnen Bereichen oder lehnen sich an die EU-Regulierung an, was zu einem ‚Patchwork‘ an verschiedenen Umsetzungsvarianten führt», erklärt Philipp Rickert, Leiter Financial Services von KPMG. «Aufgrund der globalen Natur der Finanzmärkte und der starken Verflechtung zwischen der Schweizer und der europäischen Finanzindustrie gehen wir davon aus, dass die EU-Regulierung zumindest in ihren Grundzügen schliesslich auch in der Schweiz zum Marktstandard wird.» Dies nicht zuletzt deshalb, da die kommende EU-Regulierung in diversen Bereichen extraterritoriale Wirkung entfaltet: Finanzunternehmen in der Schweiz, die beispielsweise Dienstleistungen an Kunden in der EU erbringen oder europäische Anlagefonds verwalten, können in den Anwendungsbereich der EU-Regulierung fallen und müssen diese mindestens teilweise auch anwenden.

Einheitlicher Standard fehlt nach wie vor

Damit die Regulierungsbestrebungen effektiv greifen, kommt den Daten und der Berichterstattung eine besondere Rolle zu. Transparenz ist in diesem Zusammenhang essenziell für das Funktionieren von Sustainable Finance. Es braucht vollständige und verlässliche Nachhaltigkeitsinformationen, damit Finanzierungsentscheidungen entsprechend gefällt werden können. Im Zentrum stehen dabei Informationen, die sich an den sog. ESG-Kriterien orientieren (Environment, Social, Governance). Die unzureichende Verfügbarkeit, Verlässlichkeit und Vollständigkeit dieser Informationen ist aber ein Grundproblem, welches sich nicht kurzfristig lösen lässt.

Viele Finanzinstitute und Pensionskassen arbeiten zwar daran, mehr nachhaltigkeitsrelevante Informationen offenzulegen. Allerdings fehlt es an verbindlichen Standards bzw. es gibt zu viele unterschiedliche «Standards». Dies führt einerseits dazu, dass in gewissen Bereichen verlässliche Daten noch gar nicht verfügbar sind, welche für das Treffen von nachhaltigen Anlageentscheiden notwendig sind. Andererseits sind fehlende Standards auch ein Grund dafür, dass Unternehmen nicht immer alle relevanten Informationen ausweisen, die für die Destinatäre oder Investoren von Bedeutung wären. Aufgrund der Sensibilität gerade auch der jüngeren Generationen gegenüber Nachhaltigkeitsaspekten dürfte der Druck auf die Institute weiter zunehmen, die ESG-Kriterien transparent nach aussen auszuweisen.

Zudem ist das Interesse an den bisher weniger beachteten sozialen und Governance-Faktoren nicht zuletzt infolge der Coronakrise grösser geworden. So hat die aktuelle Krise die Fragilität der Wertschöpfungsketten vieler Industrien offengelegt. Dabei hat sich gezeigt, dass Unternehmen, die grossen Wert auf Sicherheit und Gesundheit von Mitarbeitenden, Kunden und Geschäftspartnern gelegt haben und über klare und effiziente Entscheidungsprozesse verfügten, schneller auf die Corona-Schutzmassnahmen reagieren und ihre Geschäftsmodelle anpassen konnten.

Pascal Sprenger, Partner von KPMG und Spezialist für regulatorische Fragen im Finanzsektor, geht davon aus, dass die Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen in nicht zu ferner Zukunft Marktstandard sein wird und diese Informationen – wie in anderen Bereichen längst etabliert – von unabhängigen Dritten geprüft werden.

Digitalisierung allein reicht nicht aus

Da die Integration von Nachhaltigkeitsinformationen in die Unternehmenstätigkeit sehr datenintensiv ist, dürfte die Digitalisierung der Sustainable Finance weiter Schub verleihen. Nicht zuletzt deshalb, weil die jüngeren Kundengenerationen Transparenz erwarten, ohne sich durch Unmengen Daten zu kämpfen. Dazu Sprenger: «Die Finanzinstitute tun gut daran, sich bei der Berichterstattung an ihre Kunden mehr an den Benutzeroberflächen von modernen Internetplattformen zu orientieren als an traditionellen Formen der Berichterstattung».

Regulierung und Technologie werden jedoch für den Erfolg eines Unternehmens im Nachhaltigkeitsbereich nicht ausreichen. Insbesondere die Unternehmenskultur ist unverzichtbare Basis eines glaubwürdigen Nachhaltigkeitsprogramms jedes Unternehmens. Die KPMG-Studie zeigt denn auch, dass Finanzinstitute vor allem in den Bereichen der Definition des Unternehmenszwecks und der individuellen Verantwortlichkeit grossen Nachholbedarf haben. Insbesondere da verbindliche Standards und einheitliche Begrifflichkeiten fehlen, ist die Konsistenz zwischen Unternehmenskultur, Strategie und Nachhaltigkeitskonzept eines Finanzinstituts für dessen Glaubwürdigkeit unerlässlich.

Greenwashing als Reputationsrisiko

«Wir beobachten, dass die meisten Finanzinstitute einen stufenweisen Ansatz zur Implementierung ihrer Sustainable-Finance-Programme verfolgen. Aufgrund der grossen Kundennachfrage ist beispielsweise ‘Sustainable Investing‘ typischerweise ein Bereich, dem die Institute früh grosse Bedeutung beimessen. Dieses Vorgehen kann allerdings zu Widersprüchlichkeiten innerhalb der Bank führen und von der Öffentlichkeit als Corporate Greenwashing wahrgenommen werden. Die damit einhergehenden Reputationsrisiken sind in Zeiten von Social Media nicht zu unterschätzen», erklärt Sprenger. Er plädiert dafür, Nachhaltigkeit nicht als regulatorisches Problem zu betrachten, sondern als integralen Bestandteil der Unternehmensstrategie.

Mehr zur aktuellen KPMG Studie „Clarity On Sustainable Finance“ finden sie hier 

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