Kommentar zur bundesrätlichen Road Map aus dem Lockdown
Die Richtung stimmt, die Routenwahl lässt aber Fragen offen: So in etwa lässt sich die am 16. April vom Bundesrat kommunizierte Exit-Strategie zum Lockdown zusammenfassen. Während die einen Betriebe am 27. April wieder öffnen dürfen, heisst es für andere immer noch: Warten.
Am 9. April 2020 ging ein Offener Brief, unterzeichnet von der Kummli Netzwerk GmbH, dem Dach eines in der ganzen Deutschschweiz agierenden Unternehmer-Netzwerks, an den Gesamtbundesrat. Darin wurden Aussagen verschiedener KMU-Unternehmer zitiert und die konkrete Forderung an die Landesregierung gerichtet, die Wirtschaft schon ab dem 20. April wieder hochzufahren.
Road Map mit Lücken
Seit dem 16. April können wir uns nun fragen: Hat der Bundesrat die Forderungen der Wirtschaft, vor allem jene der KMU, erfüllt? Die Antwort muss wohl lauten: Jein. Das Positive ist sicher, dass nun eine Road Map besteht mit der klaren Festlegung von zeitlichen Etappen. Die Forderung, dass Arbeitskräfte unter Einhaltung der nötigen Vorsichtsmassnahmen und Hygienevorschriften schrittweise wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren können, ist im Grundsatz erfüllt. Allerdings bei der Aufhebung der Ladenschliessungen hapert es bereits: Während etwa Baumärkte oder Gartencenter sowie Blumenläden und Coiffeursalons wieder öffnen dürfen, müssen viele andere Geschäfte des Fachhandels, Modeboutiquen, Möbelgeschäfte und dergleichen weiterhin geschlossen bleiben. Das sorgt für Unverständnis bei den Branchenverbänden. Kaspar Engeli von Handel Schweiz: «700‘000 Menschen arbeiten im Handel. Damit ist der Handel der grösste private Arbeitgeber der Schweiz. Sind alle Läden geöffnet, funktioniert auch der Grosshandel einfacher. Die Öffnung des Handels erfolgt nun viel zu zögerlich!» Der Schweizerische Gewerbeverband übt ebenfalls scharfe Kritik: «Inakzeptabel» sei dieser Entscheid und eine «massive Diskriminierung» des KMU-Handels, heisst es in einer Medienmitteilung des sgv. Zumal wären viele Detailhändler für einen «Smart Restart» durchaus vorbereitet, wie wir hier schon berichtet haben. Es scheint, dass der Bundesrat nicht alle Stimmen gehört hat – oder nicht hören wollte. Der sgv fordert den Bundesrat denn auch unmissverständlich auf, auf seinen jetzt gefällten Entscheid zurückzukommen. In der Tat könnte der bundesrätliche Entscheid nämlich dem beschleunigten Niedergang des stationären Handels Vorschub leisten. Bleibt zu hoffen, dass die vielzitierte Solidarität in der Gesellschaft so weit reicht, das lokale Gewerbe nun erst recht mit Kundentreue zu unterstützen.
Nicht-Entscheid für die Gastronomie
Für die Gastronomie wiederum war der 16. April ein «Tag des Nichtentscheids»: Der Branchenverband GastroSuisse ist entsprechend sehr enttäuscht und versteht nicht, dass der Bundesrat der Gastronomie noch keine Perspektive gibt, nach dem viele andere Gewerbeunternehmen nun auf den Weg zurück zum Normalzustand gehen können. «Wir haben immer betont, dass es Aufgabe des Bundesrates ist, den Zeitpunkt der Wiedereröffnung zu bestimmen», stellt GastroSuisse-Präsident Casimir Platzer fest. «Mit der Nicht-Kommunikation lässt uns der Bundesrat jedoch völlig im Ungewissen und ohne Perspektive», kritisiert er die bundesrätliche Kommunikation. In der Tat ist es sicher nicht einfach, die weiterhin geltenden Hygiene- und Abstandsregeln in Restaurants oder Bars zu gewährleisten. «Wer will schon ein Bier mit zwei Metern Abstand mit anderen Leuten trinken?» sagte Bundesrat Alain Berset in einem Interview mit der Tagesschau von SRF. Doch auch hier hat die Gastroszene durchaus Vorschläge parat, wie eine – zumindest teilweise – Rückkehr zum Normalbetrieb möglich wäre: «Unser Vorschlag, den wir dem Bundesrat vorgelegt haben, sieht beispielsweise vor, dass wir die Anzahl Gäste pro Quadratmeter limitieren», sagt Casimir Platzer. «Zudem braucht es einen Mindestabstand zwischen den Tischen und eine Schutzmaskenpflicht mindestens hinter den Kulissen. Im Service sollen nur dann Masken getragen werden, wenn die Distanzregeln nicht eingehalten werden können. Alternativ kann man an der Theke oder an einem Beistelltisch servieren.»
Auch die Wirtschaft muss gesund bleiben
Der Bundesrat stellt mit seiner Road Map die Gesundheit der Menschen ins Zentrum. Daran gilt es im Grundsatz nicht zu rütteln. Denn auch eine Landesregierung hat eine «Fürsorgepflicht» gegenüber den Bürgern, so wie es ein Arbeitgeber gegenüber seinen Mitarbeitenden hat. Beachtet werden muss aber, dass es auch eine gesunde Wirtschaft braucht, damit die Menschen weniger krank werden. Es darf deshalb nicht sein, dass ein verlängerter Lockdown eine tiefe Wirtschaftskrise anheizt mit all ihren möglichen gesundheitlichen und gesellschaftlichen Folgen: Depressionen, Burnouts und andere psychisch bedingte Krankheiten ausgelöst durch Existenzängste, eine erhöhte Selbstmordrate, mehr Sozialfälle, gesellschaftliche Spannungen. Die Kosten dieser Konsequenzen dürften uns dann langfristig teurer zu stehen kommen als ein paar Tausend Covid-19-Fälle.
Dennoch ist als Fazit zu ziehen: Der Bundesrat bleibt seiner Linie treu, agiert aus einer Gesamtoptik umsichtig und versucht keine «Hauruck-Übungen». Damit kann er es aber gleichwohl nicht allen recht machen. Insbesondere der Entscheid bezüglich Detailhandel erscheint nicht logisch. Die nun definierten Etappen sollten nun aber alle Branchen gleichermassen nutzen, um sich weiter optimal auf die Post-Corona-Phase vorzubereiten. Denn diese kommt, auch wenn momentan nicht alle mit dem vom Bundesrat vorgespurten Weg dorthin einverstanden sein können.