Der Bildungsbericht, der im Ende Juni 2018 erschienen ist, vermittelt umfassende Daten und Informationen aus zahlreichen Statistiken aus Forschung und Verwaltung (gegliedert in rund 500 Themen) und er fragt ebenso „nach der Wirkung von Bildung auf das Individuum und auf die Gesellschaft.“(Quelle: alice.ch)
Auch die Weiterbildung ist Thema
Der Bericht nimmt sich auch der Weiterbildung an. Immerhin 14 Seiten sind ihr gewidmet, wobei die Notwendigkeit zur Weiterbildung ausschliesslich im Hinblick auf die Berufsbildung, den Erhalt und die Entwicklung von (berufsrelevantem) Wissen sowie aufgrund technologischer und wirtschaftlicher Umwälzungen bestimmt wird. Nicht berufsbezogene Weiterbildung bleibt ausgeklammert. Überdies vermeidet es das Autorenteam weitgehend, Aussagen zur Effektivität und dem Nutzen der Weiterbildung zu machen aufgrund fehlender empirischer Daten.
Auch fand die Weiterbildung anlässlich der Präsentation in Bern keine direkte Erwähnung, weder in den Ausführungen von Stefan Wolter, noch in denen von Bundesrat Schneider-Ammann oder der EDK-Präsidentin Silvia Steiner. Doch verschiedene Phänomene, welche die formale Bildung prägen, lassen sich im Kapitel „Weiterbildung“ sozusagen als Fortsetzung lesen. Etwa wenn es um unterschiedliche Startvoraussetzungen geht: jene von Kindern am Anfang ihrer Schullaufbahn und jene von Weiterbildungsteilnehmerinnen und -teilnehmern bzw. Weiterbildungs-Abstinenten.
Kein Ausgleich dank Weiterbildung
Eine bittere Wahrheit gleich vorweg: Die Weiterbildung sorgt nicht für einen Ausgleich zwischen Personen mit unterschiedlicher formaler Bildung. Im Gegenteil: Personen, die bereits über viel formale Bildung verfügen, gelangen auch häufiger in den Genuss von nichtformaler Bildung. Dadurch vergrössere sich die Kluft zwischen schlecht und gut gebildeten Personen weiter, schreiben die Autorinnen und Autoren. Die Förderung der Chancengerechtigkeit beim Zugang zur Weiterbildung bleibt deshalb eine zentrale Herausforderung.
Nicht zuletzt für Personen, die erst in einem Alter in die Schweiz eingewandert sind, in dem der formale Bildungsprozess in der Regel abgeschlossen ist, böte die Weiterbildung indes auch die Möglichkeit, Bildungsdefizite zu kompensieren. Wolle man ihre dauerhafte Integration in den Arbeitsmarkt fördern, heisst es im Bericht, müssten zuerst die Defizite im Bereich der formalen Bildung behoben werden. Die Basis dazu muss jedoch ebenfalls in vielen Fällen erst geschaffen werden. Wolle man nämlich Personen ohne nachobligatorische Ausbildung in die Weiterbildung integrieren, müssten in der Regel vorerst die Grundkompetenzen vermittelt werden, hält das Autorenteam fest:
Jeder vierte ausländische Erwerbstätige betroffen
Zwar nahm der Anteil der Erwerbstätigen ohne nachobligatorischen Abschluss in der Schweiz in den letzten Jahrzehnten ab; in der Altersklasse der 40-bis 64-Jährigen betrug er 2016 noch 10 Prozent, in der Altersklasse der 25- bis 29-Jährigen noch knapp 5 Prozent. Doch unter den ausländischen Erwerbstätigen ist im Alter zwischen 40 und 64 Jahren jede dritte bis vierte Person ohne nachobligatorische Bildung.
Die Kluft zwischen gut und gering qualifizierten Personen vertieft sich beim Wissenserhalt oder der Fortqualifizierung noch einmal, weil besser qualifizierte auch effizienter lernen und somit eine Bildungsinvestition produktiver nutzen können.
Was kann der Mensch besser als der Computer?
Ob gut oder gering qualifiziert, der technologische Wandel und die wirtschaftlichen Veränderungen betreffen alle Erwerbstätigen. In der Vergangenheit hat sich dies jedoch nicht in einer steigenden Weiterbildungsbeteiligung niedergeschlagen. «Prognosen hinsichtlich der Digitalisierung sind schwierig», betonte Bundesrat Schneider-Ammann. Dass künstliche Intelligenz jedoch in naher Zukunft zahlreiche Aufgaben ebenso gut wie ein Mensch erledigen kann, davon ist auszugehen. «Wir können dem Computer nicht davonrennen», sagte Stefan Wolter. Es sei deshalb zu überlegen, wie das Curriculum zu entwickeln sei, damit sich der Mensch komplementär zum Computer entwickeln könne. Die Ausgangslage für diese Überlegungen zeichnet der Bildungsbericht – wenigstens in einem begrenztem Mass auch für die Weiterbildung. (RS)