KOF Studie belegt: Herr und Frau Schweizer arbeiten weniger
Eine aktuelle KOF Studie der ETH Zürich zeigt, dass seit 1950 die Arbeitsdauer in der Schweiz um einen Drittel gesunken ist. Dieser Trend sei ein Beleg für die starke Zunahme des Wohlstands.
Die KOF Studie der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich belegt einen „massiven Rückgang der Arbeitszeit“, so der Studienautor Michael Siebenthaler: „Sie dokumentiert den eindrücklichen Anstieg des Wohlstands in unserer Gesellschaft“, denn die Schweizer würden sich gerne als arbeitsam und fleissig sehen. Doch das Klischee stimme je länger, desto weniger.
Zurzeit arbeitet eine erwerbstätige Person im Schnitt rund 1562 Stunden pro Jahr. Im Jahre 1950 dagegen malochte man noch 2400 Stunden (vgl. Grafik). Sie begnügten sich mit zwei Wochen Ferien, während wir uns heute im Schnitt 5,2 Wochen gönnen. Gesetzliche Feiertage gab es bloss 5, inzwischen sind es 9,5. Üblich war zudem die Sechstagewoche, nur jeder siebte Angestellte kam in den Genuss eines freien Samstags.
Arbeitszeit: damals und heute
In den fünfziger Jahren lag die betriebliche Arbeitszeit bei 49 Stunden pro Woche, im Gastgewerbe waren gar 55 Stunden die Norm. Heute ist das Wochen-Soll schon nach weniger als 42 Stunden erfüllt. Gleichzeitig arbeiten immer weniger überhaupt Vollzeit: Bei den Frauen sind es nur gerade 41%. Auch bei den Männern ist dieser Anteil auf zuletzt 83% gesunken. Zudem: Wer einen halben Tag pro Woche frei hat, gilt für die Statistiker ebenfalls als voll erwerbstätig.
Nationale Unterschiede
Wie streng arbeitet man in der Schweiz im Vergleich zu anderen Ländern? KOF-Experte Siegenthaler ist in seiner Studie auf Überraschendes gestossen. An vielen Orten auf der Welt ist die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden deutlich höher: In den USA sind es 1770 Stunden pro Jahr. Die Südkoreaner schuften für ihren Wohlstand gar 2213 Stunden – so viele waren es in der Schweiz letztmals im Jahre 1966.
Frankreich hat 35h-Woche
Selbst gegenüber den Franzosen, welche hierzulande nicht als besonders beflissen gelten, beträgt der Vorsprung der Schweizer Arbeitnehmer nur 90 Stunden pro Jahr – das entspricht weniger als 30 Minuten je Arbeitstag. Zwar haben die Franzosen eine tiefe gesetzliche Arbeitszeit von lediglich 35 Stunden. Dafür aber wird dieser Standard viel häufiger eingehalten: Die Teilzeitquote ist nur etwa halb so hoch wie in der Schweiz, wo sie 37% erreicht.
„Die Präferenz nach mehr Freizeit sehen wir international – wir sind in dieser Hinsicht keine Ausnahme“, sagt Siegenthaler. Wenn hier also kaum länger gearbeitet wird als bei den Franzosen, stellt sich die Frage: Hätte die Schweiz nicht ebenso eine 35-Stunden-Woche einführen können? Rudolf Minsch, Chefökonom des Wirtschaftsverbands Economiesuisse, verneint: Denn ein wesentlicher Vorteil der Schweiz bestehe darin, dass ein grösserer Teil der Bevölkerung eine Stelle habe.
Dagegen seien in Frankreich aufgrund der starren Regeln viele Leute aus dem Arbeitsmarkt hinausgedrängt worden, insbesondere die sozial Schwächeren. „Das Beispiel von Frankreich verdeutlicht, dass rigide Vorschriften für den Arbeitsmarkt sehr schädlich sind», betont Minsch in einem NZZ Text („Von wegen fleissige Schweizer“, NZZAS, 8.7.2017). „Bei uns behalten die Unternehmen ihre Flexibilität – und trotzdem profitieren die Angestellten von sinkenden Arbeitszeiten.“