Der Kampf um Aufmerksamkeit bei der mobilen Werbung

mobile advertising ist ab 2017 die Nummer 1 im globalen Werbemarkt. Doch wie muss vorgegangen werden, damit millionenschwere Kampagnen nicht an der Aufmerksamkeit der Smartphone- und Tablet-Nutzer vorbeischrammen und irgendwo unterwegs versanden? Fachspezialisten nehmen Stellung.

Smartphones und Tablets haben die digitale Vormachtstellung an sich gerissen. Bereits zwei Jahre ist es her, als die Nutzungsfrequenz mobiler Endgeräte weltweit erstmals den Einsatz von Desktop-Computern überstiegen hat. Seither wächst die Kluft kontinuierlich. Internationalen Erhebungen zufolge, greift heute jeder Zweite nach dem Aufwachen als Erstes zum Smartphone. Mehr als 3,5 Milliarden Menschen sind also auch potenzielle Empfänger von allen möglichen digitalen Botschaften. Es ist deshalb nur eine logische Konsequenz, dass Mobile im Jahr 2017 auch bei den weltweiten Werbeausgaben das stationäre Internet überholen und vermutlich rasch abhängen wird.

Gigantische Chancen und etliche Herausforderungen

«Mobile Advertising», wie es im Fachjargon heisst, bietet also gigantische Chancen, aber auch etliche Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Davon sind Fachleute aus der Branche überzeugt. Zum Beispiel Boris Sabel, Geschäftsführer von Plista, einem Anbieter von Lösungen für Native Advertising und Content Distri­bution aus Berlin. «Die kleinen Screens mobiler Endgeräte im Vergleich zu Desktop führen dazu, dass Ads auf dem Smartphone schnell aufdringlicher und störender wirken als solche auf dem Desktop-Computer», gibt er zu bedenken. Deshalb sei es für die Werbetreibenden wichtig, neue, innovative Formate zu finden, die sich besser in kleine Screens einbinden lassen.

«Auch die verschiedenen Betriebssysteme der mobilen End­geräte führen dazu, dass Mobile Advertising zu einer Herausforderung wird», sagt Sabel. Rund 80 Prozent der Mobile-Nutzung spiele sich innerhalb von Apps ab. Advertising müsse durch das «in-App surfen» stets an das jeweilige Betriebssystem angepasst werden. «Betritt man, wie bei Desktop der Fall, das Internet über einen Browser, spielt das Betriebssystem keine Rolle.»

Tracking-Architekturen und Conversion-Trackings

«Mobile- und Tablet-Kampagnen sind eine grosse Herausforderung in Bezug auf Konzipierung, Produktion, Aussteuerung und vor allem die Messung von harten Resultaten», sagt Ivano Celia, In­haber und Geschäftsführer der Media Bros GmbH in Uster bei Zürich. Speziell in der Schweiz sei dieses Geschäft sehr schwierig, weil es noch in den Kinderschuhen stecke. «Die hiesigen Pub­lisher haben das Thema zuerst etwas verschlafen. Jetzt erfindet praktisch jeder Schweizer Verlag seine eigenen Werbeformen mit eigenen Bezeichnungen und Formaten. Leider sind die entsprechenden Spezifikationen aber oftmals unvollständig oder fehlerhaft beschrieben», so Celia.

Dies mache es für Planer und Kreativ-Agenturen, die das Ganze handhaben, und vor allem für Werbeauftraggeber, die dafür bezahlen, ziemlich schwierig. «Gleichzeitig dominieren Facebook, Instagram, YouTube und Google den Markt und warten mit Top-Angeboten auf, von denen der Schweizer Markt gar keine Notiz zu nehmen scheint.» Mobile- und Tablet-Werbung sei hierzulande zumindest im grossen Umfang noch sehr schwierig und nicht industriell skalierbar.

Tracking-Architekturen definieren und visualisieren

Ivano Celia möchte aber nicht nur Missstände benennen, sondern auch Lösungswege aufzeigen. «Für eine solide Messung solcher Kampagnen empfehlen wir, frühzeitig Tracking-Architekturen zu definieren und zu visualisieren, für das bessere Verständnis aller Projektteilnehmer sowie als Basis für die technische Umsetzung.»

Ähnlich wie bei Filmen mache es Sinn, dass ein Storyboard geschrieben werde. Conversion-Trackings sollten bei Mobile- und Tablet-Kampagnen ausserdem genügend früh vor dem Kampagnenstart gründlich ausgetestet werden. Celia: «Damit kann man sicherstellen, dass der Ablauf sowie die Messungen während der Kampagne reibungslos funktio­nieren.»

Fehlende Akzeptanz und geringe Aufmerksamkeit

«Im Mobile Advertising müssen wir uns noch im verstärkten Masse mit den Herausforderungen der Online-Werbung auseinandersetzen. Dazu gehören etwa fehlende Akzeptanz sowie eine geringe Aufmerksamkeitsspanne», bringt Dario Piccinno, Inhaber und Partner von Eyeonx, noch eine weitere Thematik ins Spiel.

Umso wichtiger sei es deshalb, die gesamte Kampagne, sprich den gesamten User Journey, bis ins Detail durchzuplanen. «Das fängt damit an, dass die Werbebotschaft ohne grosse Umwege kommuniziert werden muss. Haben wir das Interesse des Users geweckt – und ihn nicht etwa genervt – ist er bereit, sich weiter mit dem Produkt oder Brand auseinanderzusetzen – und auf den Werbebanner zu klicken.»

Piccinno ist überzeugt, dass ein durchdachtes Targeting enorm helfe, um Streuverluste zu vermeiden und User in gezielten Themenbereichen anzusprechen.

Kampagnenspezifische Landingpage macht Sinn

«Doch auch das innovativste, schönste und interessanteste Werbemittel bringt nichts, wenn der User nicht mit einem Klick findet, was ihm auf dem Banner versprochen wurde», so der Fachmann von Eyeonx. Dies bedeute, dass im Vorfeld der Kampagne mögliche Hindernisse abgebaut werden müssen. Die Website müsse genau geprüft werden: Ist sie responsive? Findet sich der User zurecht? Kommt er mit wenigen Klicks zu den gewünschten Informationen und kann den Kauf des beworbenen Produkts abwickeln? Piccinno: «Um den User noch einfacher und direkter zu den relevanten Informationen zu bringen, ist es oftmals sinnvoll, eine eigens für die Kampagne gestaltete Landingpage zu erstellen.»

Weniger Komplexität bringt mehr Aufmerksamkeit

Die auf den kleinen mobilen Screens nur sehr limitierten Werbeflächen sind auch aus Sicht von Claudio Holenstein, Country Manager Schweiz von Adverserve, eine ganz wesentliche Herausforderung für das Mobile Marketing. Es sei daher wichtig und zielführend, die Botschaften vereinfacht darzustellen. «Die Aufmerksamkeit wird dadurch viel höher, da die Konsumation der Werbebotschaft bewusst stattfindet.»

Mobile werde mittlerweile rund um die Uhr verwendet, gibt Holenstein zu bedenken. Die Nutzungsintervalle seien daher kürzer, dafür aber häufiger als bei Desktop. «Aus diesem Grund muss die Botschaft relevant sein und einfach rüberkommen.» Mobile Advertising dürfe auf keinen Fall einfach als Erweiterung klassischer Online-Massnahmen betrachtet werden. «Dafür ist das Potenzial viel zu enorm.»

Erwartungen sollten klar definiert werden

Um dieses Potenzial messbar zu machen und auch tatsächlich auszuschöpfen, empfiehlt Theodor Esenwein, Chief Innovation Officer bei Adwebster, wie bei jeder Kampagne im Vorfeld die Erwartungen klar zu definieren und den richtigen Key Performance Indicator (KPI) zu evaluieren. «Speziell bei Mobile Kampagnen birgt die Landingpage indes eigene Gefahren», hält er fest.

Sei diese nicht für mobile Geräte optimiert oder der Prozess zur Konversion zu lang, könne viel Potenzial verschenkt werden. «Aufgrund der kleineren Fläche ist es häufig schwieriger, eine Wiedererkennung zwischen Ad und Zielseite zu garantieren. Gerade diese Wiedererkennung ist bei mobilen Geräten aber besonders wichtig, da dem User die Rückmeldung gegeben werden muss, sich auf der korrekten und gewünschten Seite zu befinden.»

Klare Unterscheidung zwischen Tablet und Smartphone

Riesiges Potenzial, etliche Fallstricke: Die richtige Handhabung von Mobile Advertising bestimmt also den Erfolg von Kampagnen massgeblich. Welche Werbeformen auf Smartphone und Tablet funktionieren in der heutigen Zeit denn am besten?

Die Frage sei nicht ganz einfach zu beantworten, sagt Ivano Celia. Man müsse die Werbeformen unterteilt betrachten, da Pub­lisher und Onlineplattformen diesbezüglich unterschiedliche Wege bestreiten würden. «Spontan kommt bei Mobile- und Tablet-Werbung wohl kaum jemand auf Facebook, Instagram, YouTube und Google. Das sind jedoch tatsächlich die vier relevantesten Player mit der grössten planbaren Reichweite auf Smartphones und Tablets in der Schweiz.»

Unterscheiden müsse man aber auch zwischen Tablet und Smartphone. Beim Tablet sei die Welt offener, weil es nicht unbedingt eine App braucht und auch gut gemachte Responsive-Websites von Publishern mit einem klassischen Ansatz in die Betrachtung kämen. «Facebook dagegen wird heute zu 80 bis 90 Prozent via Smartphone genutzt, der grösste Teil davon mit der Facebook App.»

Integrative Werbeformen sind gefragt

Auch für Dario Piccinno orientiert sich der Erfolg der Werbeform vordergründig am Nutzerverhalten. «Man darf nicht vergessen, dass Mobile Devices oft auf dem Sofa zum Zeitvertreib, meist aber unterwegs und zur schnellen Informationsbeschaffung genutzt werden.»

Wichtig daher, dass man auf integrative Werbeformen setze, die sich nahtlos in den Content einfügen und den Lesefluss nicht unnötig stören oder gar nerven. Als gutes Beispiel nennt Piccinno das Mobile Rectangle. «Aber auch Video Ads werden immer beliebter – hier muss jedoch unbedingt für mobile-tauglichen Content gesorgt werden, sprich kurze, prägnante Videos mit klarer Werbebotschaft.»

Native Advertising als effektive Lösung

Aus Sicht von Boris Sabel bietet Native Advertising eine effektive Lösung für die Herausforderungen des Mobile Advertisings. «Mit ihrem Design fügen sich Native Ads in den redaktionellen Kontext mobiler Webseiten und Apps nahtlos ein.»

Dadurch werde der Lesefluss nicht gestört und ein positives Nutzererlebnis sichergestellt – wovon die Nutzerakzeptanz profitiere. «Dank der informativen Kombination aus Teaser-Text und Bild kann der User zudem in kürzester Zeit individuell entscheiden, ob die angebotenen Inhalte für ihn von Interesse sind», so Sabel.

Atmosphärische Ebene des Users ist entscheidend

Für Claudio Holenstein von Adverserve entscheidet sich der Erfolg oder Misserfolg einer Mobile-Advertising-Kampagne letztlich immer auf der atmosphärischen Ebene des Users. «Es ist wie in der Desktop-Welt. Erfolg haben Botschaften, die gut und interessant gestaltet sind, sich bestens im Lesefluss integrieren lassen und sich nicht irgendwo drüberlegen und dadurch stören.»n

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