Rückblick SGES 2022: «Versäumtes nachholen»
Am 7. und 8. September 2022 fand in Winterthur das Swiss Green Economy Symposium statt. Mehrere hundert Teilnehmende trafen sich an dieser Fachtagung zum Austausch über nachhaltige Wirtschaft. Die Themen des diesjährigen Anlasses konnten aktueller nicht sein.
Green Economy gehört zu den wichtigsten Zukunftstrends. In naher Zukunft werden wohl immer mehr Unternehmen sich in irgendeiner Form konkret mit nachhaltigen Produkten beschäftigen – und für alle anderen dürften allein schon Regulierungen und andere Sachzwänge wie Klimawandel und Energiekrise zu einer verstärkten Beschäftigung mit nachhaltiger Wirtschaft führen. Die aktuelle Situation bei der Energieversorgung zeige deutlich, dass wir nun «Versäumtes nachholen» müssen. «Wir stehen nicht vor, sondern in der Energiekrise», so der Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried in seiner Grussbotschaft am ersten Tag des Swiss Green Economy Symposiums SGES, und er bekannte: «Wir müssen jetzt handeln».
SGES: Seit 2013 der „grüne“ Wirtschaftsgipfel
Das Swiss Green Economy Symposium (SGES) zeigt seit 2013 an konkreten Beispielen, wie Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und NGO gemeinsam zu mehr Wohlstand, zum Schutz der Umwelt und zu einem friedlicheren Zusammenleben beitragen können. Der diesjährige Anlass stand unter dem Motto «Verantwortungsvoll und mutig zusammenarbeiten». An den beiden Symposiumstagen vom 7. und 8. September 2022 wurden in Plenumsveranstaltungen und diversen sog. Innovationsforen aktuelle Fragen rund um Kreislaufwirtschaft, Klimaschutz und gesellschaftliche Verantwortung diskutiert. Ein Höhepunkt war die Keynote von Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, Ehrenpräsident des Club of Rome, der vor 50 Jahren erstmals auf die Grenzen des Wachstums hingewiesen hat. Heute muss man konstatieren, dass die Appelle von 1972 leider an Dringlichkeit zugenommen haben – weltweit, aber auch in der Schweiz.
Klimaschutz: Haben wir noch genügend Zeit?
Am ersten Tag des SGES 2022 vermittelte etwa Katrin Schneeberger, Direktorin des Bundesamts für Umwelt BAFU, einen Überblick über den Status der Kreislaufwirtschaft in der Schweiz. Obwohl schon viel getan wird, bestehe noch viel Luft nach oben: So hätten erst 12 Prozent aller Schweizer Unternehmen eigene zirkuläre Aktivitäten in ihrem Geschäft. Erst 9 Prozent investieren mehr als 10 Prozent in die Kreislaufwirtschaft. Und ebenfalls erst 12 Prozent der Schweizer Unternehmen erwirtschaften über 10 Prozent Umsatz mit zirkulärer Wirtschaft. Beim Thema Klimaschutz feuerte Nationalrat Jürg Grossen eine Breitseite gegen den Bundesrat ab. Dieser habe es verpasst, die Weichen rechtzeitig zu stellen und müsse nun laufend mit Notmassnahmen agieren. Jürg Grossen sieht gerade in der Digitalisierung die grössten Chancen: Dank smarter Technologie lässt sich bis zu 80 Prozent Energie einsparen, wie er anhand seines eigenen Firmengebäudes darlegte. «Darüber muss man reden, nicht über mehr Energieproduktion», so Grossen. Ein Zeichen dafür, wie sprichwörtlich aufgeheizt die Diskussion derzeit ist, war wohl auch die Aktion einiger Klima-Aktivisten. Sie stürmten kurzerhand die Bühne und forderten den Diskussionsteilnehmer Juan Beer, CEO der Zürich Versicherung, auf, dass sein Unternehmen sämtliche Investitionen in Öl und Gas auf der Stelle aufgeben soll. «Wir befinden uns in einer Transition, und diese braucht Zeit», so Beers Replik, wobei er betonte, dass erste Schritte für einen Ausstieg aus Öl und Gas bereits erfolgt seien.
Bestehende Narrative funktionieren nicht mehr, wie David Schärer von Rod Kommunikation ebenfalls am ersten Tag des Symposiums betonte. Unternehmen müssen sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung noch bewusster werden. Beispiele dafür gibt es immer mehr. Eine Pionierin auf diesem Gebiet ist etwa die Migros, die mit ihrem Kulturprozent jedes Jahr beträchtliche Summen in das gesellschaftliche und kulturelle Leben investiert.
Klimaschutz in Unternehmen: Noch viel zu tun
Wie viel Mut und Verantwortung für sichere und nachhaltige Energien notwendig sind, wurde am zweiten Veranstaltungstag vertieft. Auch die Frage, wie eine globale und nachhaltige Schweiz durch mehr Zusammenarbeit erreicht werden kann, wurde erörtert. Wie auch am ersten Tag fanden diverse Innovationsforen statt, welche Kreislaufwirtschaft, Klimaschutz und gesellschaftliche Verantwortung mit Fokus auf einzelne Branchen behandelten. So ging es etwa um Energiemanagement in Gebäuden, um urbane Logistik, um nachhaltige Finanzierungsinstrumente, um Nachhaltigkeitskommunikation oder um konkreten Klimaschutz in Unternehmen. In diesem Zusammenhang wurde die Swiss Climate Action Initiative (SCAI) vorgestellt. Diese hat zum Ziel, u.a. einen Leitfaden für KMU zu entwickeln, anhand dessen diese ihre eigene Roadmap zur Erreichung der Klimaziele erarbeiten können. Auch ein Klima-Informations-Cockpit sowie die Umsetzung von Klimaschutz entlang der gesamten Lieferketten stehen im Fokus der Initiative.
Nächstes SGES: 6./7. September 2023
Neben den Referaten und den Innovationsforen fand eine kleine Ausstellung statt mit 16 teilnehmenden Organisationen. Dabei ging es um unterschiedliche Innovationen für den Weg, einzelne der 17 Nachhaltigkeitsziele der UNO zu erreichen. So wurden z.B. Lösungen aus Biokunststoff gezeigt, nachhaltige Baustoffe sowie Beratungs- und Weiterbildungsangebote. Mit insgesamt 250 Referierenden, 16 Innovationsforen und 11 Keynotes wurde das SGES dem Anspruch, der umfassendste Wirtschaftsgipfel der Schweiz in Sachen Green Economy zu sein, durchaus gerecht. Dennoch konnte man zuweilen immer noch den Eindruck erhalten, sich in einer «Blase von Gleichgesinnten» zu bewegen, für die die Richtung klar ist: Den Worten müssen jetzt Taten folgen. Ideologisch gefärbte Blitzaktionen oder konsequente Obstruktionspolitik sind da aber wenig zielführend. Dennoch stimmte an den beiden Symposiumstagen die Richtung des Ziels Nr. 17 der UNO-Agenda 2030: «Umsetzungsmittel stärken und die globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung mit neuem Leben füllen». Das nächste Swiss Green Economy Symposium findet am 6./7. September 2023 statt.