Strategien gegen die Desinformation zum Klimawandel

Um verheerende Auswirkungen des Klimawandels abzuwenden, müssen wir unseren Lebensstil ändern. Lance Bennett, Professor für Politikwissenschaft und Kommunikation an der University of Washington und derzeit Senior Fellow am IASS, erklärt, wie bessere Kommunikation den notwendigen Kurswechsel vorantreiben kann.

W. Lance Bennett ist ein amerikanischer Politikwissenschaftler. (Bild: zVg)

Warum sollten wir uns mehr auf Kommunikation konzentrieren als auf konkrete Probleme wie Fleischkonsum oder Recycling?

Wir wissen eine Menge über die politischen und wirtschaftlichen Veränderungen, die für eine lebenswertere Zukunft notwendig sind. Es scheint momentan aber ein Kommunikationsmodell zu fehlen, das Bürgern, zivilgesellschaftlichen Organisationen, fortschrittlichen Thinktanks und politischen Parteien hilft, sich besser abzustimmen.

Dann fehlt es also sowohl Experten wie auch Persönlichkeiten, siehe Greta Thunberg, an einer Kommunikations-Strategie?

Umweltaktivisten können gut über Umweltprobleme reden, es mangelt ihnen aber an einer umfassenderen politischen Strategie und einer starken Botschaft zur Wirtschaft. Das ist ein Problem, denn wenn man die Umweltkrise lösen möchte, kann man wirtschaftliche Bedürfnisse und politische Realitäten nicht ausser Acht lassen.

Die Kommunikation von Klimapolitik wird angesichts zunehmender organisierter Angriffe auf die Klimaforschung nicht einfacher.

Es ist doch nichts Neues, dass die Allgemeinheit hinter jeder extremen Meinung Selbstprofilierung, hinter jeder Umweltmassnahme Greenwashing sehen. Hätten Sie aktuelle Beispiele?

Ich denke da an einige soziale Konflikte: Sowohl an politische Bewegungen – zum Beispiel Gruppen, die die Einwanderung bekämpfen oder Fracking verteidigen – als auch von spezifischen Politikern und Lobbies wird Desinformation betrieben.

Anders als die nationalistische Rechte haben Nachhaltigkeitsakteure mächtiges Wissen auf ihrer Seite. Es besteht aber ein erheblicher Mangel an Koordination zwischen Sektoren, Forschungsinstituten, Think Thanks, etc.. Das resultiert in eine schlechte Kommunikation, die all dieses wissenschaftliche Wissen wirkungslos macht.

Allerdings kann man in einer Demokratie auch Politikern stimmen geben. Darüber hinaus kursieren ja vielerlei Berichte zu Umweltthemen auf Social Media. Was verstehen Sie in diesem Kontext unter Leadership?  

Ohne die Verbindung von Unternehmern und Unternehmerinnen zu gewählten Politikern würde die Desinformation über den Klimawandel, globalistische Verschwörungen und andere nationalistische Themen in den täglichen Nachrichten nicht so sehr um sich greifen. Nur können Influencer und Journalisten nicht aufhören zu berichten, was Donald Trump, Jair Bolsonaro oder Alexander Gauland tun und lassen.

Darum brauchen wir eine Umweltbewegung, die aufhört, sich Einzelinteressen zu widmen und gegen andere einzelne Gruppen vorzugehen. Es geht nicht darum jedes Problem oder jene Lösung zu propagieren.

«Es geht nicht darum jedes Problem oder jene Lösung zu propagieren.»

Was können Umweltverantwortliche denn anders tun?

Was fehlt, ist ein umfassendes Wirtschaftskonzept, für das sich politische Parteien und Entscheidungsträger einsetzen können. Zu diesem Zweck müssen sich jedoch führende Organisationen, Thinktanks und Geldgeber um Ideennetzwerke bemühen.

Zuerst einmal müssen sie positivere Wirtschaftsvorstellungen entwickeln. Vorstellungen, in denen Investition und Wachstum sowie Ressourcenverbrauch, Abfallverwertung und sozialer Wohlstand besser gegeneinander abgewogen sind.

 Haben Sie in jüngster Zeit Entwicklungen beobachtet, die wirtschaftliche, politische und ökologische Ziele erfolgreich miteinander verbinden? 

Der Green New Deal, über den in den USA und bei einigen Grünen in Europa diskutiert wird, ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Überschneidungen zwischen Politik, Wirtschaft und Umwelt funktionieren können. Diese einfache Idee schafft ein positives Bild von Arbeitsplätzen, Familie und Gemeinschaft in produktiven Wirtschaftssystemen, die für den Menschen und den Planeten besser sind. Solche Ideen haben – vor allem bei der jüngeren Bevölkerung – eine viel stärkere Wirkung, als wenn  immer nur wegen eines sterbenden Planeten die Alarmglocke geläutet wird oder eng gefasste und negativ klingende Lösungen wie CO2-Steuern präsentiert werden, die viele Wähler vergraulen.

Eine bessere Kooperation ist also der Schlüssel für die Umsetzung einer ambitionierteren Klimapolitik?

In gewisser Weise ist das ein Modell für die Entwicklung von öffentlichem Willen und politischer Macht hinter einer zersplitterten Umweltbewegung, die politisch viel mehr bewirken könnte, als sie es tut. In den meisten Nationen macht sich ein Grossteil der Bevölkerung bereits Gedanken über die Probleme, mit denen wir konfrontiert sind. Die Aufsplitterung der Umweltschützer in so viele Gruppen lässt die Bewegung aber zu einer Ansammlung eng gefasster Interessen im Kampf um politischen Raum werden.

Unterdessen können gut organisierte Wirtschaftsvertreter und vorsichtige Politiker einfach sagen, dass alle diese konkreten Umweltmassnahmen der Wirtschaft schaden würden. Nachdem man jahrelang so viel Boden verloren hat, könnte sich eine rationalere Bewegung der Entwicklung besserer wirtschaftlicher Ideen und Kommunikationsstrategien widmen.

Es ist an der Zeit, stärkere Kommunikationsnetzwerke zu entwickeln. Deren Schwerpunkt sollte auf Wirtschaftssystemen liegen, die in nachhaltigere Gesellschaften investieren und Konsum und Abfall vorbildlich managen.

Die Wissenschaft wird von vielen Seiten angegriffen. Die Aufgabe der Wissenschaftler besteht aber darin, gute Informationen zu liefern und nicht, politische Strategien zu entwickeln. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse mit den Hauptursachen der Nachhaltigkeitsprobleme in Zusammenhang zu setzen, ist die Aufgabe von NGOs, Geldgebern, Aktivisten und politischen Entscheidungsträgern. Sie müssen klarere Visionen entwickeln, wie die Menschen in der Zukunft arbeiten und in Wohlstand leben können.

 

Über die IASS

Das Institute for Advanced Sustainable Studies IASS forscht mit dem Ziel, Transformationsprozesse hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft aufzuzeigen, zu befördern und zu gestalten, in Deutschland wie global. Der Forschungsansatz des Instituts ist transdisziplinär, transformativ und ko-kreativ: Die Entwicklung des Problemverständnisses und der Lösungsoptionen erfolgen in Kooperationen zwischen den Wissenschaften, der Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft. Ein starkes nationales und internationales Partnernetzwerk unterstützt die Arbeit des Instituts. Zentrale Forschungsthemen sind u.a. die Energiewende, aufkommende Technologien, Klimawandel, Luftqualität, systemische Risiken, Governance und Partizipation sowie Kulturen der Transformation.

iass-potsdam.de

 

 

 

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