Es bewegt sich was: Wie Nachhaltigkeit in der Schweizer Politik ankommt
Nachhaltigkeit wird in der Schweizer Politik zunehmend berücksichtigt, gewisse Hürden erschweren den Prozess jedoch weiterhin. Im Juni wurde immerhin ein indirekter Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative vom Nationalrat befürwortet.
In letzter Zeit hat die Konzernverantwortungsinitiative (KoVI) und ihr Gegenvorschlag die Schweizer Politik, respektive die ParlamentarierInnen in Bern stark beschäftigt. Nach einer fünfstündigen Diskussion über zahlreiche Missstände, die von Schweizer Unternehmen und ihren Tochtergesellschaften im Ausland verursacht werden (Vergiftung durch Pestizide, Kinderarbeit, Abholzung usw.), sprach sich der Nationalrat am 13. Juni erneut für einen indirekten Gegenvorschlag aus (109 gegen 69 Stimmen bei 7 Enthaltungen).
Seit einem Jahr jonglieren die ParlamentarierInnen mit der Initiative und ihrem Gegenvorschlag, der im März vom Ständerat abgelehnt wurde. Dieses Mal haben aber die SVP und FDP nicht eine eindeutig mehrheitliche Ablehnung geäussert, was zur Befürwortung führte. Als Unterstützer des Gegenvorschlags begrüsst öbu, der Verband für nachhaltiges Wirtschaften, diese Entscheidung.
Die Konzernverantwortungsinitiative zu wenig weit?
Die soziale und ökologische Verantwortung der Unternehmen soll gesetzlich geregelt werden. Auch die Schweizer Bevölkerung würde die Regulierung der Konzernaktivitäten befürworten, zeigt eine Studie der ETH. Allerdings ist die Umsetzung auf nationaler Ebene problematisch. Solch ein Entscheid könnte zu einer Benachteiligung der Schweizer Wirtschaft führen, behaupten die Gegner der Initiative. Deswegen scheint bis jetzt eine Einigung des Nationalrates mit dem Ständerat noch immer schwierig.
Die Befürworter des Gegenvorschlags sind in zwei Lagern gespaltet: Die, die für strenge Haftungsregelungen plädieren (SP, Grünen, EVP), und die, die den Gegenvorschlag zu extrem finden, obwohl sie Regeln für sinnvoll halten (CVP, GLP, BDP). Der indirekte Gegenvorschlag wird von einigen Parteien abgelehnt, weil er die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Unternehmen und Arbeitsplätze direkt beeinträchtigen würde, so die SVP und FDP.
Nach der Sommersession 2019 der eidgenössischen Räte ist wieder der Ständerat dran: Im Herbst 2019 wird er erneut über den indirekten Gegenvorschlag entscheiden.
Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen
Auch in einem anderen Bereich weht ein frischer Wind: Das Parlament hat am 21. Juni das Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) verabschiedet. Dieser Schritt ist das Ergebnis eines über viele Jahre von einer NGO-Koalition (u.a. Public Eye, Brot für alle, Helvetas, Swiss Fair Trade usw.) angestossenen Revisions-Prozesses.
Als Grosskonsument wird von der öffentlichen Hand ein Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung verlangt, da Bund, Kantone und Gemeinden 40 Milliarden Franken jährlich für Güter ausgeben, die im Ausland produziert werden. Um durch sein Konsumverhalten als Vorbild zu dienen, ist der Bund nach der Revision durch gültige Zweckartikel gesetzlich verpflichtet, Beschaffungen zu tätigen, die umweltschonend, sozial verantwortungsvoll und gesundheitsverträglich sind.
Allerdings hat das Parlament das Gesetz auch um ein weiteres Kriterium ergänzt, welches die Berücksichtigung von unterschiedlichen Preisniveaus in den Produktionsländern verlangt. Einige NGOs, darunter Public Eye, befürchten nun, dass somit der Nachhaltigkeitsanspruch der Wettbewerbsfähigkeit geopfert werden würde, da günstige Produktionsprozesse oft zu schlechten Arbeitsbedingungen sowie umweltschädlichen Aktivitäten führen würden.
Wie weiter?
Der Weg zu einer erfolgreich eingebetteten und wirksamen Nachhaltigkeitsstrategie in der Schweizer Politik ist noch lang – sei es auf der Seite des BöB oder beim Gegenvorschlag zur KoVI. Nichtsdestotrotz werden Massnahmen ergriffen. Weiter so, sagt öbu! Wir unterstützen den Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative.
Die Arbeitsgruppe “Sustainable Supply Chain” hat öbu in Kooperation mit Global Compact Network Switzerland ins Leben gerufen, um Kenntnisse und Sensibilisierung u.a. zu Menschenrechtsschutz in der Lieferkette zu verbreiten. Wenn Sie ein produzierendes Unternehmen sind und in einer geschlossenen Gruppe mit Gleichgesinnten an der Verbesserung der Nachhaltigkeit in ihren Lieferketten arbeiten wollen, dann melden Sie sich bei weiss@oebu.ch
Die öbu Stellungnahme lesen Sie hier.