EU-Aktionsplan zur nachhaltigen Wirtschaft

Vor mehr als einem halben Jahr (am 8. 3. 2018) hat die EU-Kommission einen Aktionsplan vorgelegt. Die Grundlage für „Financing Sustainable Growth“ zeigt erste kleine Früchte. Nicht zuletzt, weil die EU-Experten ihren längerfristigen Zielhorizont jetzt unter Berücksichtigung von Klimawandel, Energiewende und sozialen Faktoren anpassen möchten.

Zur Umsetzung der EU-Vorschläge sind weitreichende, auch gesetzgeberische Massnahmen notwendig. (Bild: depositphotos)

Der EU-Aktionsplan soll die europäische Finanzwirtschaft stärker auf die Finanzierung eines längerfristigen, nachhaltigen Wachstums ausrichten. Dies erfordert weitgehende, auch gesetzgeberische Massnahmen in Bezug auf Berichterstattung, Bilanzierung, Regulierung und Unternehmensführung.

Grundlage des anfangs März 2018 vorgestellten Aktionsplans ist der im Januar vorgelegte Schlussbericht einer hochrangigen Expertenkommission, der „High-Level Expert Group on Sustainable Finance“ (HLEG), deren Empfehlungen weitgehend übernommen wurden.  Seit ein paar Wochen ist nun ein deutlich gestiegenes Interesse zu verzeichnen.

Vorschläge der Expertengruppe

Zur Umsetzung der Vorschläge sind weitreichende, auch gesetzgeberische Massnahmen notwendig, die Bilanzierung, Corporate Governance, Risikomanagement und regulatorische Schritte beinhalten. Insbesondere muss der Zeithorizont bei der Bilanzierung und der Erfassung von Risiken deutlich ausgedehnt werden, um beispielsweise die Auswirkungen von Klimawandel und Energiewende angemessen abzubilden.

Der Aktionsplan in Kürze:

Im Folgenden der Versuch, den auf zwanzig Seiten skizzierten Plan der EU-Kommission in Kürze und in Hinblick auf seine praktischen Auswirkungen für die Kreditwirtschaft zusammenzufassen:

 

  1. Klassifizierung von wirtschaftlichen Aktivitäten bezüglich ihres Beitrags zu einer nachhaltigen Entwicklung („Taxonomie“)

Dabei sollen vor allem die Kriterien Klimawandel, Umweltwirkungen und soziale Wirkungen angewendet werden. Zunächst werden der Klimawandel und die Energiewende im Fokus einer technischen Expertengruppe stehen

 

  1. Standards/Gütesiegel für „grüne“ Finanzprodukte

Zunächst zielt die Kommission auf die Standardisierung „grüner“ Anleihen, sogenannten Greenbonds. Später sollen andere Produkte auf der Grundlage der Taxonomie geprüft werden

 

  1. Förderung von Investitionen in nachhaltige Projekte

Aufbau von Beratungskapazitäten für nachhaltige Infrastrukturprojekte in der EU und den Nachbarländern

 

  1. Aufnahme von Nachhaltigkeit in die Finanzberatung

Modifikation der Vertriebsrichtlinien für Banken (MiFID II) und Versicherungen (IDD, Insurance Distribution Delegated Acts). Anm.: Diese Punkte waren in der Expertenempfehlung nicht so deutlich enthalten

 

  1. Qualitätsmassstäbe für Nachhaltigkeit

Schaffung von mehr Transparenz und Vergleichbarkeit von Nachhaltigkeitskriterien

 

  1. Bessere Integration von Nachhaltigkeit in Ratings und Marktresearch

Relevanz für Kreditwürdigkeit (Credit Rating) und Methodik von Nachhaltigkeitsratings

 

  1. Klärung der Pflichten von Investoren und Vermögensverwaltern

Im Expertenbericht wurde klar eine „treuhänderische Pflicht“ von Investoren für zukünftige Generation gefordert. Verfassungsrechtlich ist diese aber kaum verankert, z.B. fehlen entsprechende Nachhaltigkeitsanforderungen im deutschen Grundgesetz

 

  1. Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien bei Risikomanagement und Regulierung

Im ersten Schritt werden vor allem Klimarisiken und die Energiewende im Fokus stehen. Konkret ist dies die Umsetzung der Vorschläge der vom Financial Stability Board eingesetzten Taskforce TCFD (Task force for climate-related financial disclosures).

 

Einige Aufsichtsbehörden wie die Deutsche Bundesbank haben dies ausdrücklich gefordert, die niederländische Zentralbank hat bereits einen Stresstest für Klimarisiken bei Banken avisiert

 

  1. Ausweitung der Berichterstattungs- und Bilanzierungspflichten

Hier sind weitreichende Anpassungen in Hinblick auf die Wesentlichkeit in der Berichterstattung und vor allem auch auf den Zeithorizont bzw. Zukunftsbezug erforderlich.

 

  1. Verstärkung von Nachhaltigkeitsaspekten in der Unternehmensführung und Kapitalmarktkommunikation

Die Unternehmensleitungen sollen auf die Formulierung und Veröffentlichung von Nachhaltigkeitsstrategien verpflichtet werden. Der Druck der Kapitalmärkte zu kurzfristigem Handeln in den Unternehmen könnte nach den Vorstellungen des Aktionsplans u.a. durch Halteperioden und Umschlagsbegrenzungen für Vermögensverwalter reduziert werden.

Unter der Voraussetzung, dass das europäische Parlament dem Aktionsplan folgt, werden die Massnahmen gegebenenfalls innerhalb weniger Monate wirksam, etwa durch Anpassungen von MiFID II (Banken) und IDD (Versicherungsvertrieb) Regulativa. Es war zu erwarten, dass die EU-Kommission in diese Richtung tätig wird, allerdings werden wohl Teile der Kreditwirtschaft überrascht sein, wie schnell und weitreichend die Eingriffe sein können.

Mehr Einzelheiten zu den Auslegungen des EU-Aktionsplans finden Sie hier (in Englisch) oder auch hier 

 

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