Grosse Flächen der Becken für Solarfaltdach nutzen
Die Solarenergie verfügt auf den Kläranlagen über beträchtliche Potenziale. Deshalb lohnt es sich für die Abwasserverbände und die entsprechenden Gemeinden, insbesondere die grossen Flächen über den Becken für den Einsatz eines Solarfaltdaches zu prüfen. Die Technologie hat sich bei diversen Anlagen als praktikable und wirtschaftliche Lösung herausgestellt.
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Solaranlagen werden bei Gebäuden, Scheunen in der Landwirtschaft, an Lärmschutzwänden der Autobahnen, an Staumauern, ja sogar mitten in Stauseen installiert. Da eignen sich doch auch die grossen Flächen der Wasserbecken auf den Kläranlagen, zumal diese meist etwas abseits gebaut wurden und landschaftlich wenig sensibel sind, überlegten sich Andreas Hügli und Gian Andri Diem. Sie liessen sich auch nicht aufhalten, als die Kläranlagenbetreiber erklärten, dass der Zugang zu den Becken bei Sanierungen oder Betriebsarbeiten weiterhin gewährleistet werden muss. Hügli und Diem gründeten 2015 die Firma dhp technology AG und begannen, ein einziehbares Faltdach zur Solarenergienutzung weiterzuentwickeln, welches sich für diese anspruchsvollen Anforderungen eignet. Nach zwei Jahren wurde das erste Solarfaltdach auf der Kläranlage in Chur realisiert, inzwischen wurden elf Anlagen ausgeliefert, 30 Anlagen sind in der Planung, fünf davon in Deutschland. Doch damit nicht genug, auch Parkflächen eignen sich sehr gut für die Solarproduktion. Auf dem Parkplatz der Bergbahn auf den Kronberg wurde ein Solarfaltdach installiert, es versorgt die Elektromobilität mit erneuerbarem Strom und spendet zudem den Autofahrern an heissen Sommertagen Schatten.
Solarfaltdach, eine Schweizer Innovation
Die Anlageteile des Solarfaltdaches werden vom genannten Unternehmen in eigener Produktion zusammengebaut und auf den Kläranlagen zusammengesetzt. Auch den Betrieb des Solarfaltdaches und die permanente Überprüfung per digitalem Monitoring übernehmen die Spezialisten der Firma und können so einen sicheren Betrieb gewährleisten und die Stromproduktion ständig optimieren. Hügli und Diem sind von ihrem Produkt überzeugt; das zeigt sich auch darin, dass sie auf die Solarmodule eine Garantie von 25 Jahren geben.
Und was sagen die Kläranlagenbetreiber?
«Die Anlage funktioniert ohne Probleme, das Solarfaltdach fährt ein und aus, wenn es soll, und es deckt wie geplant 20% unseres Stromverbrauches», konnte Curdin Hedinger von der ARA Chur bereits über die erste Pilotanlage berichten. Dies bestätigt auch der Betriebsleiter Markus Wendler von der ARA Davos, denn in den Bergen kann vor allem im Winter, wenn der Strombedarf gross ist, mehr Solarstrom produziert werden als im Unterland: «Auch bei Schneefall bleibt das Faltdach dank dem wettergesteuerten Einfahrmechanismus geschützt und kann danach bereits mit den ersten Sonnenstrahlen wieder Strom liefern.» Besonders schätzen die Kläranlagenbetreiber, dass an heissen Tagen, die immer häufiger auftreten, das Personal unter dem Solarfaltdach vor Hitze geschützt wird und sich die Abwasserreinigung verbessert, da durch den Schatten das Algenwachstum in den Nachklärbecken zurückgeht.
Konkretes Beispiel ARA Bassersdorf
Die Verantwortlichen der ARA Bassersdorf liessen durch die Fachspezialistin Simone Bützer vom Ingenieurbüro Hunziker Betatech AG 2019 die Möglichkeiten der Solarenergie abklären. Die Untersuchungen zeigten, dass mit dem Solarfaltdach über den Becken der Biologie, der Vor- und Nachklärung 261’000 kWh/a Strom erzeugt werden können, auf den Dächern der diversen, zum Teil kleinen Gebäude 61’000 kWh/a sowie am Zaun 23’000 kWh/a. Bei der Nutzung aller möglichen Flächen ergibt dies insgesamt eine Stromproduktion von 345’000 kWh/a, was 33% des gesamten Strombedarfes der ARA entspricht, inklusive des beträchtlichen, zusätzlichen Stromverbrauchs für die Elimination der Mikroverunreinigung (EMV). In einem zweiten Schritt wurde aufgrund einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung eine Vorauswahl getroffen. Für eine Photovoltaikanlage (PV) auf dem grössten Dach der diversen Gebäulichkeiten, dem Betriebsgebäude, wurden die Gestehungskosten (Annahme: 25–30 Jahre, 0–2% Zins, inkl. Betriebskosten und Berücksichtigung der aktuellen Förderung) auf 13 bis 15 Rp./kWh berechnet und für das Solarfaltdach (ohne Vorklärbecken) auf 15 bis 17 Rp./kWh. Damit können rund drei Viertel des gesamten Solarpotenzials genutzt, jährlich 250’000 kWh/a erneuerbarer Strom erzeugt und 23% des gesamten Strombedarfs der ARA abgedeckt werden (vgl. Grafik 1 unten).
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Interessant an den Abklärungen war zudem, dass die Gestehungskosten bereits in den vergangenen vier Jahren um rund 15% bei den PV und sogar um rund 40% beim Solarfaltdach gesunken sind. Denn in der ersten Studie im Jahre 2015 mit einer massiven Stahlkonstruktion über den Becken beliefen sich die Amortisationskosten noch auf 26 bis 30 Rp./kWh. Es darf angenommen werden, dass diese Tendenz von sinkenden Kosten – wenn auch verlangsamt – anhalten wird. Zudem lässt sich mit einer West-Ost-Auslegung ein Ausgleich der solaren Stromproduktion erzielen und durch Vorhersagetools zum Wetter der nutzbare Anteil für den Eigenstromverbrauch der Kläranlage steigern.
Kosten und Wirtschaftlichkeit
Die Wirtschaftlichkeit der Solaranlagen hängt einerseits von den Investitions- und Betriebskosten ab. Beim Solarfaltdach spielen die Grösse der Anlage und der Untergrund für eine sichere Statik der vergleichsweise leichten Stahlkonstruktion eine wichtige Rolle. Andererseits hängt die finanzielle Einsparung durch die Stromproduktion sehr stark vom nutzbaren Anteil für den eigenen Strombedarf, den Preisen für den Stromeinkauf oder die Rückspeisetarife ab, die heute oft noch tief sind. Dabei genügt es nicht, nur die heutigen Strompreise zu betrachten.
Berücksichtigt werden muss, dass die Strompreise in den nächsten 25 bis 30 Jahren steigen dürften. Und nicht zu vergessen sind die diversen Fördermöglichkeiten (u.a. vom jeweiligen Kanton, www.pronovo.ch). Neben den finanziellen Aspekten gilt es, den gesamten Nutzen zu berücksichtigen, denn die öffentliche Hand hat eine Vorbildfunktion, das Personal profitiert vom Schatten sowie Wetterschutz und der Klärbetrieb vom geringeren Algenwachstum.
Potenziale in der Schweiz
Die Kläranlagen in der Schweiz verbrauchen unter Einbezug des Bedarfs für die Elimination der Mikroverunreinigung jährlich rund 500 Mio. kWh Strom und gehören zu den grössten kommunalen Stromverbrauchern. Rund 20% davon wird durch die eigene Stromproduktion mittels Blockheizkraftwerke (BHKW) mit Klärgas abgedeckt. Durch betriebliche Steigerung der Klärgasmenge, verbesserte Wirkungsgrade der BHKW kann dieser Anteil noch erhöht und andererseits durch Stromsparmassnahmen der Fremdstrombezug, der bezahlt werden muss, noch weiter gesenkt werden. Eine erste grobe Hochrechnung von InfraWatt hat ergeben, dass mit dem Solarfaltdach über den Becken und PV auf den Dächern der Gebäude die Kläranlagen nochmals rund 110 Mio. kWh/a Strom erzeugt werden könnte (vgl. Grafik 2). Alleine die Umsetzung der Solarpotenziale entspräche vergleichsweise dem Stromverbrauch von allen kommunalen Verwaltungsbauten in der Schweiz und würde den Kläranlagen bei zukünftigen Strompreisen von 20 Rp./kWh über die nächsten 25 Jahre Einsparungen von 550 Millionen Franken einbringen. Dafür lohnen sich auch entsprechende Investitionen in Energiemassnahmen.
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Fazit
Bei Kläranlagen über 10’000 bis 20’000 Einwohnerwerten lohnt es sich, die Option Solarfaltdach zu prüfen. Eine Photovoltaikanlage auf oder an Gebäuden macht sich auch schon bei kleineren Kläranlagen bezahlt. Die Technologien haben sich in der Praxis bewährt und können wirtschaftlich interessant sein. Eine kürzlich veröffentlichte Studie des Kantons Schaffhausen kommt zum Schluss (www.sh.ch), dass die Infrastrukturanlagen vermehrt zur Solarenergie genutzt werden könnten, wobei insbesondere bei Parkplätzen und Kläranlagen rasch und kostengünstig konkrete Projekte mit dem Solarfaltdach realisierbar sind.
Autor
Ernst A. Müller, InfraWatt, Verein für die Energienutzung aus Abwasser, Abfall, Abwärme und Trinkwasser.