Die Schweiz auf dem Weg einer langfristigen Klimastrategie

Die Schweiz will ihre klimapolitische Verantwortung wahrnehmen: Der Bundesrat beschloss das Netto-Null-Ziel bis 2050 und reichte seine Strategie der UNO-Klimakonvention ein. Dieses Thema wurde anlässlich des 1. Energiewende-Kongresses vom Mai von kompetenten Persönlichkeiten mit Zielsetzungen, Hintergründe und Massnahmen präsentiert.

Zum Beispiel schwimmende Solarpanels: Der so gewonnene Solarstrom ist billiger als Strom aus neuer Wasserkraft. © Depositphotos, tomwang

Der Ort, an dem 1. Energiewende-Kongress stattfand, war klug gewählt: Die Expertenrunde diskutierte in der Werkhalle der Jenni Energietechnik AG in Oberburg bei Burgdorf – das Publikum hörte via Bildschirm zu. Trotz kontroverser Meinungen zeigt das Ergebnis, dass es noch erhebliche Anstrengungen braucht, um das gesetzte Netto-Null-Ziel bis ins Jahr 2050 zu erreichen. Immerhin gibt es einen klaren Trend, wohin die Zukunft geht. Das Zeitalter von Kohle und Erdöl geht bald zu Ende. Daher ist es wichtig, dass die Schweiz beim Klimaschutz nicht abgehängt wird. Um das Netto-Null-Ziel zu erreichen, braucht es eine schnelle und umfassende Reduktion der inländischen Treibhausgasemissionen. Momentan ist das Alpenland bei der Reduktion der CO2-Emissionen stark im Rückstand. Die Zielvorgabe werde in allen Bereichen nicht erreicht, speziell Gebäude und Strassenverkehr müssten nahezu frei von fossilen Emissionen werden, sagte Andrea Burkhardt, Chefin der Abteilung Klima des Bundesamtes für Umwelt (vgl. hier)

Die Klimadebatte beflügelt die Solarunternehmen, die ausgelastet sind und Fachkräfte suchen. Photovoltaik, die billigste erneuerbare Energiequelle, werde aber vom Bund stiefmütterlich behandelt, so die vorherrschende Meinung 1. Energiewende-Kongress. Um die Winterstromlücke mit Solarenergie auszugleichen, brauche es zudem den vermehrten Einsatz von Speichermöglichkeiten. Die CO2-Kompensationspflicht hingegen sollte klimafreundliche Investitionen auslösen.

Netto-Null-Ziel: realistisch und machbar

Der Weg in eine klimaneutrale Zukunft muss international breit abgestimmt sein. Ein schweizerischer Alleingang sei zu verhindern, denn nur so könne der Klimaschutz erfolgreich betrieben und ein Wettbewerbsnachteil für die Schweiz umgangen werden, so die einhellige Meinung am 1. Energiewende-Kongress. Ziele allein nützen nichts, es brauche Massnahmen, entsprechende Rahmenbedingungen sowie Eigeninitiative und Kreativität seitens Wirtschaft und Forschung. Etliche Fachleute bemängelten die fehlenden Rahmenbedingungen, die Weichen seien noch nicht richtig gestellt. Deshalb habe man auch die Klimaziele von 2020 noch nicht erreicht.

Die Wirtschaft ist Teil der Lösung der Klimaproblematik. Sie will aber eine effektive, kostenwirksame und wirtschaftsverträgliche Umsetzung, ohne dabei Schaden für die Standortattraktivität zu riskieren. Die Ursachen der Treibhausgasemissionen sind bekannt. Es handelt sich hauptsächlich um die Bereich Transport, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft und Industrie. Global gesehen gelangen jährlich 48 Milliarden Tonnen klimarelevanter Emissionen in die Atmosphäre und die Schweiz ist mit 46 Millionen Tonnen oder 0,9 Promille daran beteiligt. Die Organisation Klimastreik mit ihrem Aktionsplan (Climate Action Plan, CAP) verlangt deshalb eine schnellere Verminderung der Treibhausgasemissionen und mehr finanzielle Mittel für ärmere Länder. Die Schweiz müsste gemäss CAP schon 2030 auf Netto-Null sein.

Schwacher Ausbau neuer erneuerbarer Energien

Die Energiewende ist auch eine Frage der Speichermöglichkeit. Wärme vom Sommer in den Winter zu retten, ist heutzutage technisch machbar, jedoch werden viele solcher Projekte durch Bundesgerichtsentscheide verhindert. Josef Jenny, Inhaber der Gastgeberfirma: «Es braucht Taten von Unternehmern, denn der ständige Hinweis auf die Forschung bedeutet ein blosses Abwarten.»

Die Analyse von Rudolf Rechsteiner, herausgegeben von der Schweizerischen Energie Stiftung (SES), zeigt, dass sich Solar- und Windstrom in den letzten Jahrzehnten zu den günstigsten Technologien für die Stromproduktion entwickelt haben. Doch die Schweiz liegt beim Anteil des Wind- und Solarstroms auf dem schlechten Platz 24 in Europa. 2017 sank der Zubau an Photovoltaik gar auf den tiefsten Stand seit Einführung der kostendeckenden Einspeisevergütung vor zehn Jahren. Der Ausbau der Photovoltaik ist dringend nötig. Für eine solche Offensive würden sich Fassaden, Lärmschutzwände, Strassenränder, Lawinenverbauungen und Dächer bestens eignen. Jedoch gibt es regelmässig Opposition durch den Heimatschutz, der vor Gericht zieht – was die Experten am Kongress scharf kritisierten. Solaranlagen an Fassaden zum Beispiel könnten viel Strom im Winterhalbjahr liefern, aber beim Bundesamt für Energie gibt es kein Fassadenprogramm. Eine weitere Möglichkeit wären schwimmende PV-Panels auf Stauseen, so gewonnener Solarstrom ist billiger als Strom aus neuer Wasserkraft. Die einseitige Verteilung der Finanzmittel vom Bund wird ebenso bemängelt, denn neue Wasserkraft erhält doppelt bis viermal höhere Finanzierungsbeiträge als neuer Solarstrom, obschon letzterer bei vertikaler Ausrichtung der Solarpanels pro Franken Investition mehr Winterstrom liefern könnte als neue Laufwasserkraftwerke.

Entscheidend ist der politische Wille

Das anvisierte Klimaziel, die Treibhausgasemissionen um 90 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 zu senken, ist gemäss Fachleuten und Economiesuisse realistisch und machbar. Die noch verbleibenden 10 Prozent müssen mit negativen Emissionen sowohl im In- wie im Ausland ausgeglichen werden. Entscheidend jedoch ist der politische Wille, denn es braucht noch eine Vielzahl von Massnahmen und initiative Persönlichkeiten, die ihre Eigenverantwortung wahrnehmen. Der Aufruf des Kongresses: Mehr dezentrale Speicher und den Begebenheiten angepasste Rahmenbedingungen.

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