BioFach: 50’000 Kunden und keiner da zum Reden
Etwa 50.000 Menschen besuchen die Nürnberger Weltleitmesse BioFach am 12. bis 15. Februar 2020, doch am Stand der Firma Reckhaus treffen sie auf niemanden. Der "Insektentöter und Insektenretter" wolle nicht rumstehen, sondern handeln, verlautet die Standbeschriftung.
Der Biozidhersteller und Insektenflächenbauer Reckhaus lässt 2020 seinen Stand auf der Weltleitmesse BioFach in Nürnberg unbesetzt. „Wir stehen hier nicht rum, wir handeln“, schreit der leere Stand den Besuchern entgegen.
„Wir wollen lieber unsere Philosophie verdeutlichen, statt Produktdetails zu erklären“, so Dr. Hans-Dietrich Reckhaus, Initiator von Insect Respect und Geschäftsführender Gesellschafter der Reckhaus GmbH & Co. KG. Er selber sei diese Woche in Frankfurt statt in Nürnberg, um dort Kooperationspartnern zu erklären, warum er nicht in Nürnberg ist. Mit seinem Insect Respect Team organisiert er die nächsten grossen Tagungen für Insekten, bereitet Publikationen vor und plant die nächsten insektenfreundlichen Flächen.
In einem Brief an die Besucher, der am Stand 7-214 zu lesen ist, beschreibt Reckhaus, dass Insekten unabdingbar für ein gutes Leben auf der Erde seien: 40% aller Insektenarten sind gefährdet, in manchen Regionen ist ihre Zahl bereits um 80% zurückgegangen.
„Es ist Zeit zu handeln, statt zu reden“, so der Appell, und jeder könne mitmachen: Mit Insektenflächen auf ungenutzten Zufahrten, auf dem Lagerhallendach, im Industriegebiet. Jeder Quadratmeter zählt.
Weniger Konsum als Messebotschaft
Es könne nicht um immer mehr Konsum von Produkten gehen, so Reckhaus. Vielmehr müsse man als Unternehmer vor den ökologischen und sozialen Auswirkungen seiner
Produkte warnen. Reckhaus hat in der Konsequenz den Warnhinweis „Produkt tötet wertvolle Insekten“ auf seine Produkte aufgebracht – als erster Biozidhersteller weltweit.
Reckhaus strebt daher einen neuen Umgang mit Insekten an. Auslöser für den Unternehmenswandel und das weltweit einzigartige Ausgleichsmodell war der Dialog und die mehrmonatige Zusammenarbeit mit den Schweizer Konzeptkünstlern Frank und Patrik Riklin. Sie konfrontierten Dr. Hans-Dietrich Reckhaus 2011 mit der Frage: Wie viel Wert hat eine Fliege für dich als Insektenkiller? Ihre Forderung: Retten statt töten.
Die daraus entstandene Gegenstrategie mündete in einen Transformationsprozess und in die Entwicklung von „Insect Respect“. Den Höhepunkt bildete die gemeinsame Kunstaktion „Fliegen retten in Deppendorf“ (2012), die ein ganzes Dorf mobilisierte und eine Stubenfliege mit dem weltweit ersten Flugticket für ein Insekt in den Wellness-Urlaub ins Schloss Elmau führte. Heute agiert Reckhaus an vorderster Front der Insekten-Lobby, schreibt Bücher über das ambivalente Verhältnis von Mensch und Insekt, plant seine Mitarbeiter zu Landschaftsgärtnern umzuschulen und transformiert eine ganze Branche.
Hintergrund: Insekten
Ohne Insekten überlebt die Menschheit nicht
Es ist höchste Zeit, Insekten zu respektieren – gerade weil man sie manchmal bekämpft. Die Tiere übernehmen viele wertvolle Funktionen. Edward Wilson, der renommierte amerikanische Entomologe,
hat errechnet, dass die Menschen ohne Insekten nur wenige Monate überleben könnten. Doch Zahl und Vielfalt der Insekten sinken dramatisch: Über 40 % der Arten sind im Bestand gefährdet und 5 %
ausgestorben. In manchen Gebieten des deutschsprachigen Raums ist ihre Anzahl um bis zu 80 % zurückgegangen. (s. z.B. Studie in PLOS One)
Zehn gute Gründe, Insekten zu respektieren
1. Ökosystem: Insekten geben der Natur mehr Widerstandskraft.
2. Bestäubung: Insekten halten die Pflanzenwelt am Leben.
3. Kreislauf: Insekten sind ein wichtiger Teil der Nahrungskette.
4. Futter und Essen: Insekten sichern die Welternährung.
5. Hygiene: Insekten befreien uns von «Müll».
6. Böden: Insekten machen unsere Erde fruchtbar.
7. Kleidung: Insekten sind für die Textilproduktion unentbehrlich.
8. Industrie: Insekten produzieren Chemikalien.
9. Medizin: Insekten heilen.
10. Forschung: Insekten sind wissenschaftlich äusserst wertvoll.