Windenergie schadet Vögeln weniger als erwartet
Eine wissenschaftliche Studie der Vogelwarte Sempach zeigt, dass der Vogelschlag im Windpark Peuchapatte im Jura kleiner ist als erwartet - trotz überdurchschnittlichem Vogelzug am Standort. Der Branchenverband Suisse Eole hofft nun, dass dadurch der Ausbau der Windenergie neuen Aufschwung erhält.
Eine von der Vogelwarte Sempach im Auftrag des Bundesamts für Energie durchgeführte Studie kommt zum Schluss, dass pro Windenergieanlage jährlich rund 20 Vögel sterben.
Bemerkenswert ist, dass in Peuchapatte einerseits weder tote Vögel bedrohter Arten noch tote Greifvögel gefunden wurden. Dies, obwohl oft befürchtet wird, dass Windenergieanlagen gerade für Greifvögel eine besondere Gefahr darstellten.
Ausserdem liegt die Anzahl der Vögel, die zu Schaden kamen, sehr viel tiefer als sie beim Bau der Anlagen befürchtet wurde: Die Vogelwarte Sempach ging in ihrer Studie, die vor dem Bau des Windparks erstellt wurde, von 0 bis 1700 möglichen toten Vögeln aus. Skeptiker und Gegner der Windenergie verwenden in der Regel gerne den Wert von 1700 toten Vögeln, der, wie sich jetzt zeigt, fernab der Realität liegt.
„Diese Ergebnisse bringen den Vogelschutz und die Windenergie weiter“, freut sich Reto Rigassi, Geschäftsführer von Suisse Eole, der Vereinigung zur Förderung für Windenergie. „Sie zeigt exemplarisch und sehr klar, dass die Befürchtungen beim Vogelschutz mit der Realität oft wenig zu tun haben und zu falschen Schlussfolgerungen führen.“
Vögel erkennen Hindernis
Die kolportierte Zahl von 1700 getöteten Vögel pro Jahr ist eine rein theoretische Zahl: Sie geht davon aus, dass Vögel, insbesondere bei einem Vogelzug, einfach geradeaus in die Flügel der Windenergieanlage fliegen. „Die 20 pro Anlage festgestellten Schlagopfer zeigen, dass die grosse Mehrheit der Vögel die Windenergieanlagen sehr wohl wahrnehmen und sie umfliegen“, führt Reto Rigassi aus. Die Vögel sind folglich lernfähig und erkennen die Anlage normalerweise als Hindernis, das zeigen auch die Untersuchungen der Anlage Calandawind im Rheintal und Studien aus Deutschland.
Geld für Vogelschutz möglichst effizient einsetzen
Die grosse Differenz zwischen den theoretischen Werten der sehr kostspieligen Untersuchung vor dem Bau und den effektiven Resultaten der Studie während des Betriebs zeigt auf, dass theoretische Prognosen trotz erheblichem Aufwand oft sehr ungenau, wenn nicht gar unmöglich sind.
„Die Projektentwickler setzen dabei viel Geld ein, das der Vogelwelt kaum etwas nützt. Dieses könnte deutlich wirksamer eingesetzt werden, wenn anstelle von sehr umfassenden theoretischen Untersuchungen die realen Auswirkungen im Betrieb fundiert untersucht würden. Aufgrund dieser Ergebnisse könnten dann – wenn erforderlich – gezielt Massnahmen ergriffen werden. Das ist das sogenannte adaptive Management“, erklärt Windexperte Rigassi. In besonders sensiblen Gebieten sind genauere Untersuchungen zur Vogelwelt im Vorfeld des Baus von Windparks weiterhin angebracht.
Windenergie hilft auch den Vögeln
Suisse Eole ist sich bewusst, dass zahlreiche Vogelarten bereits bedroht sind und zusätzliche negative Einflüsse deshalb soweit möglich zu vermeiden sind. Die grösste Bedrohung der Vögel ist jedoch der Klimawandel: 75 % aller Vogelarten werden durch den Klimawandel bedroht. Windenergie liefert wertvollen Winterstrom, der Sonne- und Wasserkraft optimal ergänzt, so dass fossile Heizungen durch Wärmepumpen und Benzin- und Dieselfahrzeuge durch Elektromobile ersetzt werden können.
13 Millionen tote Vögel durch Verkehr, Katzen und Glasscheiben
Pro Jahr sterben in der Schweiz geschätzte 10 Millionen Vögel, weil sie auf Glasfassaden und Fensterscheiben prallen. Hauskatzen töten gegen 2 Millionen Vögel und im Strassenverkehr sterben jährlich rund 1 Million Vögel. Aus der Studie der Vogelwarte Sempach, die während des Betriebs des Windparks Peuchapatte erstellt wurde, geht hervor, dass jährlich pro Windenergieanlage 20 Vögel sterben, das sind gleich viele, wie eine Hauskatze jährlich durchschnittlich erbeutet. Hochgerechnet auf einen Ausbau der Windenergie entsprechend den Zielen der Energiestrategie 2050 des Bundes wäre mit jährlich maximal 20‘000 toten Vögeln zu rechnen.
Zur Studie
Die Studie fand zwischen Ende Februar und Mitte November 2015 am Standort Le Peuchapatte auf 1‘100 m ü.M. in der Gemeinde Muriaux (JU) statt. Dort stehen seit 2010 drei Windenergieanlagen vom Typ Enercon E-82 mit einer Gesamthöhe (inkl. Rotor) von rund 150 Metern. An insgesamt 85 Tagen wurde die Umgebung der Anlagen in einem Umkreis von 100 Metern (bzw. 50 Metern an 15 Tagen in den Sommermonaten) systematisch nach Schlagopfern abgesucht.
Für die Auswertung wurde die Sucheffizienz, die tägliche Verbleiberate der Vogelopfer und die Wahrscheinlichkeit berücksichtigt, dass ein kollidierter Vogel auf die untersuchte Fläche fällt. Die Berechnungen zur Bestimmung der absoluten Kollisionsraten erfolgten konservativ. Gleichzeitig wurde die Intensität des Vogelzugs kontinuierlich (24 Stunden pro Tag) 265 Tage lang (26.2.-17.11.2015) mit einem Radar des Typs BirdScanMT1 quantitativ erfasst.
Es wurde ein Medianwert von 20,7 Schlagopfern pro WEA und Jahr ermittelt. Kollisionsopfer waren vor allem nachts ziehende Kleinvögel, darunter Goldhähnchen und Drosseln, aber auch Mauersegler und Stockenten. Bei einem Grossteil der genauer untersuchten Schlagopfer waren im Röntgenbild Knochenfrakturen sichtbar.
Die Kollisionsereignisse wurden hauptsächlich in der Zugzeit im Frühling und Herbst festgestellt. Sie traten aber nicht immer nur bei hoher Zugintensität im Höhenbereich der Anlagen auf. Dies zeigt, dass der Zusammenhang zwischen Zugintensität und der Anzahl Schlagopfer innerhalb der Zugzeit komplexer ist als bisher angenommen. Eine grosse zusätzliche Rolle dürften die witterungsbedingt unterschiedlichen Sichtverhältnisse spielen. Hier müssten weiterführende Untersuchungen ansetzen.
Quelle: Suisse Eole und BFE