«Brands müssen das Narrativ und Fakten wieder ownen»
Vor fünf Jahren startete mit Andy Was Right eine der heute führenden unabhängigen Content-Agenturen der Schweiz. Founding & Managing Partner Roger Hämmerli im Gespräch mit m&k über die Achterbahnfahrt einer Agenturgründung in unsicheren Zeiten, seine Ambitionen – und das nächste Kapitel für die Agentur.
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m&k: Roger Hämmerli, fünf Jahre ist es her, seit wir in eurem ersten Büro auf Holzpaletten unser erstes Interview geführt haben.
Roger Hämmerli: Ach, die guten alten Holzpaletten. Ganz ehrlich. Ich weiss schon gar nicht mehr, was ich vor Andy gemacht habe. Entweder ist das ein gutes Zeichen – oder ein sehr schlechtes und ich werde alt (lacht). Es ist unfassbar viel passiert in der Zeit und manchmal denkt man sich «Was? Erst 5 Jahre» und in anderen Momenten fühlt man sich bereits wie ein alter Hase im Marktumfeld. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es eine einfache Zeit war. Wenige Monate vor Covid-19 gegründet über Ukraine-Krieg bis hin zur zweiter Amtszeit von Donald J. Trump haben wir alles durch – ich wage zu behaupten: Es gibt einfachere Marktsituationen.
Du musst einfach mit der festen Überzeugung ran, dass du die bessere Idee hast.
Aber spricht das nicht für euch, dass es trotzdem geklappt hat? Mit Kunden wie UBS, Axpo oder Fisherman’s Friend könnte man dir vorwerfen, dass es «Motzen auf hohem Niveau» ist.
Die tollen Mandate, die wir vor allem auch 2024 gewinnen durften, mit der Axpo und UBS als Social Lead, stechen im Portfolio natürlich heraus. Oder auch Fisherman’s Friend, die wir seit Jahren – ja fast unserer Gründung – begleiten dürfen, aber du siehst nur das Resultat (schmunzelt). Im Hintergrund hat das eine grosse Menge Arbeit benötigt. Stunden über Stunden, in denen Ideen verworfen worden sind – sowie auch Investitionen, die man getätigt hat, in der Hoffnung das es klappt. Wir mussten immer hart am Wind segeln. Als unabhängige Jung-Agentur hast du keine Vorschusslorbeeren oder Budget-Reserven, wie etablierte Player, gegen die du antrittst. Du musst einfach mit der festen Überzeugung ran, dass du die bessere Idee für diese Problemstellung hast. Aber zusammengefasst hast du recht: Hättest du mich vor fünf Jahren gefragt, ob ich die heutige Ausgangslage unterschreiben würde, hätte ich nicht gezögert und den Stift in die Hand genommen. Aber jetzt sind wir ready fürs nächste Kapitel.
Das nächste Kapitel?
Jung-Agenturen und deren Gründer – inklusive mir – glauben nach wie vor, dass sie es ein wenig anders und besser machen. Das macht den Charme des Neuen ja auch aus. Ab einer gewissen Grösse und Position im Markt musst du aber auch die Spielregeln und Normen befolgen, damit du in grösseren Ausschreibungen und komplexeren Mandatsstrukturen überhaupt stattfinden kannst. Und daran haben wir 2024 gearbeitet. Mit neuem Markenauftritt, neuen Strukturen und neuen Disziplinen in unseren Teams machen wir den Schritt an den grossen Tisch.
Das heisst konkret?
Andy wird 2025 bolder und mit klarer Kante an die Marktlandschaft herantreten. Ein erster Schritt ist unser neuer Auftritt – und es folgen noch ein paar Projekte über die wir schon bald mit euch quatschen können.
Man hat das Gefühl es soll noch immer vorangehen bei Andy. Kommst du nie zur Ruhe?
Ehrlicherweise war es zu lange still um uns. Das nervt mich. Darum sprechen wir jetzt ja auch (lacht). Aber es war selbstverschuldet. Wir haben 2024 enorm viel Zeit ins neue «Andy-Bewusstsein» gesteckt. Der Gewinn von grossen Mandaten hat uns gezwungen, erwachsen zu werden. Und das braucht viel Energie, Zeit und Geduld im Unternehmen.
Nach wie vor treibt mich der Gedanke an, dass es immer innovativere Ansätze gibt, digital Geschichten zu erzählen – und wir dürfen und können nicht stehen bleiben. Uns steht die Ära von AI-Agents und Co. bevor. Jetzt gilt es – auch wenn es schmerzt – Strukturen, Prozesse und alte Gedankengänge zu challengen. Selbst bei einer Agentur, die erst fünf Jahre am Markt ist. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass 2025 ein wegweisendes Jahr für uns Agenturen einläuten kann.
Die Social-Plattformen halten uns gerade den Spiegel vors Gesicht – und der gibt ein ziemlich dreckiges Bild ab.
Was kommt denn auf uns zu 2025 – vor allem mit Blick auf Social Media?
2025 und darüber hinaus wird bestimmt herausfordernd in vielerlei Hinsicht. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir das als Branche und auch als Gesellschaft anpacken werden. Als Dienstleister in der Kommunikation haben wir es in den Händen gemeinsam mit unseren Partnern, passende Lösungen zu entwickeln.
Welches Thema sticht für dich hier besonders heraus?
Ich sehe aktuell ganz viel Bewegung und einen Shift im Verhalten in der Ökosphäre der Social-Media-Plattformen. Über X bis hin zu Meta und TikTok verändern sich Unterhaltungen, Inhalte und Community-Feedback. Die Tech-Bros aus dem Silicon Valley und die neue US-Regierung haben gerade viele Pläne, aber Regulierungen gehören bestimmt nicht dazu. Mark Zuckerberg und Elon Musk deuten uns gerade an, worauf sich die Gesellschaft in den kommenden Jahren gefasst machen muss: Unwahrheiten, Dummheit, Pöbeleien, Propaganda-Bots und das pure ungefilterte Internet. Die Social-Plattformen halten uns gerade den Spiegel vors Gesicht – und der gibt ein ziemlich dreckiges Bild ab.
Was meinst du mit deiner letzten Ausführung – dem Spiegel vors Gesicht der Gesellschaft? Sind wir etwa selbst schuld an der Misere?
Pragmatisch ausgedrückt: Ja, sind wir. Keine Plattform zwingt dich dazu, auf einem fremden Profil einer Influencerin Witze oder herabwürdigende Kommentare über ihr Aussehen zu verfassen oder eine Person mit hunderten Kommentaren zu belästigen, weil sie in der Öffentlichkeit einen Fehler gemacht hat. Nur hat uns das Internet nie echte Konsequenzen für dieses Verhalten aufgezeigt – ausser in einzelnen extremen Fällen, die rechtlich verfolgt worden sind. Mit Fact-Checking, Moderationsteams, Machine Learning, Aufklärung und vielem mehr versuchen Social-Plattformen seit jeher gegen Hate-Speech, pornografische Inhalte, Gewalt und ähnliches vorzugehen. Mit mässigem Erfolg – und dieser Erfolg wird jetzt in einigen Teilen der Welt auf Start zurückgestellt, indem Meta und andere Plattformen Fakten-Checker, Initiativen und Moderations-Teams abbauen.
Social Media wird jetzt zum echten digitalen Stammtisch – und zwar mit all den Teilnehmern, die du eigentlich nur von den unangenehmen Familienfesten kennst.
Was wird die Folge davon sein?
Dass wir den ungefilterten gesellschaftlichen Gedankengang auf Social Media mitverfolgen können. Mit einem aber entscheidenden Unterschied zum realen Leben: Es besteht keine Barriere oder Hürde, um die eigene Ansicht kundzutun. Ich würde behaupten, jeder von uns hat sich schon mal seine Sache zu etwas gedacht und es dann für besser befunden, diesen Gedanken nicht mit der Person im gleichen Raum zu teilen, oder? Nun ja. Social Media wird jetzt zum echten digitalen Stammtisch – und zwar mit all den Teilnehmern, die du eigentlich nur von den unangenehmen Familienfesten kennst. Und den Meinungen, die dich selbst mit Nerven aus Stahl zähneknirschend zurücklassen.
Ziemlich düster also, die ganze Sache?
Keinesfalls. Ich glaube einfach nicht daran, dass man sich in einer solchen Zeit mit Plattitüden und Kumbaya-Gesängen aufhalten darf. Faktenverweigerer, Flat-Earther und Elon-Musk-Jünger tun dies schliesslich auch nicht. Man muss die Sachen beim Namen nennen. Und ich bin davon überzeugt, dass wir als Gesellschaft, aber speziell unsere Branche, jetzt die Möglichkeit haben, diese neue Social-Landschaft zu prägen. Und dabei werden Marken eine entscheidende Rolle spielen. Brands müssen das Narrativ und die Fakten wieder ownen und es nicht einfach geschehen lassen. In einer Zeit, in der das Vertrauen in Politik und klassische Medien auf wackligen Beinen steht, können Unternehmen in die Lücke treten und mit klaren Werten und Argumenten überzeugen. Es war nie wichtiger als jetzt.
Schwingt da etwa ein wenig Optimismus mit?
Ich würde mich als pragmatischen Optimisten bezeichnen. Anders könnte ich auch nicht Unternehmer sein. Stell dir vor ich wäre ein Pessimist. Dann wäre die Gründung einer Agentur in dieser Zeit mein persönlicher Untergang gewesen (lacht). Um aber auf deine Frage zurückzukommen: Ja, da schwingt Optimismus mit. Weil ich aufgrund des Social-Verhaltens weiss, dass ein überwältigender Teil der User stille Mitlesende sind und nicht aktiv zum Diskurs beitragen oder Inhalte teilen. Diese Menschen gilt es abzuholen. Nicht die sehr laute teils extreme Minderheit. Es bringt nichts in Kommentarspalten mit Fakten-Verweigerer zu diskutieren oder sie zu «bekämpfen». Mit gut aufbereitenden Informationen, spannenden und gut erzählten Geschichten gilt es zu punkten. Und das können doch wir Agenturen gemeinsam mit unseren Marken-Partnern so gut, wie niemand sonst, oder? Jetzt sind wir in der Pflicht, um den Medien-Konsum und das Verhalten der nächsten Generation auf Social Media nachhaltig zu verbessern. Damit Politik, die vierte Gewalt und am Ende auch unsere Gesellschaft wieder die Kommunikations-Landschaft vor sich haben, die wir verdienen.
War das dein Schlusswort?
Mein Schlusswort? 2025 wird knackig, aber welches Jahr in kürzerer Vergangenheit war es nicht? Jetzt gilt es, mit Mut und Charakter voranzugehen – auch und vor allem als Marke. Andy und ich freuen uns auf die Challenge und ich bin mir sicher, dass auch dieses Jahr noch einiges für uns in petto hat. Ein kleiner Hinweis vorweg: In Sachen mit Mut und Charakter vorangehen, haben wir schon etwas in Arbeit. Bald dazu mehr. Wie immer war es eine Freude, mit euch zu quatschen. Danke fürs Vorbeikommen – auch wenn es nicht mehr die etwas unbequemen, aber charmanten Euro-Paletten sind (schmunzelt).
Andy Was Right vereint als unabhängige Content-Agentur alle Disziplinen rund um digitale Geschichten unter einem Dach. Die Agentur lebt und liebt Pop-Kultur und Trends, dabei ist Content Haupt- und nicht Nebensache. Während andere Stakeholder managen, managt Andy lieber Communities und erreicht diese mit Inhalten, die wirklich bewegen.