Besseres Einkaufserlebnis dank künstlicher Intelligenz

InnoFind ist ein junges Startup aus Thun. Entstanden ist es aus einer Abschlussarbeit des Studiengangs iCompetence an der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW. Die beiden Gründer haben ein ehrgeiziges Ziel: Das Einkaufserlebnis bei Onlineshops mit künstlicher Intelligenz nach dem Geschmack der Nutzenden zu perfektionieren.

Schneller das Passende finden, anstatt lange suchen: Dank künstlicher Intelligenz lässt sich das Einkaufserlebnis auch beim Online-Shopping verbessern. (Bild: Pixabay.com)

Endlich, die erste eigene Wohnung! Und sogar ein kleines Budget für die Einrichtung. Doch wie findet man in der riesigen Auswahl im Onlineshop genau den Stuhl, der dem persönlichen Geschmack entspricht? Genau diese Situation inspirierte Luca Indermühle und Ramon Herzig, zwei angehende Diplomanden des Studiengangs iCompetence an der Hochschule für Technik FHNW, Ende 2017 für das Thema ihrer Bachelorarbeit. Das ehrgeizige Ziel: Einen Machine Learning Algorithmus zu entwickeln, der einen Webshop nach dem eigenen Geschmack sortiert – und das, ohne historische Daten über die Nutzenden zu sammeln.

«Uns war wichtig, die Zeit und Energie, die wir in die Abschlussarbeit stecken, nicht einfach in ein externes Projekt zu investieren, das dann vielleicht in einer Schublade verschwindet», erklärt Indermühle die Motivation zu ihrem selbst initiierten Projekt, das letztlich ein besseres Einkaufserlebnis gewährleisten soll. Die beiden angehenden Informatiker entwickelten zunächst ein Umfragetool, um an möglichst viele Daten zu gelangen. Diese waren ausschlaggebend für den Erfolg des Projekts.

Von der Abschlussarbeit…

In nur sechs Monaten und unzähligen Arbeitsstunden entstand schliesslich der erste Prototyp: Ein Algorithmus, der eigenständig lernt, welche optischen Merkmale für ein Objekt relevant sind. Ihr Betreuer Martin Melchior, Professor für Data Science an der FHNW, war von ihrem Arbeitsethos beeindruckt: «Die beiden haben eine ausgezeichnete Bachelorarbeit abgeliefert, haben überdurchschnittlich hohe Motivation und Herzblut gezeigt – in einem Bereich, der für sie noch neu war.»

Das positive Feedback ermunterte Indermühle und Herzig, das Projekt auch nach Studienabschluss weiterzuverfolgen – zunächst hauptsächlich in der Freizeit, neben ihren 80%-Jobs. «Wir haben zunächst vor allem die Lösung selber weiterentwickelt, ohne Kundinnen und Kunden zu suchen – das war nicht optimal», sagt Indermühle. «Eigentlich haben wir im Studium genau das Gegenteil gelernt: Nicht im Keller ein fertiges Produkt zu erarbeiten, sondern frühzeitig zu Kundinnen und Kunden rauszugehen, um die Lösung zu validieren», ergänzt Herzig.

…zur eigenen Firma

Doch Anfangs 2021 wagte das Duo den grossen Schritt: Die beiden fanden ihren ersten Kunden, gründeten eine GmbH und kündeten schliesslich ihre Arbeitsstellen, um sich ganz auf InnoFind zu konzentrieren. Heute sind sie erfolgreich unterwegs. «Unser Studium an der Hochschule für Technik FHNW hat uns hier einen grossen Vorsprung gegeben», sagt Indermühle. «Der Studiengang iCompetence kombiniert die Informatik mit Design- und Wirtschaftsthemen. Eine eigene Firma aufzubauen war dadurch kein komplettes Neuland für uns.» Unterstützung erhielten sie bei diesem Schritt von ihrem ehemaligen Dozenten für Internet und Management an der FHNW, Louis-Paul Wicki. Er bringt als Startup-Mentor viel wertvolle Erfahrung zum Aufbau eines Jungunternehmens mit und teilt sein Wissen und seine Erfahrungen gerne mit seinen früheren Studierenden. «Es freut mich immer wieder, zu sehen, wie unsere Absolventinnen und Absolventen in der Praxis erfolgreich durchstarten», sagt Wicki.

«Der Algorithmus lernt von selbst»

Heute hat InnoFind bereits sechs Kundinnen und Kunden. Ihr Algorithmus kann unterdessen sehr viel mehr als nur Stühle einschätzen. Bei einem ihrer Kunden, dem Wohnaccessoire-Spezialisten Trenddeko.ch hilft er beispielsweise den Nutzenden, aus 25 000 Postern genau das richtige für die eigene Wand zu finden. Für die Nutzenden ist es einfach: Wenn ihnen ein Poster zusagt, gibt es eine gute Bewertung, falls ihnen eines gar nicht gefällt, eine negative. Je mehr Bewertungen jemand verteilt, desto einfacher ist es für den Algorithmus, passende Vorschläge zu machen. Dabei muss aber niemand erst in mühsamer Handarbeit den Postern Schlagworte zuweisen, etwa «Eule», «Handzeichnung» oder «Blau».

«Der Algorithmus lernt von selbst, welche visuellen Merkmale für eine Kategorisierung relevant sind», erklärt Indermühle. Auch wenn beispielsweise ein neuer Postertrend auftaucht – etwa fliegende Elefanten – so erkennt und trainiert die künstliche Intelligenz sich selbst, die passenden Merkmale zu erkennen und zu gruppieren. Das macht nicht nur für die Kundschaft das Einkaufserlebnis angenehmer und schneller, sondern lohnt sich auch für die Betreibenden der Shops. Die erfolgreichen Verkaufsabschlüsse werden so markant gesteigert.

Für besseres Einkaufserlebnis: Tests auch auf der Strasse

Das nächste Ziel besteht darin, die Software so weiterzuentwickeln, dass die Nutzenden nicht aktiv Produkte bewerten müssen – sondern, dass sich die Produktauswahl laufend anpasst, ohne dass sie etwas davon merken. Stattdessen soll ihr Verhalten live ausgewertet werden. Was klicken die Nutzenden an? Was schauen sie sich länger an? So soll sich die Auswahl im Onlineshop schon fast magisch dem eigenen Geschmack anpassen – und so für ein noch besseres Einkaufserlebnis sorgen.

Doch diese Weiterentwicklung geschieht nicht mehr in der stillen Kammer. Die beiden Thuner Jungunternehmer sind in der Startup-Szene ihrer Stadt vernetzt und arbeiten eng mit ihren Kundinnen und Kunden zusammen. Daneben setzen sie aber auch auf den persönlichen Kontakt, um ihr Produkt zu perfektionieren. Man trifft Ramon Herzig und Luca Indermühle regelmässig am Bahnhof Thun, wo sie zufälligen Passanten mit dem Tablet den aktuellen Stand ihrer Software zeigen und nach ehrlichem Feedback fragen. Auch diesen Prozess haben sie an der FHNW gelernt. «Es macht Spass – und die Leute arbeiten gut mit. Dabei lernen wir viel darüber, wie sich die Nutzenden verhalten und wir können unsere Lösung so optimieren, dass sie sowohl bei den Kundinnen und Kunden als auch bei deren Nutzenden gut ankommt.» Und das ist die beste Voraussetzung für den Erfolg.

Quelle: Fachhochschule Nordwestschweiz – Hochschule für Technik

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