Zukunftsstandort: Digitale Schweiz
Im Rahmen des CNO Panel 2016 vom 1. November 2016 in Bern wurde auch eine Studie des Vereins eGov Schweiz vorgestellt. Diese Untersuchung ging der Frage nach, welche Vorteile ein elektronisches Bürgerdossier für den Standort Schweiz haben könnte. Die Ergebnisse wurden in einer Podiumsdiskussion erörtert.
Alles redet über Digitalisierung. Doch wenn es um Prozesse zwischen Bürger und Behörden geht, dem e-Government also, hinkt die Schweiz anderen Staaten noch hinterher. Dies hat Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort. Denn im 21. Jahrhundert will man effizient, transparent, einfach und vor allem elektronisch mit staatlichen Institutionen zusammenarbeiten. Die im Juni veröffentlichte Studie hat nun die politisch und technologisch relevanten Voraussetzungen für die Umsetzung des eBürgerdossiers identifiziert. Dieses „eBürgerdossier“ ist eine elektronische Plattform für jede in der Schweiz lebende Person. Diese können dort freiwillig relevante Daten speichern und ändern sowie andere Akteure autorisieren, auf diese Daten zurückzugreifen. Damit soll der Datenaustausch zwischen Personen, Unternehmen und staatlichen Instanzen erleichtert werden.
Digitale Behördengänge
Vor allem häufig durchgeführte Behördengänge, etwa An- und Abmeldungen bei einem Wohnortswechsel, sollten künftig vermehrt vollelektronisch abgewickelt werden können. „KMU sollten auch an einem Samstag Bewilligungen online einholen können“, nannte Martin Pletscher von economiesuisse eine weitere mögliche Anforderung an das e-Government. Pletscher stand mit Nationalrätin Kathy Riklin, Prof. Dr. Matthias Finger – er hat die genannte Studie wissenschaftlich durchgeführt – und Renato Gunc, Präsident des Vereins eGov Schweiz, auf dem Diskussionspodium. Der Grundtenor am 1. November schien einhellig: Der Fokus beim e-Government soll bewusst auf der Digitalisierung von alltäglichen Verwaltungsprozessen liegen. Weitergehende Umsetzungen wie z.B. elektronische Stimmabgabe seien momentan eher noch nicht praktikabel.
900 Millionen Franken könnten gespart werden
Geht es nach Martin Pletscher, heisst „Digitalisierung“ nicht einfach, die analoge Welt ins Internet zu verlegen. Es müsse auch darum gehen, bei der Entwicklung eines elektronischen Bürgerdossiers auch bestehende Regulierungen zu hinterfragen, um diese bei Bedarf auch abbauen zu können. In diese Kerbe schlug auch Prof. Finger: „Der Gewinn von e-Government liegt in der Effizienz und dem volkswirtschaftlichen Nutzen.“ Und die Digitalisierung müsse auch konsequent sein: „Man darf dann halt nicht auch noch gleichzeitig einen analogen Schalter offen lassen“, so Martin Pletscher, der in diesem Zusammenhang gleich vor kostspieligen Doppelspurigkeiten warnte. Bezüglich Kosten schätzt die diskutierte Studie die einmaligen Implementierungskosten auf rund 300 Millionen Franken, die jährlichen Einsparungen hingegen auf rund 900 Millionen. Dafür könnten „öffentliche Dienste und politische Prozesse verbessert und die Durchführung staatlicher Politik erleichtert werden“, heisst es in der Studie.
„Nicht Ängste bewirtschaften“
Die technologischen Voraussetzungen wären im Prinzip alle vorhanden. Doch daneben bestehen gemäss der eGov-Studie weitere Hauptkriterien, die von Renato Gunc auch an der Podiumsdiskussion ins Feld geführt wurden:
- „Der Bürger ist in der Mitte“: Bürger und Bürgerin müssen Inhaber ihrer Daten und Informationen bleiben.
- „Transparenz und Vertrauen“: Der Staat oder ein vertrauenswürdiger Partner muss das eBürgerdossier bereitstellen. Die Informationen und Quellen sowie die Zugriffe auf die Daten müssen transparent sein.
- „Sicherheit“: Die Betreiber müssen die Daten- und Informationssicherheit gewährleisten können.
- „Dezentral, aber vollständig“: Die Daten können dezentral verwaltet werden und werden nur bei einer Anwendung oder Abfrage zusammengestellt. Mit dem eBürgerdossier sollen alle amtlichen und wichtige administrative Aufgaben abgewickelt werden können.
Zudem muss die Verantwortung für das eBürgerdossier im Bund einem einzigen Departement zugeordnet sein. Denn es ist gerade die föderalistische Struktur der Schweiz, welche die Einführung von e-Government erschwert. Es haben sich viele kommunale und kantonale Systeme herausgebildet, die untereinander nicht kompatibel sind. Nationalrätin Kathy Riklin forderte denn auch in der Diskussion ein Ende des “Kantönligeistes”. Und sie appellierte, dass man vor allem die Chancen sehen sollte. “Es werden noch immer zu viel einfach nur Ängste bewirtschaftet”, stellte sie fest.
Text: Thomas Berner / pd
Weitere Informationen zum Thema e-Government und elektronischem Bürgerdossier: www.egov-schweiz.ch