Schweizer KMU mit Rekordübernahmen im Ausland trotz M&A-Rückgang

Die angespannte wirtschaftliche Lage auf dem Weltmarkt spiegelt sich auch in den globalen Firmenübernahmen wider. Die weltweiten M&A-Aktivitäten sind auf das Niveau von 2005 gesunken. Stark zurückgegangen sind die Übernahmetätigkeiten auch in der Schweiz: Im Vergleich zum Vorjahr haben Übernahmen und Fusionen unter Beteiligung von Schweizer KMU um mehr als 13 Prozent abgenommen. Doch während ausländische Unternehmen eine deutlich geringere Anzahl Schweizer KMU kauften, haben hiesige KMU ihre M&A-Aktivitäten im Ausland leicht gesteigert.

Auf dem bereits hohen Niveau von 2022 konnte die Zahl der M&A-Aktivitäten von Schweizer KMU im Ausland 2023 nochmals leicht gesteigert werden (+1,3% vs. 2022). (Bild: www.depositphotos.com)

Insgesamt haben Schweizer KMU 2023 deutlich weniger Transaktionen durchgeführt als im Vorjahr. Zwischen Januar und Dezember 2023 waren es insgesamt 211 Transaktionen (2022: 244 Transaktionen), was einem Rückgang von 13,5 Prozent entspricht. Dies zeigt die aktuelle Deloitte Studie zu M&A-Aktivitäten von Schweizer KMU. Negativer Haupttreiber waren die Inbound-Transaktionen – also jene Aktivitäten, bei denen Schweizer KMU das Ziel ausländischer Übernahmen waren. Diese sind um mehr als ein Drittel auf 64 Transaktionen zurückgegangen (−34,7% vs. 2022). Dies ist der niedrigste Stand seit 2015.

Ein positiveres Bild zeigt sich bei jenen Übernahmen, bei denen Schweizer KMU als Käufer von ausländischen Unternehmen auftraten. Dies ist ein Trend, der bereits 2022 eingesetzt hatte: Während grenzüberschreitende Transaktionen in der Vergangenheit vor allem durch Inbound-Investitionen getrieben wurden, sind seit Mitte 2022 mehr Outbound-Transaktionen zu beobachten. Somit traten Schweizer KMU vor allem als Käufer ausländischer Firmen auf und wurden weniger häufig selbst zum Ziel von Fusionen oder Übernahmen durch ausländische Investoren. Auf dem bereits hohen Niveau von 2022 konnte die Zahl der M&A-Aktivitäten von Schweizer KMU im Ausland 2023 nochmals leicht gesteigert werden (+1,3% vs. 2022). Insgesamt traten Schweizer KMU in 76 Fällen als Käufer ausländischer Unternehmen auf. Dies ist der höchste Wert seit Beginn der Erhebung durch Deloitte im Jahr 2013.

Jährliche M&A-Aktivitäten von Schweizer KMU. (Bild: www.deloitte.com)

Unverändert blieben derweil mit insgesamt 71 die inländischen Transaktionen, also die Übernahmen von Schweizer KMU durch inländische Unternehmen, was im Vergleich zu den letzten 10 Jahren etwa dem Durchschnitt entspricht. Über das ganze Jahr 2023 betrachtet verlangsamten sich die M&A-Aktivitäten der Schweizer KMU vom ersten zum zweiten Halbjahr. Für Anthony West, Partner und Leiter Corporate Finance Schweiz bei Deloitte, hat diese Entwicklung mehrere Gründe: «Für Schweizer KMU macht der starke Schweizer Franken ausländische Unternehmen zu attraktiven Übernahmezielen – dies erklärt die hier weiterhin ansteigenden Zahlen. Anders sieht es für ausländische Investoren aus: Die wesentlich höhere Inflation, Rezessionsängste und schwierige wirtschaftliche Rahmenbedingungen mündeten in eine vorsichtigere Haltung seitens dieser Unternehmen und Investoren und führten damit zu einem anhaltenden Abschwung bei den Fusionen und Übernahmen in der Schweiz.»

Intensive Übernahmetätigkeit in der Industrie und IT

Der grösste Teil aller Inbound-M&A-Aktivitäten entfällt mit über 81 Prozent auf die Deutschschweiz. Mit 40 Transaktionen sind Unternehmen aus dem Kanton Zürich die wichtigsten Treiber der M&A-Aktivitäten in der Schweiz. Besonders europäische Investoren sind an Schweizer KMU interessiert: Sie sind für nahezu drei Viertel (73%) aller Inbound-Transaktionen verantwortlich. Wichtigster Einzelmarkt ist dabei Deutschland, gefolgt von den USA (siehe Grafik 2). Die Tatsache, dass Deutschland weiterhin der grösste Einzelmarkt ist, ist besonders bemerkenswert, da das Land im vergangenen Jahr in eine Rezession geraten ist.

Wichtigste Übernahmemärkte. (Bild: www.deloitte.com)

Aussagekräftig ist auch der Fokus auf die Branchen, für die sich ausländische Investoren interessieren: 2023 waren vor allem Industrie- sowie IT- und Softwareunternehmen das Ziel von Übernahmen (beide je 21%), gefolgt von Unternehmen, die im Life-Science- und Gesundheitssektor tätig sind (16%). Während ausländische Investoren vor allem an Schweizer Industrie- und IT-Dienstleistungsunternehmen interessiert waren, zielten Schweizer KMU beim Kauf ausländischer Firmen auf Unternehmen im Industrie- (28%) sowie Life-Science- und Gesundheitssektor (20%) ab.

«Für die Schweizer Industrie und die hiesigen IT- und Softwareunternehmen sind diese Zahlen ein Qualitätssiegel», sagt Stephan Brücher, Partner Financial Advisory bei Deloitte Schweiz. «Das hohe Interesse der ausländischen Investoren an diesen Branchen unterstreicht die Bedeutung der Schweizer KMU-Landschaft und Start-up-Community. Sie bieten IT- und Softwaredienstleistungen an und stellen Produkte her, etwa auch in der Medizintechnik, die weltweit führend und dadurch sehr attraktiv für ausländische Investoren sind. Jedoch zeigen die stark zurückgehenden Auslandsübernahmen, dass Schweizer KMU, gerade auch wegen des starken Schweizer Frankens, für ausländische Käufer zunehmend unerschwinglich werden. Langfristig kann dies dazu führen, dass dringend benötigte Investitionen, zum Beispiel für Produktentwicklungen, in den Unternehmen fehlen werden», warnt Brücher.

Rückgang bei Private-Equity-Aktivitäten

Private-Equity-(PE)-Fonds operieren abseits der Börsenmärkte und übernehmen Unternehmen oft, um sie zu transformieren und später mit Gewinn zu verkaufen oder an die Börse zu bringen. Auch bei Firmenübernahmen durch PE-Fonds lässt sich ein Trend zu mehr inländischen Transaktionen bei gleichzeitig sinkenden Investitionen aus dem Ausland feststellen. Im Jahr 2023 sind PE-Übernahmen um 18 Prozent auf insgesamt 77 Transaktionen zurückgegangen (vs. 2022: 94 Transaktionen). Dies betrifft vor allem Inbound-Geschäfte durch ausländische Käufer. Stark angestiegen sind dafür Übernahmen von Schweizer KMU durch Schweizer PE-Fonds. Diese machen mittlerweile 42 Prozent aller Übernahmen aus, was der höchste seit 2013 gemessene Stand ist. Dieser letzte Punkt erklärt sich durch die relativ niedrigen Finanzierungskosten (Zinssätze), die in der Schweiz immer noch bestehen.

Angespannte Lage ermöglicht nur verhalten optimistischen Ausblick

Für das angelaufene Jahr zeichnet sich ein leichtes Wirtschaftswachstum von 1,1 Prozent ab, wie aus Zahlen des Staatssekretariats für Wirtschaft hervorgeht. Dies liegt deutlich unter dem historischen Durchschnittswert und ist einerseits auf die Langzeitfolgen der Pandemie, andererseits auf die geopolitischen Entwicklungen und die bestenfalls zögerlichen Wirtschaftsentwicklungen und Reformstaus in wichtigen Absatzmärkten zurückzuführen. Auch schlagen die Auswirkungen der geldpolitischen Straffung zur Senkung der Inflation sowie mögliche Sparbemühungen angesichts der hohen Verschuldung und eine weiterhin nur sehr langsam wachsende Wirtschaft auf die Stimmung der Anlegerinnen und Anleger.

Durch den Rückgang der M&A-Transaktionen im Jahr 2023 hat sich Investitionspotenzial für das laufende Jahr angestaut. Dazu Jean-François Lagassé, Vice-Chair und Leiter Finanzindustrie bei Deloitte Schweiz: «Der Schweizer M&A-Markt könnte 2024 Anzeichen einer leichten Erholung aufweisen. Dieser vorsichtige Optimismus basiert auf den voraussichtlichen Zinssenkungen der Zentralbanken in den Industrieländern und dem Rückstau von Transaktionen aus dem Jahr 2023 bei gleichzeitig nur sehr verhaltenen Wirtschaftswachstumsprognosen.»

Quelle: www.deloitte.com

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