In Verhandlungen mit Industriekunden bestehen

Preis- und Vertragsverhandlungen im B2B-Bereich gewinnt meist der Partner, der mit dem klareren Ziel in das Kräftemessen geht und auf die taktischen Spielchen des Gegenübers souverän reagiert. Sieben Tipps für Verkäufer, wie sie ihre Erfolgschancen bei Verhandlungen erhöhen.

Verhandlungen mit Industriekunden sind anspruchsvoll. Meist gewinnt der Partner, der mit klareren Zielen in das Kräftemessen geht. (Bild: Unsplash.com)

Vertriebsberater Horst Bayer gibt sieben Tipps, wie Verkäuferinnen und Verkäufer bei Verhandlungen mit Industriekunden besser bestehen können.

Tipp 1: Machen Sie sich das Wesen einer Verhandlung bewusst

Bei Preis- und Vertragsverhandlungen im B2B-Bereich stehen meist die Verkäufer und die Einkäufer unter einem hohen Erfolgsdruck, denn beide Seiten müssen vorgegebene, teils stark voneinander abweichende Ziele erreichen. Deshalb ist es nicht nötig, Verhandlungen mit dem Vorsatz zu führen: Ich will gewinnen.

Verhandlungen gewinnt meist derjenige, der die klarere Strategie und Zielsetzung verfolgt und am besten vorbereitet ist. Wirklichkeitsfremd ist die Vorstellung, dass sich in ihnen beide Seiten immer fair verhalten. In vielen Verhandlungen muss sich der Verkäufer rasch von einem – meist vorgetäuschten – Win-win-Kuschelkurs verabschieden.

Preis- und Vertragsverhandlungen im B2B-Bereich sind meist so komplex, dass man mit einem standardisierten Vorgehen und Verhalten selten erfolgreich ist. Gefragt sind Persönlichkeiten mit Rückgrat und Erfahrung, die flexibel auf die Situation und den Partner reagieren; Persönlichkeiten zudem mit sozialer und emotionaler Intelligenz, die strategisch denken und sich taktisch klug verhalten, und bei allem Willen, Erfolg zu haben, auch zur Kooperation bereit und fähig sind. Solche Verhandler entwickeln sich im Verlauf vieler Jahre – durch ein fortwährendes Studieren der Partner sowie ein kritisches Reflektieren des eigenen Verhaltens und dessen Wirkung.

Tipp 2: Versetzen Sie sich in die Perspektive des Einkäufers

Einen Perspektivenwechsel in die Sichtweise des Einkäufers zu vollziehen, kann Wunder bewirken. Bei einem Ausbrechen aus der Ich-Perspektive eröffnet sich oft eine ganz neue Welt kreativer Ideen, um eine gemeinsame Verhandlungsbasis zu schaffen.

Fühlen sich Einkäufer mit ihren Bedürfnissen sowie als Person wahr- und ernstgenommen und verstanden, dann wollen sie mit dem Partner eine Lösung finden. Das heisst: Die Energien des Verkäufers und des Einkäufers bewegen sich in dieselbe Richtung. Also finden sie auch eher eine Lösung, mit der beide Seiten leben können – ohne dass ein Partner seine Verhandlungsziele aus dem Blick verliert.

Tipp 3: Erzeugen Sie das nötige Wertbewusstsein für Ihre Lösung

Die zentrale Aufgabe des Verkäufers ist es, beim Einkäufer ein Wertbewusstsein für seine Problemlösung zu schaffen. Er muss den Einkäufer mit einer kundenspezifischen Verkaufsargumentation davon überzeugen, dass es für ihn und sein Unternehmen  vorteilhafter ist, das Produkt X oder die Dienstleistung Y bei ihm zu kaufen – selbst wenn der Preis etwas höher als bei der Konkurrenz ist.

Hierfür müssen Verkäufer  das Geschäft ihrer Kunden verstehen und ihre aktuelle Marktsituation kennen. Je mehr Kompetenz ein Verkäufer in diesem Bereich hat und je souveräner er folglich agiert, desto schwerer fällt es dem Einkäufer, auf Preisreduzierungen zu pochen oder den Auftrag an einen Wettbewerber zu vergeben.

Tipp 4: Seien Sie verbindlich, dreschen Sie keine Phrasen

Wenn es in Verhandlungen knifflig wird, zum Beispiel weil der Einkäufer einen echten Knackpunkt anspricht, dann zeigen viele Verkäufer ein Ausweichverhalten. Das heisst, sie sprechen Nebensächlichkeiten an oder dreschen Phrasen. Das „nervt“ die Einkäufer und kann zum Verlust des Vertrauens und somit Auftrags führen.

Wenn ein Verkäufer ein solches Ausweichverhalten zeigt, dann schliessen Einkäufer hieraus: Dieser Verkäufer ergreift auch die Flucht, wenn es in der Zusammenarbeit nach Vertragsabschluss Probleme gibt. Das heisst, er und sein Unternehmen werden stets irgendwelche Ausreden haben statt unsere Wünsche und Probleme ernst zu nehmen und sich ihrer anzunehmen. Deshalb ist er ist kein attraktiver Partner.

Tipp 5: Bauen Sie eine Beziehung zum Einkäufer auf – frühzeitig

Oft versuchen Verkäufer den „bösen“ Einkäufer zu umgehen und suchen stattdessen den Kontakt mit den Fachabteilungen. Dies kann kein Einkäufer tolerieren. Also  lässt er den Verkäufer „auflaufen“. Verkäufer begründen ihr Umgehen des Einkaufs meist mit dem Argument: „Die Einkäufer haben fachlich keine Ahnung“. Dabei sind Einkäufer heute meist Experten, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung technische Abläufe und Prozesse sehr wohl verstehen – ebenso betriebswirtschaftliche Zusammenhänge.

Suchen Sie als Verkäufer, so früh wie möglich den Kontakt zum Einkauf. Und wenn Gespräche mit den Fachabteilungen geführt werden, beispielsweise um den künftigen Bedarf auszuloten? Dann sollten Verkäufer ihre Gesprächspartner in den Fachabteilungen fragen: „Wer aus dem Einkauf ist dafür zuständig? Gerne möchte ich mich ihr / ihm vorstellen.“ Sonst rächt sich dies bitter, wenn es um die Auftragsvergabe geht.

Tipp 6: Präsentieren Sie sich und Ihr Unternehmen als möglichen strategischen Partner

In Verhandlungen im B2B-Bereich geht es oft darum, eine strategische Partnerschaft zu vereinbaren, also die Weichen für eine langfristige Zusammenarbeit zu stellen. Denn sie hat für beide Seiten Vorteile. So können zum Beispiel aufgrund der stabilen, von Vertrauen geprägten Geschäftsbeziehung effizientere Prozesse vereinbart werden – wie ein Entfallen der Wareneingangsprüfungen oder ein vereinfachtes Bemusterungsverfahren.

Anbieter, die eine strategische Partnerschaft mit einem Unternehmen anstreben, müssen nicht nur dessen akuten Bedarf befriedigen können. Sie müssen über weitere Eigenschaften verfügen, um als Partner attraktiv zu sein – zum Beispiel eine hohe Innovationskraft, Entwicklungskompetenz und Liquidität. Überzeugen Sie als Verkäufer die Einkäufer davon, dass Ihr Unternehmen über diese Eigenschaften verfügt.

Tipp 7: Reagieren Sie gelassen und souverän auf taktische Fouls der Einkäufer

Einkäufer müssen für ihr Unternehmen das bestmögliche Verhandlungsergebnis erzielen. Deshalb ist es normal, dass sie sich – wie Verkäufer – manchmal gewisser Tricks und Kniffe bedienen. Hierüber zu jammern, bringt nichts. Denn dies gehört zum Verhandeln wie die „taktischen Fouls“ beim Fußball-Spielen. Entsprechend gelassen sollten Sie hierauf reagieren. Hierfür einige Beispiele

  • Einkäufer-Trick: Der Einkäufer pauschalisiert negative Einzelfälle
    Verkäufer-Reaktion: nicht hinnehmen, weitere Beispiele verlangen
  • Einkäufer-Trick: Einkäufer betreibt durch ständige Nachforderungen eine Salami-Taktik
    Verkäufer-Reaktion: zunächst alle Verhandlungspunkte sammeln und erst dann verhandeln
  • Einkäufer-Trick: Einkäufer versucht beim Verkäufer durch ein Aufbauschen von Nebensächlichkeiten oder Vortäuschen von Desinteresse Stress zu erzeugen
    Verkäufer-Reaktion: gelassen bleiben, weiter ruhig argumentieren, keine Gegenangriffe starten
  • Einkäufer-Trick: Einkäufer versucht den Verkäufer einzuschüchtern, indem er ihn zum Beispiel lange warten lässt, laufend nebenher telefoniert
    Verkäufer-Reaktion: mutig und offen, jedoch mit einem Lächeln ansprechen, dass man die Tricks der Gegenseite durchschaut

Verkäufer müssen die „taktischen Fouls“ der Einkäufer erkennen. Denn nur dann können sie hierauf souverän reagieren. Kann ein Verkäufer dies nicht, wird er vom Einkäufer als wenig durchsetzungsstark eingestuft – auch im eigenen Unternehmen. Entsprechend behandelt er den Verkäufer fortan. Deshalb sollte eine Maxime bei „unfairen Tricks und Kniffen“ von Einkäufern lauten: Flagge und Selbstbewusstsein zeigen. Denn nur dann werden sie von den Einkäufern als Verhandlungspartner ernst genommen.

 

Zum Autor:
Horst Bayer ist Senior-Berater und -Trainer bei der Vertriebsberatung Peter Schreiber & Partner in Ilsfeld, Deutschland (www.schreiber-training.de). Vor seiner Beratertätigkeit arbeitete der Betriebswirt 30 Jahre in den Bereichen Einkauf, Logistik und Materialwirtschaft für Fertigungs- und Investitionsgüterindustrie. Zuletzt war er Leiter Einkauf und Logistik bei einem Automobilindustrie-Zulieferer.

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