Frankenschock lässt Unternehmen im St.Galler Rheintal erstarken

Eine Schockwelle erfasste den Werkplatz Schweiz, als die Nationalbank Anfang 2015 den Euromindestkurs unerwartet aufhob. Um im internationalen Wettbewerb mit den plötzlich teurer gewordenen Produkten konkurrenzfähig zu bleiben, waren nun schnelle Lösungen gefragt. Die Unternehmen im St.Galler Rheintal glaubten an den Standort und begegneten dem Frankenschock mit unterschiedlichen Ansätzen. Ein Unternehmen ist heute gar stärker als zuvor.

Das international tätige Rheintaler Unternehmen SFS zeigt sich nach dem Frankenschock sogar gestärkt. (Bild: Rheintal.com)

Das St.Galler Rheintal überrascht mit seiner unerwartet leistungsfähigen Wirtschaft. Zahlreiche Unternehmen sind in ihren jeweiligen Bereichen Weltmarktführer. Dank Hightech- und Highquality-Produkten gehört das Rheintal zu den führenden Technologie-Standorten weltweit. Es zeichnet für fast die Hälfte des Exportvolumens des Kantons St.Gallen verantwortlich. Über 90 Prozent der im Rheintal hergestellten Güter gehen an Kunden im Ausland.

Der Frankenschock gepaart mit der starken Exportorientierung, stellte die Rheintaler Wirtschaft vor besondere Herausforderungen. Wie geht es den Unternehmen heute? Mit welchen Herausforderungen waren sie in den letzten zweieinhalb Jahren konfrontiert und welche Massnahmen waren dabei erfolgreich? Glauben sie weiterhin an den Werkplatz Schweiz? Darüber informierten die Rheintaler Unternehmen SFS Group, Bauwerk Parkett, Coltène/Whaledent und Leica Geosystems unlängst in einer gemeinsamen Mitteilung.

Mit umfassendem Massnahmenpaket gegen den Frankenschock

Die SFS Group mit Hauptsitz in Heerbrugg gehört zu den weltweit führenden Unternehmen für mechanische Befestigungssysteme und Präzisionsformteile. Hauptabnehmer des Unternehmens sind Kunden der Automobil-, Bau-, Beschläge-, Elektro- und Elektronikindustrie. Präzisionskomponenten von SFS leisten zum Beispiel einen Beitrag zur Erhöhung der Sicherheit für die Passagiere oder zur Verbesserung der Verbrauchs- und Emissionswerte in Autos.

Die Schweizer Produktionswerke von SFS exportieren rund 90% ihrer Produkte ins Ausland. Die Preise sind dabei typischerweise in Euro festgelegt, die Kosten fallen jedoch überwiegend in Schweizer Franken an. Zudem haben die Haupt-Wettbewerber ihre Kostenbasis in Euro. Um die Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen, hat SFS mit einem umfassenden Massnahmenpaket reagiert, das auf vier Pfeilern aufgebaut war, so CEO Jens Breu: «SFS hat rasch gehandelt, ihre Stärken konsequent genutzt, die Abhängigkeit des Schweizer Frankens reduziert und die Partnerschaft mit den Mitarbeitenden aktiv gelebt.»

Dank den ergriffenen Massnahmen nach der Aufwertung des Schweizer Frankens stieg die Produktivität an den Schweizer Produktionsstandorten gegenüber 2015 um 15.9% gemessen am Deckungsbeitrag pro Mitarbeitenden. Der aktuelle Wert übertrifft sogar das Ergebnis von 2014 vor der Aufgabe des Euro-Mindestkurses um 5.8%. Das Unternehmen ist überzeugt, sich auch künftig aus der Schweiz heraus erfolgreich im internationalen Wettbewerb behaupten zu können. So wird in der Schweiz die Fokussierung auf die Entwicklung und Herstellung von innovativen Produkten vorangetrieben. Dabei gelangen zunehmend know-how-intensive sowie technologisch anspruchsvolle und kapitalintensive Produkte und Prozesse zur Anwendung. Im Gegenzug wird die Herstellung von anderen Produkten an ausländische Standorte transferiert. Das Beschäftigungsniveau in der Schweiz kann dabei aber gehalten werden.

Fusion als Herausforderung und Erfolgsmittel für Bauwerk Parkett

Mit rund CHF 280 Mio. Umsatz und rund 1‘900 Mitarbeitenden ist Bauwerk Parkett einer der führenden Parketthersteller Europas. Das Unternehmen mit Sitz in St.Margrethen ist nach fünf schwierigen Jahren ebenfalls auf gutem Weg, zur bekannten Stärke zurück zu finden. CEO Klaus Brammertz rechnet damit, dass 2017 mit einem guten Ergebnis abgeschlossen wird. Als grösste Herausforderung, aber zugleich erfolgreichste Massnahme im Frankenschock war der damals bereits initiierte Zusammenschluss mit der BOEN AS. Der Frankenschock forcierte eine beschleunigte Fusion der gleich grossen, aber kulturell sehr unterschiedlichen Unternehmen. «Aus heutiger Sicht war dies die mit Abstand wichtigste Massnahme, um heute gar stärker dazustehen, als vor 2015», so Brammertz. Durch den Zusammenschluss konnte nämlich Zugang zu Wachstumsmärkten und kostengünstige Produktionsstätten in Osteuropa generiert werden. Nach wie vor bietet der Werkplatz Schweiz jedoch die verlässlichste Basis für die Gruppe und ist ihr bedeutendster Absatzmarkt. „Deshalb haben wir in 2016 und 2017 jeweils über 2 MCHF in der Schweiz investiert und werden dies auch weiterhin tun“, wie Brammertz bekräftigt. Herausforderungen identifiziert er hauptsächlich im erwarteten Rückgang der Bautätigkeit in der Schweiz, der grassierenden „Geiz ist geil“ Mentalität und der wachsenden Bedeutung von einigen Holzersatzprodukten.

Coltène/Whaledent: Trotz Frankenstärke hohe Qualität und Innovation halten

Auch Coltène/Whaledent, das international führende Unternehmen im Bereich Entwicklung, Herstellung und Vertrieb zahnmedizinischer Verbrauchsgüter und Kleingeräte, hat im Januar 2015 sofort Massnahmen eingeleitet, um dem Frankenschock zu begegnen. Insbesondere beim Einkauf der Rohmaterialien musste sofort reagiert werden. Zusätzlich wurden Effizienzprogramme und Optimierungen gestartet, um die Kosten in den Griff zu kriegen. «Von Lohnkürzungen oder Mehrarbeitszeiten haben wir bewusst abgesehen», wie CEO Martin Schaufelberger berichtete. «Nachdem wir uns auf einen Kurs von CHF 1.10 eingestellt hatten, hilft uns der aktuelle Kurs von CHF 1.15.»

Trotz den Herausforderungen mit dem starken Franken, war es für Colténe/Whaledent auch in dieser Zeit wichtig, in Sachen Qualität und Innovation mitzuhalten, denn nur so lassen sich auch die Preise halten. Im Werk in Altstätten werden Top-Leute mit guter Ausbildung und hoher Motivation beschäftigt. Aber: Die Lohnkosten sind auch Spitzenklasse und jedes Jahr werden Erhöhungen erwartet. Dennoch glaubt die Geschäftsleitung um Schaufelberger an den Werkplatz Schweiz. «Es ist der Ort, an dem wir unser Geschäft am besten führen können. Wir kennen uns hier aus, sei es bei Zulieferfirmen, Engineering- und Beratungspartnern, im Arbeitsmarkt und den staatlichen Anforderungen. Ich wüsste keinen Ort an dem ich Probleme wie den Währungs-Schock lieber lösen würde.» Coltène/Whaledent ist bezüglich Aktionären, Mitarbeitern und vielen Zulieferfirmen ein Rheintaler Unternehmen. Deshalb und aufgrund der verschiedenen Standortvorteile wird in Altstäten in einen Neubau für Produktion und Büros über 11 Mio CHF investiert. «Wir zementieren damit unseren Standort in der Region.»

Leistungsstarke Innovationsfabrik Leica Geosystems in Heerbrugg

Die Leica Geosystems AG, heute Teil von Hexagon AB, ist weiterhin erfolgreich unterwegs, wie CEO Jürgen Dold bekräftigt. «Wir halten an unserer globalen Wachstumsstrategie fest, die auf drei bewährten Säulen steht. Zum ersten betreiben wir ohne Unterbruch Innovation in all unseren Produktlinien und ergänzen durch gezielte Akquisitionen unser Portfolio mit zusätzlichen Technologien. Zum zweiten erweitern wir unsere weltweite Marktpräsenz nicht nur mit Investitionen in unser Vertriebsnetz in Wachstumsmärkten, sondern auch durch neue digitale Verkaufskanäle und neue Serviceleistungen. Zum dritten arbeiten wir an der kontinuierlichen Verbesserung unserer Produktivität, und zwar in all unseren Geschäftsbereichen und Funktionen. Der Frankenschock hat unsere Strategie nicht verändert, aber gewisse Massnahmen im Bereich Effizienzsteigerungen beschleunigt.»

In den letzten Jahren gab es vielfältige makroökonomische und geopolitische Herausforderungen, die bewältigt werden mussten. Die hohe Innovationskraft und die kontinuierlichen Effizienzsteigerungen sind sicherlich Hauptgründe, warum sich Leica in einem sehr anspruchsvollen, weltweiten Marktumfeld gut positionieren kann. Kurzfristig werden die Herausforderungen ähnlich bleiben. Das Unternehmen muss weiterhin agil unterwegs sein, um makroökonomische und geopolitische Herausforderungen zu bewältigen. Mittelfristig wird es spannend werden, wie schnell die Digitalisierung von unternehmensübergreifenden Geschäftsprozessen voranschreiten wird. «Neue Technologien werden uns ermöglichen, verschiedenste Geschäftsprozesses transformativ zu verändern.» Der CEO ist überzeugt, dass die Leica Geosystems als Teil von Hexagon ausgezeichnet positioniert ist, um die Chancen der Digitalisierung für ihr nachhaltiges Wachstum nutzen zu können.

In Heerbrugg wird die Leica Geosystems bald ihr 100-jährige Bestehen feiern. Seit 1921 ist das Unternehmen im Rheintal zuhause. Eine leistungsstarke Innovationsfabrik, die jährlich etwa 40 neue Produkte erfolgreich in den Markt einführt. «In der jüngsten Vergangenheit haben wir zusätzliche neue agile Entwicklungsmethoden eingeführt, mit denen wir hoch innovative Produkte noch schneller zur Marktreife bringen», so Dold. Heerbrugg ist einer der grössten Standorte im Hexagon Konzern und hat nicht nur eine zentrale Bedeutung für die Leica Geosystems, sondern auch für Hexagon, der hier seine Konzernforschung ausgebaut hat.

Weitere Informationen: Verein St.Galler Rheintal, www.rheintal.com

(Visited 62 times, 1 visits today)

Weitere Beiträge zum Thema