Digitalisierung und HRM: Kreativität, Initiative und Leidenschaft weiter einfordern
Der 12. Ostschweizer Personaltag widmete sich ganz dem Thema Personalmanagement im Digitalen Zeitalter. Wie sich die Arbeitswelt verändert, wie das HRM darauf reagieren soll bzw. muss und welche "Standards" auch weitere industrielle Revolutionen überdauern werden, darüber wurde intensiv referiert und diskutiert.
Der Ostschweizer Personaltag 2016, veranstaltet durch die Freie Erfa-Gruppe Personal Ostschweiz und die FHS St.Gallen in Zusammenarbeit mit Freicom, wartete mit einer Neuerung auf: Während des Stehlunchs standen verschiedene „Themen-Inseln“ bereit, damit die Besucher dort ihre Fragen mit Fachleuten diskutieren konnten. Diesen wären allerdings mehr Zuspruch zu wünschen gewesen, wie Karin Egle, Präsidentin der Freien Erfa-Gruppe Ostschweiz, zu Beginn des „offiziellen Teils“ bedauerte. Vielleicht braucht diese Idee einfach noch etwas Entwicklungszeit.
„Smart“ arbeiten
Doch dann waren die Gäste schon bald mitten im eigentlichen Tagungsthema: Personalmanagement im Digitalen Zeitalter. Was dieses „Digitale Zeitalter“ schon jetzt ausmacht und in Zukunft noch bringen wird, darüber sprachen Petra Schmidhalter und Bianca Gatschet von der Swisscom. Bianca Gatschet, 19-jährig und also voll zur Generation Y gehörig, legte überzeugt dar, was es in Sachen „Work Smart“ schon geschlagen hat: Wer E-Mail als Nonplusultra der Digitalisierung anschaut, zählt heute bereits zur Grosseltern-Generation… Heute gilt: Wissen wird geteilt über offene Plattformen, man ist vernetzt sowohl intern wie auch extern, man ist spontan, unabhängig und kann von überall her arbeiten, die Ansprüche an Sicherheit und Ausgleich im Sinne von Work-Life-Balance sind hoch. Für Führungskräfte heisst das: Nicht mehr „demand and control“ sondern transformationaler Führungsstil. Bianca Gatschet, obwohl voll in der Welt von „Smart Work“ zu Hause, gab am Schluss zu, dass auch sie den Umgang mit der grossen Flexibilität erst lernen musste.
Mehr Marketing-Skills für das HRM
Dass der Digitale Wandel unmittelbaren Einfluss auf das HRM hat, wurde anschliessend aus dem Ausführungen von Jörg Buckmann deutlich. Er zeigte einige Beispiele, wie das Personalmanagement heute „digital“ arbeitet – sowohl im negativen, wie auch im positiven Sinne. Über allem aber wünscht sich Buckmann aber einen Paradigma-Wechsel in der Rekrutierung: Mehr kreatives Marketing als starrer Formalismus und zielgruppenorientiertes Denken. Denn Bewerber seien nichts anderes als Kunden, die richtig angesprochen werden wollen. Das Personalmanagement müsse deshalb Kommunikation neu lernen, insbesondere auch in Bezug auf Social Media.
Unternehmens-Beraterin und Bestseller-Autorin Anja Förster konnte den Ausführungen ihres Vorredners nur beipflichten. Sie spann den Faden entsprechend fort: Sie bedauerte, dass die Treiber der Digitalisierung vor allem aus der IT und dem Engineering kommen, nicht aber aus dem HRM. „Die Personaler treiben die Veränderung der Arbeitswelt zu wenig an,“ so die Referentin und verweist auf die Gefahr, dass hier viele Chancen verpasst werden. Gefragt bei den Mitarbeitenden seien heute Initiative, Kreativität und Leidenschaft – und dies lasse sich mit „normaler“ Führung nicht einfordern. Regeln und Verbote sind zwar nachzuvollziehen, kreieren aber eben nur „Befolger“. Anja Förster plädiert denn auch das „Einreissen von Zäunen“, damit mehr Freiraum entstehe. So sehe eine wirksame Führungskultur und HR-Arbeit für das Digitale Zeitalter aus.
Menschliche Qualität wird immer wichtiger
Quasi aus wissenschaftlicher Perspektive ging Sibylle Olbert Bock von der Fachhochschule St.Gallen das Thema an. Sie stellt fest, dass die Diskussion rund um Industrie 4.0 derzeit vor allem auf technologischer Ebene geführt werden, nicht aber mit Bezug auf das Human Capital. Die technologischen Entwicklungen bringen es mit sich, dass der Vernetzungsgrad und die Aufgaben-Diversifizierung der Workforce steigt. Auch die sog. Digital Natives seien hier mitunter überfordert, weil ihnen die Langzeit-Erfahrung in Sachen Selbstorganisation fehlt. Letztlich müsse es ein Ziel jeder Organisation sein, dass Strategie, Technologie und Mensch gleichberechtigt bleiben.
Patrich D. Cowden, gleichsam ein Pionier in Sachen Leadership, vermittelte zum Schluss dem Publikum noch die Kunst des Vertrauensaufbaus. Und einmal mehr fielen die an diesem Nachmittag schon oft gehörten Begriffe: Menschen, Kreativität, Leidenschaft. Diese drei gelte es zusammenzubringen, und nur dann entstehe Qualität, so der Referent. Und in der Qualität des Miteinanders gebe es keine Grenzen. Anhand einer kleinen Übung mit dem Publikum vermochte er gleich zu beweisen, dass dies funktioniert. In nur sechs Minuten ist es nämlich möglich, dass Menschen, die sich zuvor noch nie gesehen haben, eine funktionierende Kollaboration aufbauen können – Kommunikation und Wille zur Kooperation vorausgesetzt.
Direkter Dialog mit den Referenten
Insgesamt vermochte der diesjährige Ostschweizer Personaltag, der längst auch Publikum aus anderen Landesteilen nach St.Gallen locken konnte, den Besuchern einmal mehr praxisorientierte Impulse zu vermitteln. Zum Gelingen bei trägt regelmässig auch der Umstand, dass das Publikum direkt auch in den Dialog mit den Referenten und Referentinnen treten konnte – die Moderation durch Marco Fritsche trug das ihre dazu bei. Der nächste Personaltag findet am 8. Juni 2017 wiederum in St.Gallen statt.
Text: Thomas Berner. Weitere Informationen: www.personaltag.ch
Jörg Buckmann, Anja Förster, Sibylle Olbert-Bock, Patrick D. Cowden (Fotos: thb)