Online-Bewerbungen: Viel Masse, wenig Klasse
„Da könnte ich mich auch mal bewerben. Das kostet mich ja nichts.“ Nach dieser Maxime agieren viele Job-Suchende, wenn sie sich per Mail bewerben. Entsprechend mies ist die Qualität vieler Online-Bewerbungen.

Vor einem halben Jahre schaltete Peter Keil eine Stellenanzeige in der Wochenendausgabe der örtlichen Tageszeitung, in der er auch seine Mail-Adresse angab – „leider“. Denn als der Inhaber eines Ingenieurbüros samstags morgens um 10 Uhr in sein Büro kam, befanden sich in seinem Mail-Account schon ein Dutzend Bewerbungen – obwohl die Wochenendausgabe der Zeitung gerade mal drei, vier Stunden zuvor an die Haushalte verteilt worden war.
Viel Schrott bei Online-Bewerbungen
Entsprechend war die Qualität der Bewerbungen. „Alles Schrott“, bringt Keil es auf den Punkt. „Man sah den Bewerbungen sofort an: Da wurde nur schnell die Adresse im Standardanschreiben ausgetauscht und dann die Bewerbung kurz vorm Wochenendeinkauf versandt.“
Ähnlich war es bei den meisten Bewerbungen, die in den nächsten Tagen „massenhaft“ in Keils Mail-Account landeten. Nicht nur, dass sich in ihnen fast alle Berufsgruppen – von der Fußpflegerin bis zum Lagerarbeiter – um die inserierte Stelle einer „Bürofachkraft (m/w)“ bewarben. Deutlich registrierte Keil bei den Online-Bewerbungen auch eine niedrigere Qualität als bei den schriftlichen Bewerbungen, die einige Tage später eintrafen.
„Vielleicht habe ich Glück“
Keils Eindruck: „Bei schriftlichen Bewerbungen überlegen es sich die Leute genauer, ob sie sich bewerben.“ Denn das Ausdrucken der Bewerbungsunterlagen und deren Versenden kostet Zeit – und Geld. Anders ist es bei Online-Bewerbungen. Da setzen sich viele Stellensucher mal eben schnell an ihren PC und ändern die Adressdaten in ihrer Standardbewerbung. Dann drücken auf die „Versenden-Taste“ des Mail-Programms und weg ist die Bewerbung. Getreu der Maxime: Vielleicht habe ich Glück.
Diesen Eindruck bestätigen viele Firmenvertreter. Sie entdecken in Online-Bewerbungen immer wieder „echte Stilblüten“. Keil amüsierte sich zum Beispiel köstlich über folgenden Satz im Anschreiben einer Hotelfachfrau: „Ich freue mich auf den regen Kontakt mit Ihren Gästen.“ Hiermit katapultierte sich die Bewerberin sofort aus dem Rennen. Denn so Keil: „Bei uns schaut alle zwei Wochen mal ein Kunde vorbei. Und mit dem verschwinde ich sogleich im Besprechungszimmer.“ Nach der Lektüre des erwähnten Satzes war Keil klar: Die Frau versah nur eine Bewerbung, die sie für ein Hotel schrieb, mit einer neuen Anrede.
Keil unterschätzte auch, als er in der Anzeige seine Mail-Adresse angab, die Mehrarbeit, die er sich damit aufhalste. In den Tagen nach dem Erscheinen der Anzeige trafen bei ihm immer wieder Mails mit folgendem Tenor ein: „Können Sie mir, bevor ich mich bewerbe, nähere Infos über die Stelle geben?“ Bei den ersten zwei, drei Mails dachte Keil: Toll, da interessiert sich jemand ernsthaft für den Job. Also nahm er sich viel Zeit fürs Beantworten. Doch irgendwann hatte er davon die Nase voll – weil er noch anderes zu tun hatte.
Dateien-Salat produziert Mehrarbeit
Auch in anderer Hinsicht machten die Online-Bewerbungen Keil mehr Arbeit als die schriftlichen. So erwies sich das Ausdrucken der Bewerbungen, die nicht sofort durchs Raster fielen, als zeitaufwendig. Denn bei den meisten Bewerbungen waren das Anschreiben, der Lebenslauf und die (Arbeits-)Zeugnisse als einzelne Dokumente angehängt – oft in verschiedenen Dateiformaten. Nur zwei, drei Bewerber hatten die Unterlagen in eine pdf-Datei gepackt, so dass Keil nur eine Datei öffnen musste und eine sortierte Bewerbungsmappe vor sich hatte. Irgendwann entschied Keil: Die Bewerbungen mit „exotischen Datei-Anhängen“ schaue ich mir nicht mehr an. „Denn es ist nicht mein Job, den Kram erst mal zu konvertieren und danach die ausgedruckten Seiten zu sortieren.“
Dass sich Bewerber beim Erstellen von Online-Bewerbungen oft wenig Mühe geben, bestätigt der Personalberater Alexander Walz, Stuttgart. „Viele versenden ihre Bewerbungen im ‚Streuversand’, ohne sich vorab zu fragen: Habe ich bei der Stelle eine realistische Chance?“ Viele Bewerber fragen sich auch zu wenig: Wie wirkt es auf den Empfänger, wenn die angehängten Daten irgendwelche kryptischen Namen haben, so dass man erst nach dem Öffnen sieht, was sich in ihnen verbirgt?
08/15-Bewerbungen provozieren Standard-Absagen
Deshalb hat Walz Verständnis dafür, dass manche Unternehmen auf 08/15-Online-Bewerbungen, wenn überhaupt, nur noch mit Standard-Absagen reagieren. „Wer sich mit seiner Bewerbung wenig Mühe gibt, sollte sich nicht beschweren, wenn der Empfänger sich ebenso verhält.“ Denn anders könnten gerade Klein- und Mittelunternehmen der Flut von Bewerbungen, die sich nach manchen Stellenanzeigen über sie ergießt, nicht mehr Herr werden.
Welche Erfahrungen haben auch Sie mit Online-Bewerbungen gemacht? Schreiben Sie es uns im Kommentarfeld!
Zum Autor: Bernhard Kuntz ist Wirtschafts- und PR-Redaktor und Inhaber der Agentur Die PRofilBerater GmbH in Darmstadt.