Selbstständiges Arbeiten gegen Langeweile
Ohne selbst gefordert zu werden, kommt schnell Langeweile auf.
Selbstständiges Arbeiten wird im Frontalunterricht kaum gefördert. Zur mangelnden Motivation des Selbst-Lernens kommt die «Vernachlässigung sozialer Fähigkeiten» hinzu. Und doch sind in professionellen Kursen und an Schulen wenig Variationen oder Abweichungen von dieser Unterrichtsform zu finden. Sicher: Der Frontalunterricht und Präsentationen haben ihre Berechtigung, denn damit lassen sich einfache Inhalte schnell und effizient vermitteln. Gruppenunterricht und Teamaktivitäten als Alternative lassen sich nicht überall einsetzen. Eine grosse Bereicherung stellen in diesem Fall die Training Games dar.
Ganzheitliches Lernen
Training Games, oder auch interaktive Trainingsmethoden genannt, lassen sich in Frontalunterricht sehr einfach einbauen, weil sie kleine, interessante Einheiten sind, die Spass machen und alle Teilnehmer ins Thema des Unterrichts einbinden. Sie sind das Mittel der Wahl, um den Unterricht abwechslungsreicher zu gestalten. Ein guter Pädagoge sollte etwas auslösen und nicht langweilen. Training Games helfen dabei, einen guten Trainer oder Moderator zu unterstützen: Um etwas nachhaltig zu vermitteln, ist das Zusammenspiel von kognitiv-intellektuellen mit körperlich erlebten und affektiv-emotionalen Aspekten elementar. Es geht um ganzheitliches Lernen, das sich an individuellen Lernprozessen orientiert. Im Grunde genommen geht es um nichts Anderes als um «Lernen mit Kopf, Herz und Hand». Ein Konzept, das der Schweizer Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi schon 1746 bis 1827 postulierte. Training Games wirken, weil sie handlungs- und zielorientiert arbeiten und Kopf, Herz und Hand involvieren.
Herz und Hand gebrauchen
Wir brauchen den Kopf beim Lernen. «Eine Aktivität dient einzig dem Zweck, Anlass für eine Nachbesprechung zu geben. Gelernt wird nicht während der Aktivität, sondern bei deren Nachbesprechung in der Reflexionsphase», sagt Sivasailam Thiagarajan, der Erfinder der Training Games. Aus diesem Grunde sind alle Aktivitäten handlungs- und zielorientiert und dienen als Basis für eine Nachbesprechung. Wir brauchen Herz und Hand beim Lernen. Verstehen alleine genügt nicht. Wir müssen zuerst etwas erleben, um es dann zu leben. Spass haben beim Lernen ist erwünscht, denn wenn unsere Sinne auf der Gefühlsebene angesprochen werden, erinnern wir uns länger. Kopf und Herz spielen in die Hand, die Hand ins Herz und in den Kopf.
Handlungsorientiertes Training löst Lernprozesse aus, bei denen Erfahren, Entdecken, Erforschen, sich Austauschen und Reflektieren im Vordergrund stehen. Ein Rezept dazu bieten die interaktiven Trainingsmethoden von Thiagi, bei denen es um Kopf- und Handarbeit geht – unter der Beteiligung der Gefühlsebene.
Körperliche Aktivität und Denkarbeit
Sehen wir uns die Wirkungsweise von solchen Spielen an zwei konkreten Beispielen an:
Das Spiel mit dem Namen «35» kann eingesetzt werden, um eine Definition, eine gute Antwort zu finden oder den Austausch über ein Thema zu fördern. Dazu wird allen Lernenden eine Moderationskarte abgegeben. Wenn zum Beispiel das Thema «Wissen» behandelt wird, stellt der Pädagoge eine offene Frage, wie zum Beispiel: «Schreiben Sie ihre Definition von Wissen auf die Karte.» Nachdem alle ihre Definition geschrieben haben, laufen die Lernenden im Raum herum und tauschen mit jeder Person, die sie treffen, die Karte. Somit ist die eigene Karte irgendwo. Auf ein Zeichen halten die Teilnehmer an und gruppieren sich zu zweit. Die beiden Antworten werden verglichen und es können total 7 Punkte pro Zweierteam (also 0 und 7, 4 und 3) verteilt werden, je nach Nützlichkeit der Antwort. Diese Punkte werden auf der Rückseite der jeweiligen Karte notiert. Das Herumgehen, das Austauschen der Karten und Bewerten werden weitere vier Mal wiederholt. Nach der fünften Runde addieren die Teilnehmer die Punkte auf der Karte, die sie gerade haben. Der Trainer kündigt an, dass er von 35 hinunterzählt (maximale Punktzahl), und wenn ein Teilnehmer die entsprechende Punktzahl hat, liest er die Karte vor. Meistens werden die Top-3-bis-5-Antworten vorgelesen und können in den Unterricht eingebaut werden. So können in diesem Fall die Definitionen «Was ist Wissen?» der Teilnehmer mit der Definition des Trainers verglichen werden, und über die Unterschiede kann diskutiert werden.
Während dieser Aktivität beschäftigen sich die Teilnehmer intensiv mit der gestellten Frage, denn beim Bewerten werden jeweils zwei Antworten direkt verglichen. Neben der körperlichen Bewegung findet eine Gruppenarbeit zwischen zwei Personen statt. Die Teilnehmer lernen sich besser kennen und fällen gemeinsam eine Entscheidung. Ausserdem wird ihr Beitrag verwendet.
Wettbewerbsmoment einbauen
Das Spiel «Unterrichtsquiz» kann als Repetitionsspiel nach einer grösseren Theoriephase eingesetzt werden. Die Teilnehmer werden in zwei Gruppen aufgeteilt und bekommen die Aufgabe, zwei geschlossene und eine offene Frage für die andere Gruppe auszuarbeiten. Die Grundlage bildet der gerade behandelte Stoff. Nachdem die Fragen definiert wurden, fängt die erste Gruppe mit den beiden geschlossenen Fragen an. Pro richtige Antwort erhält die Gegenpartei einen Punkt. Nun stellt die zweite Gruppe ihre geschlossenen Fragen und ihre offene Frage. Die Antwort auf die offene Frage kann im Unterrichtsmaterial nicht nachgesehen werden und wird daher von der fragenden Partei mit bis zu drei Punkten bewertet. Nun stellt noch die erste Gruppe ihre offene Frage, bewertet die Antwort. Damit steht – vielleicht – ein Gewinner fest.
Das Ziel dieser Aktivität besteht darin, dass eine interaktive Repetitionsform abläuft. Um geschlossene Fragen stellen zu können, muss der Stoff gesichtet werden. Für die offene Frage findet aufbauend auf dem Thema eine Weiterentwicklung statt.
Brücke zum Gelernten
Bei beiden Beispielen ist es wichtig, dass man sich Zeit nimmt, den Ablauf und das Ergebnis zu reflektieren, also eine geeignete Form der Nachbesprechung wählt. Die Nachbesprechung verankert das Gelernte im Gedächtnis der Teilnehmer, während das Spiel an sich die Brücke zum Gelernten bildet.
Schon diese beiden einfachen Beispiele zeigen die Leichtigkeit auf, mit der im Unterricht, bei Meetings und Workshops alle Teilnehmer involviert und so aktiviert werden und spielerisch ihre Meinung und Beiträge einbringen können. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass Training Games durchwegs positive Auswirkungen haben. Der Trainer geht zwar ein gewisses Risiko ein, weil nicht alle Teile solcher Spiele kontrollierbar sind. Aber der positive und kreative Effekt, der im Unterricht oder Meeting entsteht, ist durch nichts zu ersetzen.