Kostbare Edelmetalle im Abwasser

Jährlich gehen in der Schweiz Edelmetalle im Abwasser verloren. Gold und Silber im Wert von 3 Mio. Franken beziffert eine soeben publizierte Ewawag-Studie. Recycling lohnte sich bisher nicht, doch auch anderen Elemente und Seltene Erden wie Gadolinium oder Schwermetall Niob wurden in der Eawag-Studie nachgewiesen.

Gold und Silber im Wert von 3 Millionen Schweizer Franken gehen im Abwasser verloren. (Bild: depositphotos)

Edelmetalle im Abwasser? Laufend werden in der Hightech-Industrie oder der Medizin Spurenelemente genutzt: Übergangsmetall Tantal oder das Halbmetall Germanium beispielsweise in elektronischen Bauteilen, Gadolinium in Röntgenkontrastmitteln und Leuchtfarben, Niob und Titan in Legierungen und Beschichtungen. Doch wenn diese Elemente ihren Dienst einmal getan haben, gelangen sie quasi ins Nirgendwo.

Vieles – wenn auch nicht alles – gelangt ins Abwasser. Eine Forschergruppe um die Eawag-Umweltchemiker Bas Vriens und Michael Berg haben darum mit 64 Schweizer Kläranlagen erstmals systematisch untersucht, welche Elemente in welchen Mengen mit dem gereinigten Abwasser „baden gehen“ oder mit dem Klärschlamm entsorgt werden. Die Studie wurde vom Bundesamt für Umwelt, BAFU, in Auftrag gegeben.

1070 Kilogramm Gadolinium

Interessant ist die Umrechnung der Konzentrationen auf den täglichen Pro-Kopf-Umsatz der jeweiligen Elemente in der Schweizer Bevölkerung. Dieser reicht von wenigen Mikrogramm (z.B. Gold, Indium, Lutetium) über einige Milligramm (z.B. Zink, Scandium, Yttrium, Niob, Gadolinium) bis zu mehreren Gramm (z.B. Phosphor, Eisen, Schwefel). Das scheint auf den ersten Blick wenig, doch hochgerechnet auf die Schweiz und das ganze Jahr kommen die Forscher dann auf beträchtliche Mengen, etwa 3000 kg Silber, 43 kg Gold, 1070 kg Gadolinium, 1500 kg Neodym oder 150 kg Ytterbium (siehe Tabelle 9 in den ergänzenden Informationen des Originalartikels).

Recycling stellenweise lohnenswert

Die Mittelwerte und hochgerechneten Tonnagen sagen wenig aus über die effektiv gefundenen Konzentrationen der Elemente. Sie variieren stark von Kläranlage zu Kläranlage, manchmal um den Faktor 100. So wurden zum Beispiel im Jura erhöhte Werte von Ruthenium, Rhodium und Gold gefunden (vermutlich aus der Uhrenindustrie) oder in Teilen von Graubünden und des Wallis erhöhte Arsengehalte (vermutlich geologischen Ursprungs).

An einzelnen Orten im Tessin ist die Goldkonzentration im Klärschlamm so hoch, dass sich sogar eine Rückgewinnung lohnen könnte. Die Erklärung dürften Goldraffinerien in der Region sein. Insgesamt lohnt sich eine Rückgewinnung von Elementen aus Abwasser oder Klärschlamm zurzeit aus Sicht der Forschenden jedoch kaum, weder finanziell noch mengenmässig. So entspricht etwa die gefundene Menge Aluminium nur 0,2 Prozent der jährlichen Importe, beim Kupfer sind es knapp 4 Prozent.

Kläranlagen nur bedingt „Hotspots“

Vielmehr als für den Geldwert der Spurenelemente interessierten sich die Forschenden für die grundlegenden Stoffflüsse und Massenbilanzen. Denn die Studie ist die erste, welche diese für das Abwasser eines Industrielandes systematisch erfasst hat. Dazu haben sie untersucht, welche Anteile des jeweiligen Elements das gereinigte Abwasser unterhalb von Kläranlagen zur Gesamtbelastung der Bäche und Flüsse beisteuert. Während für Gadolinium 83 Prozent des Inputs via Kläranlagen in die Gewässer gelangen, liegt der Anteil bei Zink nur bei 24%, für Lithium bei 7% und für Arsen sogar lediglich bei 1%.

Für den wichtigen Nährstoff Phosphor haben die Messungen der Studie frühere Berechnungen bestätigt: 50% der Phosphorfracht in den grossen Schweizer Flüssen gelangt über Kläranlagen in die Flüsse, stammt also aus dem Abwasser.

Schliesslich haben die Wissenschaftler auch die Bedeutung der Elementkonzentrationen für die Umwelt unter die Lupe genommen. Studien in Deutschland haben von lokal kritischen Werten der seltenen Erden Lanthan und Samarium im Rhein berichtet. Das scheint in der Schweiz kein Thema: An den allermeisten Orten sind keine ökotoxikologisch relevanten oder gesetzlich festgelegten Grenzwerte überschritten. Einzig die Schwermetalle Kupfer und Zink liegen in den Abläufen oder Schlämmen an einigen Orten zu hoch. Allerdings, so betonen die Studien-Autorinnen und Autoren, sei von vielen der „neuen“ Elemente noch wenig über ihre mögliche toxikologische Wirkung bekannt.

 

Originalpublikation: Quantification of Element Fluxes in Wastewaters: A Nationwide Survey in Switzerland; Bas Vriens, Andreas Voegelin, Stephan J. Hug, Ralf Kaegi, Lenny H. E. Winkel, Andreas M. Buser, and Michael Berg; Environmental Science & Technology 2017 51 (19), 10943-10953  (Coverstory des Oktoberhefts):

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