Senior Entrepreneurs auf dem Vormarsch
Wer heute ein Jungunternehmen gründet, muss dazu nicht unbedingt jung sein: Eine Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz zeigt nämlich, dass der Anteil an Senior Entrepreneurs steigt. Jeder vierte Unternehmensgründer ist heute über 50 Jahre alt.
Der Gang in die Selbständigkeit ist in der Schweiz beliebt – aber längst nicht nur bei jungen Leuten. Auch in der Altersgruppe 50+ nimmt die Zahl von Neugründungen zu. Die Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW wollte nun wissen, wer diese neuen Senior Entrepreneurs sind und führte eine Umfrage unter Unternehmen durch, die zwischen 2014 und 2019 gegründet worden sind. Eine zentrale Erkenntnis der Untersuchung: In den letzten 20 Jahren hat der Anteil der Gründungspersonen, die beim Schritt in die Selbständigkeit bereits 50 Jahre oder älter waren, stetig zugenommen. Heute ist jede vierte Gründungsperson zum Zeitpunkt des Schritts in die Selbständigkeit bereits 50 Jahre oder älter – vor zwanzig Jahren war es nur jede sechste Gründungsperson.
Senior Entrepreneurs: Erfahrung als Vorteil
Gibt es Unterschiede zwischen „echten“ Jungunternehmerinnen“ und den sog. Senior Entrepreneurs? Und wenn ja, worin bestehen diese? Die schriftliche Befragung von gut 300 Gründungspersonen hat in der Tat einige deutliche Unterschiede zwischen den jüngeren und älteren Selbständigen aufgezeigt. Auf der einen Seite schlägt sich das höhere Alter in den bisherigen Erfahrungen und dem vorhandenen Netzwerk nieder. Die Senior Entrepreneurs verfügen über deutlich mehr Berufs-, Führungs- und Branchenerfahrung. Zudem waren deutlich mehr Senior als Junior Entrepreneurs zuvor bereits einmal selbständig. Insgesamt stufen die Gründungspersonen 50+ ihr Wissen in fast allen Bereichen als höher ein als die jüngeren Kolleginnen und Kollegen. Auf der anderen Seite haben jüngere Gründer den Senior Entrepreneurs im Bereich Marketing und Kundenakquisition etwas voraus, insbesondere bei den Stichworten Verkauf und Social Media. Hier stufen sich die älteren Gründungspersonen als weniger fit ein.
Viele Beratungsunternehmen
Die grössere Erfahrung von Senior Entrepreneurs zeigt sich auch darin, dass sie viel weniger häufig Unterstützung in ihrem Umfeld, etwa Bekannte, Verwandte oder Bezugspersonen aus Schule und Studium, beanspruchen. Im Gegenteil: Die langjährigen Erfahrungen und Beziehungen erklären viele Senior Entrepreneurs gleich zum Geschäftsmodell. Entsprechend hoch ist der Anteil an von Beratungsunternehmen, die von Personen 50+ gegründet werden, nämlich rund ein Drittel. Sie machen dies in der Regel allein, ohne Mitarbeitende. Die Unternehmen der Gruppe 50+ sind von Beginn an etwas kleiner und wachsen weniger stark in Bezug auf die Angestellten als ihre jüngeren Kolleginnen und Kollegen. So sind 50% auch nach 3.5 Jahren noch Ein-Personen-Unternehmen ohne Angestellte, verglichen mit 40% bei den jüngeren Gründerinnen und Gründern.
Volkswirtschaftlich begrüssenswerter Trend
Ein wichtiges Motiv zum Schritt in die Selbständigkeit für die Generation 50+ ist die eingetretene oder drohende Arbeitslosigkeit. Es ist gemäss der FHNW-Studie denn auch nicht verwunderlich, dass nur 25 % der Senior Entrepreneurs glauben, dass sie gut wieder einen Job finden, verglichen mit 64% bei der jüngeren Altersgruppe.
Nach Ansicht der Studienautoren ist der Trend zur späten Selbständigkeit positiv für die Volkswirtschaft. Denn es mache Sinn, dass das Wissen, die Kompetenzen und die Erfahrungen der gut ausgebildeten Personen mit einem Leistungsausweis (langjährige Branchen-, Berufs- und Führungserfahrung) nicht nur einem Unternehmen, sondern verschiedenen Unternehmen zugutekommen würden. Die Gesellschaft und auch die Hochschulen sollten entsprechend auf diesen Trend reagieren und vermehrt auch Unterstützungsangebote für diese Gruppe anbieten, so eine Handlungsempfehlung der Studie.
Quelle: Fachhochschule Nordwestschweiz