Wie Selbstführung im selbstorganisierten Arbeitskontext funktioniert
Das IAP Institut für Angewandte Psychologie der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften hat sich im Rahmen der Studien-Reihe «Der Mensch in der Arbeitswelt 4.0» dem Thema «Selbstführung» gewidmet und dazu 32 Fach- und Führungspersonen befragt, die bereits in einem selbstorganisierten Kontext arbeiten.
Selbstorganisiertes Arbeiten gewinnt im Arbeitsalltag zunehmend an Bedeutung. Unternehmen entfernen sich immer stärker von hierarchischen Strukturen und setzen vermehrt auf Selbstorganisation und agile Arbeitsformen. Dabei sind Mitarbeitende und Teams gefordert, sich selbst zu führen. Dass viele Menschen derzeit aufgrund der Corona-Pandemie im Home-Office arbeiten, verstärkt diesen Trend noch. Wie erleben sich Menschen in selbstorganisierten Arbeitskontexten? Wie führen sie sich selbst? Welche Chancen erkennen und nutzen sie? Welche Herausforderungen gilt es zu meistern? Welche Kompetenzen sind hilfreich, um sich selbst gut zu führen?
Selbstführung ist anspruchsvoll
Auf individueller Ebene zeigt sich, dass Mitarbeitende den erweiterten Gestaltungsraum und die erhöhte Einflussnahme durch eigene Entscheidungen schätzen. Dadurch wird die Selbstwirksamkeit gestärkt und das Gefühl der Sinnhaftigkeit erhöht. Dies spiegelt sich im Anstieg von Motivation und Engagement wider. Selbstführung erfordert aber eine kontinuierliche Entwicklungs- und Veränderungsbereitschaft, Reflexionsfähigkeit, Selbstinitiative und ein hohes Verantwortungsbewusstsein.
Offenheit und Veränderungsbereitschaft sind gefragt
Allgemein werden hohe intra- und interpersonelle sowie auch fachliche Kompetenzen als wichtig bewertet. Fachlich sollten Mitarbeitende in der Lage sein, komplexe Inhalte zu strukturieren und zu bearbeiten. Offenheit gegenüber Neuem und eine hohe, kontinuierliche Lernbereitschaft sind gefragt. Selbstführung erfordert Ausdauer, Disziplin, selbstbewusstes Handeln und mentale Stärke im Umgang mit Drucksituationen. Da viele Absprachen nötig sind, um sich gemeinsam und doch selbstständig zu organisieren, ist eine hohe Sozialkompetenz wie auch eine ausgeprägte Konfliktfähigkeit zentral.
Zusammenarbeit auf Augenhöhe
Auf der Teamebene stellen die selbstorganisierten Kollegen und Kolleginnen einen gesteigerten Austausch untereinander und eine hohe Motivation fest. Die allgemeine Bereitschaft für Selbstverantwortung sowie auch das Definieren von klaren Zielen und Verantwortlichkeiten fördern die erfolgreiche Zusammenarbeit im Team. Ebenfalls wurde eine ausgeprägte Wertschätzung durch das Arbeiten auf Augenhöhe bemerkt. Dabei sind Vertrauen und psychologische Sicherheit im Team von hoher Bedeutung. Fehlende Kommunikation und mangelnde Priorisierung oder mangelnde Transparenz in der Aufgabenverteilung hindern hingegen die Zusammenarbeit. Konflikte werden in selbstorganisierten Teams oft dialogisch und eigenständig ausgehandelt, wobei es auch spezifische Rollen zur Konfliktbearbeitung gibt.
Mehr Freiheit versus Überforderung
Auf organisatorischer Ebene werden Transparenz, klare Rollen- und Zieldefinitionen und ein lernförderndes Arbeitsklima als unterstützende Rahmenbedingungen wahrgenommen. Zu stark sanktionierende Unternehmenskulturen und Micromanagement erschweren Selbstführung. Selbstführung erfordert mehr Kommunikation. Weiter muss sich die Organisation bewusst sein, dass durch vermehrte Selbstführung auch die Gefahr der Überanstrengung und Überforderung der Mitarbeitenden besteht. Entsprechende Rahmenbedingungen sowie das Vorhandensein einer guten Fehlerkultur und psychologischer Sicherheit können dem entgegenwirken. Unternehmen können eine selbstführende Arbeitsweise somit aktiv fördern.
Quelle und weitere Informationen: www.zhaw.ch/psychologie