Wie Start-ups und etablierte Unternehmen voneinander lernen

Mit etablierten Unternehmen und jungen Start-ups werden oft «typische» Eigenschaften in Verbindung gebracht: Start-ups sind in der Regel gut in der Entwicklung von innovativen Ideen und Prototypen, während etablierte Unternehmen über die notwendigen Ressourcen zu deren Umsetzung verfügen. Diese und weitere «typischen» Charakteristika stehen im Zentrum des KMU-Spiegel 2020 der FHS St.Gallen.

Etablierte Unternehmen und Start-ups: Sie können viel voneinander lernen, wenn sie sich ideal ergänzen. (Bild: KMU Spiegel 2020 / FHS St.Gallen)

Mit etablierten Unternehmen und jungen Start-ups werden oftmals ganz unterschiedliche Stärken und Schwächen in Verbindung gebracht. Start-ups sind in der Regel gut in der Entwicklung von innovativen Ideen und Prototypen, haben aber oftmals Schwierigkeiten bei der Vermarktung ihrer Leistungen und selten Erfahrung mit der Skalierung ihres Geschäftsmodells. Etablierten Unternehmen gelingt es hingegen zumeist nicht, radikal neue Ideen und Vorhaben zu entwickeln und erfolgreich umzusetzen. Allerdings verfügen sie über den Zugang zu Vertriebskanälen, eingespielte Prozesse sowie finanzielle Ressourcen für die Entwicklung von Produkten und Personal mit den verschiedensten Qualifikationen. Routine, Branchenwissen und Geschäftsexpertise auf der einen Seite, Schnelligkeit, Flexibilität und Experimentierfreudigkeit auf der anderen, zumindest wenn es nach den Wahrnehmungen Schweizer Führungskräfte und Mitarbeitenden geht.
Dies zeigen einige zentrale Erkenntnisse des KMU-Spiegels 2020, welches das Institut für Unternehmensführung IFU-FHS an der FHS St.Gallen jährlich herausgibt. Der KMU-Spiegel untersucht praxisnahe Fragestellungen, die für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) von besonderem Interesse sind und konnte dank der finanziellen Unterstützung und der inhaltlichen Begleitung von Helvetia Versicherungen und BDO Schweiz durchgeführt werden.

Innovativ aber ineffizient oder effizient aber betriebsblind?

Mehr als 70% der Befragten sind sich einig, dass die grössten Stärken von Start-ups vor allem darin liegen, Neues anzupacken, innovative Lösungen zu entwickeln und diese auf den Markt zu bringen. Die Kehrseite der Innovationsfähigkeit ist oft jedoch ein gleichzeitiger Mangel an finanziellen Ressourcen sowie eine geringere Effizienz und Profitabilität. Bei etablierten Unternehmen verhält es sich umgekehrt. Ihre Stärke liegt in der Beständigkeit und darin, Bestehendes effizient zu nutzen. Diese Fähigkeiten gehen aber häufig zu Lasten der Innovationsfähigkeit und Flexibilität. Die Teilnehmenden der Studie betonen aber, dass Innovationen auch in etablierten Unternehmen stattfinden können. Doch diese stehen sich oft selbst im Weg. «Der Fokus reifer Unternehmen liegt oft auf dem Tagesgeschäft, mit dem Profit erwirtschaftet wird, und mit welchem ein reichhaltiger Erfahrungsschatz aufgebaut werden konnte,» meint Prof. Dr. Petra Kugler vom IFU-FHS und Mitautorin der Studie. Längerfristig entständen routinisierte, manchmal auch festgefahrene Denk- und Verhaltensmuster; eine «Betriebsblindheit». Gerade erfolgreiche, in einem stabilen Umfeld tätige Unternehmen hätten keine Anreize, vom Bewährten abzuweichen. «Verändert sich jedoch die Situation reifer Unternehmen, dann braucht es auch neue Lösungen,» ergänzt Kugler. Was auch gelingt, so meint ein Teilnehmer der Studie, denn «auch etablierte Unternehmen sind fähig, radikale Lösungen zu finden, doch erst in kritischen Situationen, in denen es unumgänglich ist.»

Innovationen werden dann nicht als kontinuierlicher Prozess, sondern vielmehr als eine punktuelle Notwendigkeit verstanden. Aufgrund der unterschiedlichen Stärken und Schwächen braucht es auch unterschiedliche Unterstützungsangebote. «Der Bedarf an Beratungsdienstleistungen von Start-ups und etablierten Unternehmen unterscheidet sich grundsätzlich. Wir stellen jedoch fest, dass sowohl für Start-ups wie auch für etablierte Unternehmen die Digitalisierung ein zentrales Thema ist. Gerade bei Start-ups sind digitale Technologien häufig Grundlage für innovative Lösungen.» ergänzt Stefan Gerber, Leiter Markets, BDO Schweiz.

Wenn Start-ups und etablierte Unternehmen zusammenarbeiten, können beide gewinnen

Die Wahrnehmung der Studienteilnehmenden decken sich mit zahlreichen Erkenntnissen der Wissenschaft. Somit ergänzen sich junge und reife Unternehmen im Hinblick auf ihre jeweiligen Stärken und Schwächen. «Beiden Unternehmenskategorien fällt es allerdings schwer, die Stärken der anderen Kategorie umzusetzen, ohne die eigene Identität zu verlieren» meint Prof. Dr. Rigo Tietz, Mitautor und Projektleiter der Studie. Die Herausforderung sei es also, die jeweiligen Stärken beizubehalten und dennoch von der anderen Seite zu lernen, um von beiden Welten zu profitieren. Dafür stünden unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung: Während junge Unternehmen mit zunehmendem Erfolg schrittweise stabiler werden, stehen reifen Unternehmen unter anderem agile Prozesse oder flexible Arbeitsmethoden zur Verfügung. Oder es wird eine Zusammenarbeit angestrebt.

Mittels Kooperationen zwischen jungen und reifen Unternehmen lassen sich gezielte Lernprozesse anstossen oder die vorhandenen Stärken nutzen. «Bei Helvetia arbeiten wir mit verschiedenen Start-ups intensiv zusammen. Auch wir haben die Erfahrung gemacht, dass eine Zusammenarbeit für beide Seiten sehr wertvoll ist und wir uns oftmals gut ergänzen. Voraussetzung dafür ist, dass beide Seiten offen sind und voneinander lernen möchten.», berichtet Adrian Kollegger, Leiter Nicht-Leben, Helvetia Schweiz, über seine Erfahrungen.

Weitere Informationen: www.fhsg.ch/kmu-spiegel

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