Fehlende IT-Bildung gefährdet Innovationsstandort Schweiz

Die Informations- und Kommunikationstechnologie ist die Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts. Sie entwickelt sich rasanter als jede andere und hat grösste Bedeutung für die Wirtschaft. Doch während die Digitalisierung die Arbeitswelt und Gesellschaft mehr und mehr verändert, hinkt die IT-Bildung hinterher. Die fatale Folge: Nachwuchskräfte fehlen.

Ralf Peters fordert mehr IT-Bildung, um den Innovationsstandort Schweiz nicht zu gefährden. (Bild: DSAG / zVg)

Dass in den so genannten MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) Arbeitskräfte fehlen, ist nicht neu. Das Ausmass des Problems ist es jedoch. Laut der 2018 mit der Universität Zürich (UZH) zusammen durchgeführten Studie [1] von Adecco stieg der Fachkräftemangel Gesamtschweizerisch um 8 Prozent gegenüber dem Vorjahr an. Insbesondere in den Bereichen Management und Organisation betrug der Fachkräfte-Mangel-Zuwachs satte 25 Prozent. Gleichermassen gibt es eine Studie vom Weltwirtschaftsforum zur Zukunft der Arbeit, laut der zwei Drittel der Grundschüler in einem Beruf arbeiten werden, den es noch gar nicht gibt. Durch Automatisierung werden Berufe wie Radiologe oder Bankberater weitgehend verschwinden. IT-Fachkräfte hingegen werden weiter gesucht werden. Die IT hat an nahezu jedem Arbeitsplatz Einzug gehalten und die Anforderungen an IT-Fachkräfte steigen kontinuierlich. Die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt in einem Tempo und mit einer Dynamik, die nur mit Menschen zu bewältigen ist, die über die erforderliche Kompetenz verfügen.

In IT-Bildung investieren

Doch schon heute fehlen wie geschrieben Tausende Informatiker. Ein Mangel, der das Wachstum ganzer Branchen hemmt und die Schweiz, Österreich und Deutschland als Innovationsstandorte in Bedrängnis bringt. Deshalb muss unbedingt mehr für die digitale Bildung junger Menschen getan werden. Sie entscheidet, wie es mit den Standorten der Unternehmen im DACH-Raum weitergeht.

Das Wichtigste wäre, das Bildungssystem schnell und effizient zu adaptieren, damit es künftigen Rahmenbedingungen gerecht wird. Das fängt schon bei der Ausstattung der Schulen an. Jede weiterführende Schule braucht einen Glasfaseranschluss und modernes technisches Equipment in ausreichender Menge. Darüber hinaus muss ein entsprechender Lehrplan geschaffen werden.

Wir brauchen Themen wie Programmieren als verpflichtende Kurse in der Schule, wie eine zweite Fremdsprache. Medienkompetenz, kritischer Umgang mit Informationen und Daten, Sicherheit im Netz sowie das Wissen über Technik, Coding und Problemlösung – also alles, was das Thema „Digitalisierung“ betrifft, müsste aus dem Informatikunterricht herausgelöst und in sämtlichen Fächern integriert werden. Im Geschichtsunterricht ist es z. B. wichtig, über Kryptografie sowie die Auswirkungen maschineller Datenverarbeitung im Zweiten Weltkrieg zu sprechen. Nur so bekommt man überhaupt ein Bewusstsein dafür, was mit Daten angestellt werden kann. Schüler müssen lernen, wie komplexe Prozesse nur aus Nullen und Einsen bestehen, wie Nachrichten binnen Sekundenschnelle von A nach B gelangen und wie sich soziale Netzwerke unfassbare Datenmengen merken.

Kooperationsmodelle notwendig

Doch nicht jede Schule hat das Personal, um IT-Kurse anzubieten oder den Fokus in den Fächern stärker auf die Digitalisierung zu legen. Deshalb müssen wir Kooperationsmodelle zwischen Schulen, Unternehmen und Verbänden wie der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe e. V. (DSAG) entwickeln und Kurse z. B. aus der Cloud für alle interessierten Schüler anbieten. Niemand mit Interesse an dem Thema darf an einem fehlenden Zugang zu Wissen scheitern.

Ein verbesserter Wissenstransfer wird nicht nur dazu führen, dass sich mehr junge Menschen für die IT interessieren. Er wird auch Studienabbrüche reduzieren. Denn oftmals sind fehlende Informationen oder falsche Erwartungen schuld daran, dass potenzieller IT-Nachwuchs frühzeitig die Segel streicht, obwohl zukunftssichere, interessante und gut bezahlte Jobs winken. Unternehmen, die mit SAP arbeiten und dafür Nachwuchs gewinnen möchten, sollten daher z. B. dafür sorgen, dass die jungen Menschen wissen, was sie erwartet. Hier gilt es auch ein Stück weit Vorurteile abzubauen. SAP ist IT-architektonisch keine in sich weitestgehend geschlossene ABAP-Welt mehr, in der sich die Unternehmen ihren IT-Nachwuchs herangezogen haben. Seit sich SAP die Java-Welt und die Cloud erschlossen hat, ist der Konkurrenzkampf mit den grossen und innovativen App-Entwicklern eröffnet. Auch SAP ist in die angesagte App-Entwicklung eingestiegen. Weg von den klassischen, meist langwierigen Entwicklungszyklen einer Lösung, hin zur agilen Entwicklung mit kurzen Schritten und schnell realisierbaren Erfolgen. Doch nur die wenigsten der kommenden IT-Spezialisten kennen diese Facette.

[1] http://adeccogroup.ch/de/studien/fachkraeftemangel-index-schweiz/fachkraeftemangel-index-2018/

Autor:
Ralf Peters ist Vorstand Anwendungsportfolio, Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe e. V. (DSAG)

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