Plattformökonomie: Schweizer Unternehmen unter Zugzwang

Digitale Marktplätze und Plattformen verändern seit einigen Jahren die Spielregeln im internationalen Wettbewerb. Sie sammeln Marktanteile etablierter Unter­nehmen ein und stellen das Wettbewerbsgefüge ganzer Branchen auf den Kopf. Was sind die Prinzipien der sogenannten Plattformökonomie und wie können Schweizer Unternehmen davon profitieren?

Online-Shopping ist längst nicht nur etwas für Privatkunden. Die Chancen der Plattformökonomie sollten auch Unternehmen verstärkt nutzen. (Bild: William W. Potter – Fotolia.com)

Seit jeher sind Marktplätze und Plattformen zentrale Orte, an denen sich Menschen treffen, um Handel zu treiben, Kontakte zu knüpfen und Dienstleistungen auszutauschen. Sie erweitern das Geschäftsfeld von Händlern und verbinden sie mit potenziellen Kunden. Der Unterschied zum Zeitalter der Industrie 4.0 besteht darin, dass die digitalen Märkte den Regeln und Mechanismen der digitalen Transformation folgen, ihr Handelsraum global und nicht mehr lokal begrenzt ist und sie keinerlei zeitlichen Beschränkungen unterliegen.

Unternehmen der USA dominieren die Plattformwirtschaft

US-amerikanische Unternehmen wie Google, Amazon, Facebook und Apple (GAFA) dominieren immer grössere Teile der Wertschöpfung und gewinnen in immer mehr Märkten an Relevanz. Charakteristisch für sie ist ihre Netzwerkstruktur – mit der Anzahl ihrer Teilnehmer steigt der Nutzen und die Attraktivität der Plattformen. Das daraus resultierende Wachstum des Netzwerks kann zu einer Marktkonzentration oder Monopolstellung führen.

Bedürfnisse der Nutzer und Anbieter zusammenbringen

Unter Umständen werden Plattformen von Unternehmen ins Leben gerufen, die mit den darauf vertriebenen Dienstleistungen oder Produkten ursprünglich gar nichts zu tun hatten. So hat beispielsweise der Computerhersteller Apple mit der Einführung des iPhones etablierte Handyhersteller wie Nokia, Samsung oder Sony Ericsson in Bedrängnis gebracht. Der Grund für den wirtschaftlichen Erfolg des iPhones ist nicht allein das clevere Design, sondern die Möglichkeit, darauf Applikationen zu installieren, die ausschliesslich auf dem proprietären App Store angeboten werden. Der Store ist zu einer rege genutzten Online-Plattform geworden, auf der die iPhone-User ihre Apps herunterladen, während Software­entwickler dort ihre Anwendungen zum Kauf anbieten. Beide Seiten sind auf die Plattform als Marktplatz angewiesen – sie werden an die Plattform gebunden.

In hohem Tempo zu marktbeherrschender Stellung

Auch Google, Amazon und Facebook ist es auf ähnliche Weise gelungen, ein Monopol aufzubauen. Dabei ist unter anderem von Bedeutung, dass sie ihre Online-Aktivitäten laufend ausgebaut haben, was die Aggregation der Nutzer nochmals beschleunigt hat. Die Geschwindigkeit, mit der sie den Markt einnehmen, ist beängstigend.

Doch aus dieser Entwicklung ergeben sich auch Chancen. Dank Plattformökonomie können Unternehmen digi­tale Geschäftsmodelle zur Umsatzsteigerung erfolgreich nutzen. Das erfordert neben dem passenden Geschäftsmodell vor ­allem ein breites Know-how im IT-Bereich, optimierte Geschäftsprozesse, aber auch flache Hierarchien, die den Entstehungsprozess innovativer Ideen fördern. Schweizer Un­ter­nehmen sind gut beraten, wenn sie versuchen, Strategien zu entwickeln, wie sie Online-Plattformen zu ihrem eigenen Vorteil nutzen oder sogar eigene Plattformmodelle aufbauen können. Denn wer jetzt schläft, läuft Gefahr, dass die Kon­kurrenz schneller ist und die Marktanteile abschöpft.

Online-B2B-Marktplatz bietet Chancen für viele Branchen

Der B2B-Marktplatz «Wer liefert was» ist eine typische Plattform, deren Netzwerk laufend wächst und die für Unternehmen jedwelcher Branchen genutzt werden kann, um die Online-Sichtbarkeit gegenüber potenziellen und bestehenden Kunden zu erhöhen, aber auch um einen zusätzlichen Absatzkanal zu öffnen. Im Endkundengeschäft sind Online-Marktplätze und -Plattformen längst etabliert. Immer mehr Unternehmen nutzen beispielsweise Online-Handelsplattformen wie Ebay als zusätzlichen oder sogar hautsächlichen Vertriebskanal. Doch auch beim Handel zwischen Unter­nehmen öffnen sich neue Perspektiven. So hat der Online-Versandhändler Amazon wie zuvor in den USA nun auch in Deutschland seine Plattform für den B2B-Bereich geöffnet. Für den europäischen Raum insgesamt ist aber die Wachstumsstrategie der Online-Plattform «Wer liefert was» noch bedeutsamer. Der im DACH-Raum führende B2B-Marktplatz hat mit dem Erwerb der europäischen Plattform EUROPAGES den Grundstein zur Digitalisierung des europäischen B2B-Marktes gelegt.

Für professionelle Einkäufer von Unternehmen wird die Beschaffung über B2B-Marktplätze mehr und mehr zum Alltag. Für Händler sind sie ein guter Weg, neue Märkte und Absatzmöglichkeiten zu erschliessen. Auch KMU und Fachhändler in Nischensegmenten, die erst eine geringe Mar­kenbekanntheit für sich verbuchen, profitieren von der Reichweite der Online-Marktplätze. «Insbesondere Firmen der Metall- und Maschinenbauindustrie laden ihre Kunden oft dazu ein, eine Messe zu besuchen, um ihnen dort ihre Produkte und Technologien zu präsentieren», sagt Peter F. Schmid. «Dabei ist die Reichweite eines Messestandes verhältnismässig gering und professionelle Einkäufer beginnen die Suche nach Lieferanten heute sowieso in erster Linie mit einer Recherche im Internet», erklärt der CEO von «Wer liefert was» und ergänzt: «Gerade komplexe Hightech-Lösungen lassen sich mit Bildern, Video- und 3D-Animationen auf ideale Weise online visualisieren.»

Plattformökonomie für Schweizer KMU

Digitale Plattformen sorgen im B2B-Segment für einen komplizierteren und dynamischeren Wettbewerb. Es ist daher von elementarer Bedeutung, dass Unternehmen eine individuelle Plattform-Strategie entwickeln. Viele Unternehmen haben auf die aktuellen Herausforderungen noch keine Antwort und unterschätzen die Bedeutung der neuen Möglichkeiten für ihren geschäftlichen Erfolg. Schweizer Unternehmen müssen sich die Frage stellen, welche Rolle sie künftig spielen möchten und wie sie Chancen nutzen können.

Es geht nicht darum, aus jedem Unternehmen einen Plattformbetreiber zu machen – es geht um die schnelle Anpassung an neue Rahmenbedingungen. Dies kann zwar bedeuten, dass sie Plattformen selbst aufbauen und betreiben. Dies kann aber auch bedeuten, dass sie auf verschiedenen Plattformen als Anbieter vertreten sind und diese unter­stützen, wenn sie aufgrund ihrer Offenheit dem eigenen Geschäftsmodell besonders förderlich sind. Die Verlierer der digitalen Transformation werden jene sein, die zu lange auf ein traditionelles Geschäftsmodell fokussiert sind und zu langsam auf die neuen Entwicklungen reagieren.

Marktplätze sind heute wie damals wichtige Plattformen der Begegnung, Kooperation und der Geschäfte. In der digitalen Welt stellen sie die Infrastruktur zur Verfügung, die analoge Unternehmen benötigen, um mit geringem Aufwand online Handelsbeziehungen zu knüpfen. Ihre Entwicklung ist noch lange nicht abgeschlossen und ihre Kraft und ihr Potenzial sind riesig.

 

Was ist Plattformökonomie?

Digitale Plattformen bringen auf einem Online-Marktplatz Anbieter von Produkten und Dienstleistungen mit Kunden zusammen. Der Plattformbetreiber verdient durch Gebühren der Anbieter, Kunden können Zugangsbeschränkungen unterliegen. Digitale Plattformen sind bisher überwiegend im Privatkundenmarkt anzutreffen, drängen aber in den B2B-Bereich mit zunehmender Relevanz für das produ­zierende Gewerbe. Digitale Plattformen sind eine der wichtigsten Transformationserscheinungen der Digitalisierung der letzten Jahre. Plattformen als Kommunikations- und Marketingkanal für die Ver­mittlung von Produkten und Dienstleistungen sind inzwischen fester Bestandteil der digitalen Wirtschaft.

 

Autor:
Christian Iten ist Marketingberater bei PULSCOM !. www.pulscom.ch

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