«Die Energiekosten können meist um mehr als ein Drittel gesenkt werden»
Der Verein InfraWatt hat sich die Energieproduktion und -nutzung auf die Fahne geschrieben. Im Fokus stehen die Infrastrukturbetreiber von Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Kehrichtverwertung. Ernst A. Müller hat das Zepter an Laure Deschaintre übergeben – er zieht Bilanz.
Sie waren die vergangenen elf Jahre die treibende Kraft hinter InfraWatt. Was hat die Organisation in dieser Zeit erreicht?
Ernst A. Müller, Geschäftsführung InfraWatt, Energie in Infrastrukturanlagen: Wir konnten den Branchen vermitteln, dass sie mit ihrem Abwasser, Abfall, Abwärme und Trinkwasser über grosse Energiepotenziale verfügen, die sie sinnvoll umsetzen können. Auch haben wir in Bundesbern bessere Rahmenbedingungen für unsere Branchen bewirkt, und so wurden vermehrt Energieprojekte realisiert.
Konkret – wie viele Projekte konnten in den letzten Jahren realisiert werden, wie viel klimaschädliches Kohlendioxid wurde dadurch eingespart?
Da muss ich passen, wir haben keine Liste geführt, da wir von InfraWatt mit Information, Aus- und Weiterbildung sowie Beratung erst Grundlagen gelegt haben. Realisiert hat letztlich der Markt die Projekte. Wir konnten aber sicherlich massgeblich dazu beigetragen, dass viele Energieprojekte ausgelöst und in Milliardenhöhe investiert wurde.
Aus welchem Bereich haben die Projekte dominiert?
Bei der Abwasserreinigung (ARA) hatte anfangs das Thema Energie noch nicht die Bedeutung wie heute. Bei Kehrichtverwertung (KVA) werden die Wirkungsgrade der Energienutzung ständig weiter gesteigert. Bei den Wasserversorgungen (WV) konnte ein Boom bei den Trinkwasserkraftwerken ausgelöst werden.
Welches waren sehr erfolgreiche Projekte?
Da möchte ich das Leuchtturmprojekt «Regelpooling mit Wasserversorgungen und Abwasserreinigungsanlagen» mit Unterstützung des Bundesamtes für Energie (BFE) aufführen (vgl. www.regelpooling.ch). Wenn wir aber von Wirkung sprechen, dann waren es die Stromsparprogramme für ARA, KVA und Wasserversorgungen sowie die Steigerung der erneuerbaren Stromproduktion bei den Trinkwasserkraftwerken, ARA und KVA dank der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV). Hier haben wir mit unseren Info- und Beratungskampagnen die nötige Vorarbeit geleistet.
Wie sieht es mit dem finanziellem Aufwand und Ertrag für den Infrastrukturbetreiber aus?
Die erneuerbare Energieproduktion ist, wie in anderen Bereichen, häufig noch von der finanziellen Förderung abhängig. Bei der Energieeffizienz der grossen Stromverbraucher ARA, Wasserversorgung und KVA haben wir mit unseren Analysen festgestellt, dass bei praktisch allen Anlagen sehr günstige Sofortmassnahmen möglich sind, die bereits kurzfristig einen schönen Gewinn abwerfen. Deutlich grösser sind aber die Energiepotenziale, wenn jene Massnahmen umgesetzt werden, die über die Lebensdauer wirtschaftlich sind. Insgesamt können die beträchtlichen Energiekosten der Betriebe zumeist um ein Drittel oder sogar die Hälfte gesenkt werden.
Sie legen die Geschicke von InfraWatt in jüngere Hände. Zieht sich Ernst Müller vollständig aus der Szene zurück? Wie sehen die Zukunftspläne aus?
Ich habe angeboten, dass ich noch zwei, drei laufende Projekte fertig mache. Dazu gehört vor allem das Programm «Energie in Infrastrukturanlagen», das InfraWatt mit Unterstützung des BFE/Energie Schweiz durchführt; es läuft noch bis Ende 2021. Auch habe ich noch weitere Projektideen. Ich werde aber nach diesem Frühling sicher kürzertreten.
Die neue Geschäftsführerin Laure Deschaintre kommt aus der Westschweiz. Soll dieser Landesteil vermehrt bearbeitet werden, ist InfraWatt hier weniger erfolgreich unterwegs?
Wir haben bei unseren Aktionen immer darauf geachtet, dass wir alle drei Landesteile gut bedienen. Laure Deschaintre, die vor wenigen Tagen das Zepter bei InfraWatt übernommen hat, kann aber aufgrund ihrer Fachkompetenz, ihrer Kommunikationsfähigkeit und ihres Engagements vom Standort Yverdon aus die Romands sicherlich noch besser erreichen. Die deutschsprachige Schweiz soll aber nicht zurückstehen, da Michèle Vogelsanger als langjährige Mitarbeiterin von mir weiterhin aus Schaffhausen die neue Chefin unterstützt.
Welche Strategie verfolgt der Verein in den nächsten zehn Jahren?
Dazu haben wir eine Mitgliederumfrage durchgeführt. Sie hat gezeigt, dass sich die InfraWatt-Mitglieder gut aufgehoben fühlen und die Schwerpunkte wie gehabt beim Lobbying, der Förderung, den Infos und Beratungen legen wollen. Nun haben wir in einem weiteren Schritt einen Workshop vorbereitet, um die zukünftigen Herausforderungen und Ziele mit den dazugehörenden Strategien zu definieren.
Hat InfraWatt auch die Klimaziele 2050 im Fokus?
Experten der «Wärmeinitiative Schweiz» haben gezeigt, dass zukünftig Wärmeverbünde sehr wichtig werden. Dabei hat die ortsgebundene Abwärme aus dem Abwasser und den KVA hohe Priorität. Damit könnte im Jahr 2050 ein Sechstel vom gesamten Wärmebedarf der Schweiz abgedeckt werden. Das sind sehr interessante Perspektiven für unsere Branchen, weshalb wir bereits vor einiger Zeit einen gewichtigen Schwerpunkt bei der CO2-Reduktion gesetzt haben. Damit kann der Verein InfraWatt einen bedeutenden Beitrag zu den Klimazielen, sprich Netto-null-Treibhausgasemissionen, bis 2050 leisten.
Ist es denkbar, dass Ihre Organisation – nebst Vorträgen – auch im Ausland tätig wird?
Interessanter Gedanke, zumal ich auch in Deutschland für die Erstellung des Energie-Handbuchs für Kläranlagen zuständig war und ein Programm zur Abwasserwärmenutzung in Baden-Württemberg sehr erfolgreich umsetzen durfte.
Laure Deschaintre hat als Leiterin von Projekten mit 18 Partnern der Europäischen Union zusätzlich ausgezeichnete Verbindungen über die Landesgrenzen hinaus. Ob die Organisation InfraWatt sich neu auch ins Ausland ausrichten soll, müsste man an einem Workshop diskutieren.
Was würden Sie rückblickend anders machen?
Wir waren manchmal zu bescheiden angesichts der energetischen Wirkung, die wir erzielt haben und der noch vorhandenen Energiepotenziale. Ich denke auch, wir sollten die Fachkompetenz unserer Mitglieder noch mehr nutzen und sie einbeziehen. Insgesamt ziehe ich eine positive Bilanz für den Verein InfraWatt. Und für mich war es eine sehr gute Zeit mit vielen interessanten Leuten. ■