Firmenverkäufe ins Ausland auf Rekordniveau
Im ersten Halbjahr 2018 haben die Schweizer KMUs stark an Attraktivität gewonnen: Im Vergleich zur Vorjahresperiode kauften ausländische Firmen 38% Prozent mehr Schweizer KMUs, die Zahl inländischer Käufer blieb beinahe gleich. Gemäss einer Analyse von Deloitte nahm die Zahl der Transaktionen insgesamt um 6,4% zu.
Die Firmenverkäufe ins Ausland erreichten zwischen Januar und Juni 2018 einen neuen Rekord: 40 Schweizer KMU gingen in ausländischen Besitz über, das ist ein markanter Anstieg von 38% im Vergleich zur Vorjahresperiode. Die Käufer sind mehrheitlich in Europa zu finden, neun stammen aus Deutschland, je drei aus Frankreich und Grossbritannien und zwei aus Schweden. Sechs Käufer sind aus den USA und nur zwei aus China, wie der Halbjahres-Auswertung der Deloitte KMU M&A Studie zu entnehmen ist.
Firmenverkäufe an chinesische Investoren nehmen ab
«Der Anstieg bei den Verkäufen ins Ausland ist eindeutiges Zeichen für die Stärke und Attraktivität der Schweizer KMUs. Viele von ihnen haben sich in Nischenmärkten bedeutende Positionen erarbeitet und sich international gut vernetzt. Daher sind sie auch begehrte Ziele, sei es für Finanzinvestoren oder für Unternehmen aus derselben Branche. Mit der Abschwächung des Frankens sind auch die Preise etwas erschwinglicher geworden. Die allermeisten Investoren hegen zudem langfristige Pläne und wollen Knowhow und Arbeitsplätzen in der Schweiz erhalten», erklärt Jean-François Lagassé, Partner Financial Advisory bei Deloitte Schweiz. Die chinesischen Investoren seien zurückhaltender geworden und trennten sich auch wieder von ihren Schweizer Beteiligungen, beobachtet Stephan Brücher, ebenfalls Partner Financial Advisory und Corporate Finance Advisory.
Schweizer KMUs konnten weniger kaufen
Die KMUs waren im laufenden Jahr bisher etwas zurückhaltend beziehungsweise weniger erfolgreich mit Investitionen und Übernahmen von Konkurrenten im In- und Ausland. Waren es in der gleichen Periode des Vorjahres noch 65 Unternehmen, die diesen Schritt gewagt hatten, taten dies im laufenden Jahr nur noch 60 Firmen. Ähnlich wie in den Vorjahren gingen die Schweizer KMUs vor allem in den Nachbarländern auf Einkaufstour. Von den insgesamt 31 Firmen, die in Besitz Schweizer KMUs übergingen, stammen 24 aus Europa und alleine 11 aus Deutschland. Deren 5 Zukäufe tätigten Schweizer Firmen in den USA, was diese zum zweitattraktivsten Markt für Übernahmen macht.
Industriesektor und Telekommunikation sehr aktiv
Die grösste Zahl an Transaktionen wurde mit 22 im Industriesektor verzeichnet, dahinter folgen Dienstleistungen (16) und Konsumgüter (14). Auffällig viele Unternehmen aus Technologie, Medien und Telekommunikation (TMT) wechselten den Besitzer, acht wurden ins Ausland verkauft, drei fanden eine neue Besitzerin aus der Schweiz. «Neue Technologien und die Digitalisierung fördern das Wachstum und steigern die Produktivität in vielen Sektoren: Vorausschauende KMUs nutzen dieses Potenzial aktiv und finden in der Schweiz passende Kaufkandidaten. Dies erstaunt wenig, hat die Schweiz doch Hochschulen von Weltrang, die regelmässig spannende Start-Ups und Spin-Offs hervorbringen», erläutert Lagassé.
Schweizer Unternehmen kaufen im Ausland viele Industriebetriebe, 12 von 31 Übernahmen stammten aus diesem Sektor, die Hälfte davon waren deutsche Betriebe. Von diesen sechs waren vier strategische Investoren, die zu ihrem Produktportfolio passende Firmen aufkauften, und zwei Finanzinvestoren.
Private Equity unter Investitionsdruck
Im ersten Halbjahr 2017 waren noch an 28% der Transaktionen Private-Equity-Fonds beteiligt, inzwischen sind es schon 36%. Viele PE-Gesellschaften profitieren von dem noch immer attraktiven Zinsumfeld und sammeln viel Geld zum Investieren ein. «Sie stehen unter hohem Anlagedruck und suchen intensiv nach Investitionsmöglichkeiten. Hochwertige und unterfinanzierte Unternehmen sind sehr begehrt und teuer. Die aufgekauften Unternehmen werden zielstrebig neu ausgerichtet. Prozesse sowie Strukturen werden verbessert, um die Firma später wieder zu verkaufen. Diese Entwicklung ist volkswirtschaftlich gesehen sinnvoll, weil brachliegendes Potenzial genutzt wird. Investoren gehen heute auch bewusster mit Assets wie langjährigen Mitarbeitenden oder im Markt eingeführten Markennamen um», sagt Brücher.
Neben den PE-Firmen haben auch strategische Investoren mit gesunden Bilanzen Anlagedruck und sind deshalb ebenfalls auf der Suche nach passenden Akquisitionsobjekten. Die Preise ziehen daher weiter an und der Bewertungsindikator für die so genannten ‘Deal Multiples’ steigt bereits seit sechs Jahren an, im ersten Halbjahr 2018 kletterte er erneut, von 9 auf 9,5. «Das ist eine neue Rekordmarke und zeigt klar, dass die bezahlten Preise nicht immer den realen Werten entsprechen. Diese Entwicklung sehen wir nicht nur in der Schweiz, sondern auch in der ganzen Eurozone. Früher oder später steht hier eine Korrektur an», warnen die Spezialisten von Deloitte.
Hohe Unsicherheit macht Prognosen schwierig
International gesehen haben die politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten im laufenden Jahr eher zugenommen. «Ein Ende des Handelskrieges ist nicht abzusehen, langsam steigen die Zinsen, Italien sorgt für Instabilität in der Eurozone und der Franken hat wieder etwas angezogen. Wir wissen nie, wann die Märkte wieder drehen, darum bleiben wir für das restliche Jahr vorsichtig optimistisch», erläutert Lagassé.
Der sich auf globaler Ebene bereits klarer abzeichnende Trend zu mehr disruptiven Zukäufen (Disruptive M&A) könnte allerdings an Bedeutung gewinnen und das Geschäft beleben. Im letzten Halbjahr stammten erst bei zehn Prozent der Transaktionen Käufer und Verkäufer aus unterschiedlichen Branchen. «Immer mehr Firmen kaufen sich digitales Knowhow zu, um ihr eigenes Geschäftsmodell zu erweitern oder komplett auf den Kopf zu stellen. Traditionell ausgerichtete Firmen stehen heute unter besonderem Druck, sich durch strategische Zukäufe für die Zukunft fit zu machen, dabei stehen KMUs aus den Bereichen Fintech, Künstliche Intelligenz, Robotics oder Cyber Security unter besonderer Beobachtung», ergänzt Brücher.
Quelle: Deloitte