Wer baut und renoviert, plant Naturgefahren ein

Der vorhandene Lebensraum wird immer intensiver genutzt, selbst an exponierten Stellen – Stichwort Hochwasser. Zudem zeigt auch der Klimawandel Auswirkungen, die Schäden an Gebäuden und Infrastrukturen nehmen zu. Das lässt sich entschärfen, ein Naturgefahren-Check hilft.

Naturgefahren-Check
Eine kleine Massnahmen: Fensteröffnungen im potenziell überschwemmten Bereich können mit Vorsatzscheiben geschützt werden. Foto: «Schutz vor Naturgefahren»

In der ganzen Schweiz ist mit Extremereignissen zu rechnen, das hat die kürzlich veröffentlichte Risikoanalyse des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz gezeigt. Starkregen, Sturmwinde, Hagel & Co. können zu grossen Schäden führen und bedeuten für betroffene Unternehmen und Hauseigentümer Umtriebe und finanzielle Einbussen. Wer sich frühzeitig mit dem Thema auseinandersetzt, kann sich später viel Ärger ersparen. Experten raten deshalb, mit gezielten Gebäudeschutzmassnahmen präventiv zu handeln.

Standortgenaue Gefahrenübersicht

Doch gegen welche Naturgefahren und in welchem Ausmass soll man ein Gebäude schützen? Ob an einem bestimmten Standort Überschwemmungen durch Hochwasser, Murgänge, Oberflächenabfluss, Hagel und andere Gefährdungen auftreten können, muss zuerst abgeklärt werden. Denn nur so kann der Liegenschaftsbesitzer geeignete Vorkehrungen treffen.

Die Vereinigung Kantonaler Gebäudeversicherungen (VKG) hat ihre Plattform «Schutz vor Naturgefahren» überarbeitet: Die wichtigste Neuerung ist die Standortabfrage. Durch die Adresseingabe erhalten Interessierte Informationen zu allen möglichen Naturgefahren am Standort des Gebäudes oder geplanten Neubaus. Auf der Plattform können neu mittels Suche nach Koordinaten und Grundstücken auch Standorte ohne Adresse gefunden werden. Dies sei insbesondere für die Planung von Neubauten nützlich, heisst es bei der VKG.

Der Naturgefahren-Check greift auf die kantonalen Gefahrenkarten und viele weitere Gefährdungskarten zu. Innert Sekunden erhält man eine Übersicht zu allen Risiken, die für den jeweiligen Standort relevant sind. Zusätzlich zu den Gefahrenstufen werden auch Kartenansichten mit Legenden, Kontaktdaten zu kantonalen Fachstellen sowie direkte Links in die kantonalen Geoportale angeboten. Für diverse Kantone seien neu spezifische Informationen zu gesetzlichen und versicherungsrechtlichen Vorgaben abrufbar, so die VKG. Im Lauf der nächsten Monate will sie die Plattform mit weiteren kantonsspezifischen Informationen ausbauen.

Die Planung beginnt frühzeitig

Egal ob ein Neubau, eine Renovation oder ob ein bestehendes Gebäude besser geschützt werden soll, der Naturgefahren-Check liefert passende Empfehlungen. Die Eingrenzung dieser Ratschläge erfolgt über zwei bis drei einfache Einstiegsfragen. Diese unterscheiden sich übrigens je nach Benutzerprofil (Eigentümer, Architekt/Planer oder Spezialisten). Nebst der Gefährdung am Standort werden auch die Handlungsmöglichkeiten berücksichtigt und zur Situation passende Schutzmassnahmen aufgezeigt.

Der Handlungsspielraum in der Bauphase ist viel kleiner als während der Planung. Allenfalls können noch hagelgeprüfte Produkte ausgewählt, ein automatisches Hochwasserschutz-Klappschott eingebaut oder eine Hagelwarnung für die Lamellenstoren installiert werden.

Je früher man bei einem Projekt Massnahmen einplant, umso weniger kostet letztlich der Schutz, sagt der Risikoexperte Bernhard Krummenacher von Geotest AG. Er ist einer der Väter des Naturgefahren-Radars der Zurich Versicherungen. Auch dieses auf den offiziellen Gefahrenkarten basierende Tool liefert eine standortgenaue Analyse. Der Fachmann nennt zwei Beispiele von wirksamen Präventionsmassnahmen gegen Überflutungen: «Das kann eine kleine Geländeanpassung sein, oder exponierte Fenster werden mit Sicherheitsglas versehen.»

Unbedingt lokale Behörde kontaktieren

«Man muss bei Naturgefahren zwischen Objekt- und Arealschutz unterscheiden. Ein Beispiel: Wenn ein bestimmter Dorfteil wegen eines Wildbachs ab und zu überflutet wird, ist es wenig sinnvoll, wenn jeder einzelne Hausbesitzer sein Gebäude schützt. Baut er beispielsweise um sein Haus eine kleine Schutzmauer, würde dies bei Hochwasser wohl beim Nachbarn umso grösseren Schaden anrichten. Ein solches Vorgehen ist allenfalls bei einzelnen, freistehenden Häusern angesagt», erläutert Krummenacher. Er betont deshalb: «Bevor man Massnahmen am eigenen Gebäude umsetzt, sollte unbedingt die lokale Behörde kontaktiert werden. Vielleicht plant sie ja bereits einen Flächenschutz. Im Falle unseres Wildbachs ist nämlich die Gemeinde für den Arealschutz zuständig. Der betroffene Dorfteil kann also mit einem angepassten Hochwasserschutz wirkungsvoll geschützt werden. Damit sind alle Liegenschaften im entsprechenden Perimeter vor Überflutungen sicher.»

Wer bezahlt die Rechnung?

Grundsätzlich würden beim Arealschutz bewilligte Präventionsmassnahmen von Bund und Kanton subventioniert, so Krummenacher. Je nach Finanzkraft einer Gemeinde würden die Beiträge höher oder tiefer ausfallen. Möchte eine Gemeinde Gelder für die Naturgefahrenprävention, müsse sie jedoch die Kosten-Wirksamkeit eines Projekts nachweisen. Berechnet werde dies mit dem vom Bundesamt für Umwelt entwickelten Online-Tool «EconoMe». Damit könne das Personen- und Sachrisiko beziffert werden. Basierend auf den berechneten Risiken und den Kosten für die geplanten Massnahmen könne die Kosten-Wirksamkeit ermittelt werden, sagt der Fachexperte.

 Naturgefahren-Check: www.schutz-vor-naturgefahren.ch

Naturgefahren-Radar: www.zurich.ch/naturgefahren

Kantonalen Fachstellen (Naturgefahren und Gebäudeschutz): www.schutz-vor-naturgefahren.ch/bauherr/service/fachstellen.html

Schutzzielvorgaben der SIA 261 und 261/1

Der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein hat verschiedene Naturgefahren in die Baunorm SIA 261/1 aufgenommen oder diese überarbeitet. Sie gilt als wichtige Grundlage für Fachleute, denn  sie zeigt auf, wie die Naturgefahren bei der Planung und Berechnung von Bauten und Anlagen zu berücksichtigen sind.

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