Covid und die Psyche – Wie wichtig ist Umweltpsychologie?
Die mentale Gesundheit ist in Krisenzeiten besonders gefährdet. Das gilt auch für die Covid-19-Pandemie. Eine Umfrage unter 1300 Psychologinnen und Psychologen zeigt, dass die Nachfrage nach psychologischer Beratung oder Therapie seit dem Sommer stark zunimmt.
Die Covid-19-Pandemie und die Massnahmen zu ihrer Eindämmung wirken sich auch auf die psychische Gesundheit aus. Eine Umfrage unter 1300 Psychologinnen und Psychologen gibt Hinweise zu den Ausmassen. 46 Prozent der Befragten geben an, dass die Nachfrage nach psychologischer Therapie oder Beratung seit dem Sommer wegen der COVID-19 Pandemie und deren Folgen zugenommen hat.
Die Psychologinnen und Psychologen sprechen von steigenden Existenzängsten. Die Schweiz zeigt Aufholbedarf. Nicht nur im Medikamentenbereich, sondern auch im Bereich der psychischen Gesundheit bestehen Versorgungslücken. «Patientinnen und Patienten müssen bis zu sechs Monate auf eine ambulante Therapie warten», sagt die engagierte Psychologin Yvik Adler. Adler alarmiert: «Wenn nun der Bedarf zusätzlich steigt, können die Folgen verheerend sein.» (Quelle: psychologie.ch)
Maya Mathias, Präsidentin des Vereins Initiative Psychologie im Umweltschutz (IPU), sieht dafür in der Umweltpsychologie eine grosse Chance für die durch die Pandemie getroffene Gesellschaft, aber auch für einzelne Menschen. Nicht zuletzt berichten auch junge Wissenschafterinnen wie die bekannte Englische Epidemiologin Tolu Oni darüber, wieso technische Innovationen alleine nicht ausreichen, um psychische Probleme in heutigen Zeiten auszugleichen.
Wieso fällt es uns so schwer, vom Wissen zum Handeln zu kommen? Und wieso gibt es doch Grund zur Hoffnung?
Wo die Umweltpsychologie hilft
Die Umweltpsychologie befasst sich mit der dem Zusammenspiel zwischen Mensch und Umwelt. Einerseits geht es darum, wie der Mensch mit seinem Denken und Handeln die Umwelt beeinflusst, zum Beispiel mit seinem Freizeitverhalten oder bei der Stadtplanung. Auf der anderen Seite ist die Wirkung der Umwelt auf den Menschen von Interesse, etwa die Wirkung naturnaher Erholungsräume oder menschenfreundlicher Architektur.
Bei der IPU interessieren vor allem die Bereiche Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Verhaltensweisen wie zum Beispiel Flugzeugreisen, Autofahren, der enorme Ressourcenverbrauch, um unsere Belohnungs- und Konsumwünsche zu stillen, wirken sich zunehmend schädlich aufs Klima, die Natur, aber auch auf uns selber aus. Per se gilt das Handeln des Menschen als Ursache vieler Umweltprobleme.
„Aus diesem Grund sollte die Lösung auch beim Menschen gesucht werden“, meint Maya Mathias, IPU Präsidentin, und unterstreicht: „Technische Neuerungen reichen nicht aus, damit wir nachhaltiger leben, da Effizienzgewinne meist durch Mehrverbrauch zunichtegemacht werden.“ Die Umweltpsychologie zeigt, wie mit psychologischem Wissen und entsprechenden Strategien umweltfreundliches Verhalten begünstigt werden kann.
So geht es Maya Mathias darum, Bedürfnisse und Motivationen, Einstellungen und Denken besser zu verstehen. Diese Erkenntnisse können genutzt werden, um umweltfreundliches Verhalten zu fördern. Zum Beispiel spielen menschliche Entscheidungen und Verhaltensweisen bei Energieverbrauch, Mobilität, Reisen, Ernährung, Konsum, Abfallvermeidung und –entsorgung oder nachhaltigen Lebensstilen eine Rolle.
Investitionen gegen den Corona-Blues
Tolullah „Tolu“ Oni ist eine Epidemiologin, die sich an Abteilung für nachhaltige Städteentwicklung engagiert. Oni studiert nicht nur am Medical Research Council der Universität von Cambridge, die junge Frau ist bereits Fellow des „NextEinstein“ Forums und Exponentin der „Young Global Leader“ am Weltwirtschaftsforum.
Die Epidemiologin schreibt über auf einem WEF-Blog über die Notwendigkeit eines globalen «Marshallplans für planetare Gesundheit»: Der bisherige Fokus habe zu sehr auf Sicherung von Wohlstand und Ernährung gelegen, was zu stärkerer Motorisierung in den Städten geführt habe, ohne Rücksicht darauf, dass es auch Raum für körperliche Betätigung in sauberer Luft geben müsse.
„Wir können und müssen es besser machen, indem wir ein mutiges neues Investitionsprogramm für die Gesundheit des Planeten auf den Weg bringen“, schreibt Oni.
Wohlbefinden per BIP messen
Als Beispiel für negative Auswirkungen einer verfehlten Wohnungspolitik führt sie die erhöhte Corona-Sterblichkeit unter der ärmeren Bevölkerung in Grossbritannien an. Obwohl mehrere globale philanthropische Initiativen durchaus auch mit Erfolgen versucht hätten, die Gesundheit in den Städten zu verbessern, brauchten die heutigen fehlerhaften Systeme einen grundlegenderen Wandel.
Regierungen wie der Privatsektor seien gefordert, politische Entscheidungsträger müssten handeln und bessere Gesundheit und Widerstandsfähigkeit der Menschen, etwa in den Grossstädten, solle nicht als Folge ihrer wirtschaftlichen Erfolge, sondern von vornherein als Ziel einer neuen urbanen Planung angesehen werden.
Solche Ansätze gebe es bereits, von Bhutan im Himalaya mit seinem „Glücksfaktor“ in der Messung des Bruttoinlandproduktes bis zu Neuseeland, wo eine sogenannte „Wellbeing Economy“ angestrebt werde.
„Ebenso könnten multilaterale Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen (MDFI), wie die Afrikanische und die Asiatische Entwicklungsbank, helfen“, meint Oni. Als nichtkommerzielle Organisationen, die Kapital für wirtschaftliche Entwicklungsprojekte in einem breiten Spektrum von Mitgliedsstaaten bereitstellen, seien solche Institutionen in einer einzigartigen Position, um durch Auflagen bei der Kredit- und Mittelvergabe das Schema nach Art eines allgemein verständlichen Marshallplans voranzutreiben.
Weitere Ansätze zum Thema Umweltpsychologie und Städteentwicklung finden Sie auch im Blog von Oni:
https://www.weforum.org/agenda/authors/tolu-oni-3469ffacac