Neuromarketing: Wissenschaft statt Bauchgefühl

Beim Woohw!-Event in Zürich am 19. September hält die Neuromarketing-Expertin Gesa Lischka eine Keynote. Mit m&k hat sie bereits vorab über ihre Arbeit gesprochen.

Neuromarketing
(Bild: zVg.)

m&k: Gesa Lischka, Neuromarketing verbindet zwei faszinierende Disziplinen – Neurowissenschaft und Marketing. Was hat Sie persönlich dazu inspiriert, diese beiden Felder zusammenzubringen und eine Karriere in diesem Bereich aufzubauen?

Als Kultur- und Medienwissenschaftlerin hat mich schon immer interessiert, wie Menschen Entscheidungen treffen – nicht nur bewusst, sondern auch unbewusst. Besonders spannend finde ich, wie Farben, Formen, Codes und Sprache auf einer subtilen, unbewussten Ebene wirken und Entscheidungen beeinflussen, ohne dass wir es direkt merken.

 

Wo begann Ihre Reise ins Neuromarketing?

Auf einem Boot in New York. Nach einer erfolgreichen Konferenz fanden sich Prof. Dr. Bernd Weber und ich auf einer entspannten Fahrt um Manhattan Island wieder. Während dieses Ausflugs beschlossen wir, unsere Expertise zu bündeln und gemeinsam Studien und Projekte durchzuführen. Wir erkannten schnell, dass unsere Zusammenarbeit wertvolle Erkenntnisse bringen könnte. Diese Arbeit hat meine Lernkurve steil ansteigen lassen. Ich habe unzählige Konferenzen besucht, wissenschaftliche Arbeiten studiert und eigene Vorträge über unsere Erfahrungen gehalten. Eine der grössten Herausforderungen ist es, dass zwar viel über Erkenntnisse gesprochen wird, aber nur wenige die Forschungsergebnisse tatsächlich in die Praxis umsetzen. Genau das versuche ich mit unserem Team in der Kochstrasse zu ändern.

 

Wie setzen Sie dies um?

Mit einem Team von über 70 kreativen und strategischen Köpfen sowie nationalen und internationalen Kunden, mit denen wir teils jahrzehntelange Beziehungen pflegen, habe ich die Möglichkeit, wissenschaftliche Erkenntnisse nicht nur zu verstehen, sondern sie auch praktisch umzusetzen. Ich sehe mich oft als eine Art Übersetzerin zwischen Wissenschaft und Praxis und sorge dafür, dass wegweisende Forschungsergebnisse nicht nur in der Theorie bleiben, sondern auch greifbare Auswirkungen in der realen Welt haben.

 

Wie können Unternehmen durch den Einsatz von Neuromarketing ihre Kundschaft besser verstehen und ansprechen?

Auf Basis neurowissenschaftlicher Erkenntnisse können wir Aussagen über die unbewussten Treiber hinter Kaufentscheidungen treffen und diese gezielt im Design und in der Markenkommunikation einsetzen. Beim Relaunch einer grossen Reisemarke konnten wir so beispielsweise  nur durch leichte Farb- und Typoveränderungen des Logos sofort die Sympathiewerte steigern und die Zahlungsbereitschaft erhöhen.

Neuromarketing ist für viele noch ein relativ neues und komplexes Thema. Welche einfachen Prinzipien oder Techniken könnten Unternehmen sofort anwenden, um ihre Marketingstrategien zu verbessern?

Es gibt viele Heuristiken und Biases*, die Menschen unbewusst bei der Kaufentscheidung anwenden, zum Beispiel die Verfügbarkeitsheuristik, bei der Menschen Urteile basierend auf der Leichtigkeit fällen, mit der ihnen relevante Beispiele einfallen, oder der Confirmation Bias, bei dem Menschen dazu neigen, Informationen zu suchen oder zu interpretieren, die ihre bestehenden Überzeugungen bestätigen. Diese Heuristiken und Biases sind ein guter und niedrigschwelliger Startpunkt, ohne dass man komplexe Technologien einsetzen muss.

 

In einer zunehmend digitalen Welt sind Konsument:innen ständig neuen Reizen ausgesetzt. Wie kann Neuromarketing dazu beitragen, dass eine Marke aus dieser Informationsflut heraussticht und im Gedächtnis bleibt?

Durch das Neuromarketing haben wir ein tiefes Verständnis dafür gewonnen, wie Prozesse im Gehirn ablaufen – was das Gehirn aufnimmt und wie es diese Informationen verarbeitet. Dieses Wissen nutzen wir gezielt, um Kampagnenstrategien zu entwickeln, die präzise auf diese neuronalen Mechanismen abgestimmt sind. Während Kreative und Designer früher oft auf ihr Bauchgefühl angewiesen waren, um erfolgreiche Kampagnen zu gestalten, können wir heute dank neurowissenschaftlicher Erkenntnisse fundierte und datenbasierte Designentscheidungen treffen.

 

Ihr Vortrag am Woohw! wird sich sicherlich auch mit den ethischen Aspekten des Neuromarketings befassen. Wie können Unternehmen sicherstellen, dass sie dieses mächtige Werkzeug verantwortungsvoll und transparent einsetzen?

Das ist ein zentraler Punkt in unserer Arbeit. Trotz aller technologischen Möglichkeiten und der faszinierenden Einblicke in das menschliche Gehirn, darf der Mensch selbst nie aus dem Blick geraten. Wir bemühen uns, unsere Erkenntnisse verantwortungsvoll einzusetzen und ethische Standards strikt einzuhalten. Unser Ziel ist es, Marketingmassnahmen zu entwickeln, die den Menschen unterstützen und bereichern, anstatt ihn zu manipulieren. Das bedeutet auch, dass wir ständig reflektieren und unsere Methoden weiterentwickeln, um sicherzustellen, dass der Mensch und seine Bedürfnisse immer im Mittelpunkt stehen. Als Agentur haben wir hier eine sehr eindeutige Position: Enter tomorrow. Brave and safe. Das ist unser Versprechen. An unsere Kunden und an die Gesellschaft, in der wir leben.


Neuromarketing-Expertin Gesa Lischka wird am 19. September beim Woohw!-Event in Zürich auftreten. Wer mehr über die Veranstaltung erfahren möchte, bekommt online alle Informationen. Als Medienpartner wird m&k ausführlich über die Veranstaltung berichten.

* Auf der Website Kochstrasse.agency/neuro/ hat die Agentur kostenlos 100 Neuroinsights aufgelistet und erläutert, wie man sie in den Marketingalltag übertragen kann.

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