Frauen in der Baubranche – ihre einzigartigen Wege und Erfahrungen
Am 1. und 2. Februar 2024 fand am Campus Sursee eine inspirierende Veranstaltung unter dem Motto „Wir bauen auf Frauen“ statt. Moderiert von Ueli Schmezer, zielte die Veranstaltung darauf ab, die Rolle der Frauen in der Baubranche zu beleuchten und zu feiern. Drei herausragende Frauen aus der Branche teilten ihre einzigartigen Wege und Erfahrungen, wie sie in diesem von Männern dominierten Sektor erfolgreich wurden.
Barbara Pulfer, eine Bauführerin und Berufsbildnerin bei Maurer Wirz AG Bauunternehmung in Bern, eröffnete die Gesprächsrunde mit ihrer persönlichen Geschichte. Sie erklärte, wie ihre Leidenschaft für die Bauwelt während ihrer Schulzeit entfacht wurde und betonte die Bedeutung der ehrlichen und direkten Kommunikation in der Branche. Chymena Poppler, Bauleiterin für Garantiearbeiten bei Anliker AG Generalunternehmung, teilte ihre Geschichte, wie sie zufällig in die Baubranche einstieg. Ihre Rolle als Assistentin entwickelte sich schnell, da sie mutig „ins kalte Wasser sprang“ und sich in ihrer Karriere vorarbeitete. Corinne Reimann, die als Leiterin für Garantie und Käuferbetreuung bei Implenia Schweiz AG tätig ist, teilte ihre 12-jährige Erfahrung bei der grössten Baufirma der Schweiz. Ihre Karriere begann mit einer einfachen Neugier für das Zeichnen und führte sie ohne grosse Überlegung direkt auf die Baustelle.
Als Ueli Schmezer die Frage stellte, ob es spezielle Eigenschaften oder Charakterzüge braucht, um als Frau in der Baubranche erfolgreich zu sein, waren sich alle drei Frauen einig: Man muss sich durchsetzen können. Sie betonten, dass neben der eigenen Haltung auch die Erziehung und die Unterstützung der Familie eine grosse Rolle spielen, um als Frau in dieser Branche zu bestehen. Trotz der Herausforderungen bleibt der Ausblick positiv, da Frauen in der Bauwelt zunehmend gefordert und geschätzt werden. Auf die Frage, ob die Baustelle mehr Frauen benötigt, antwortete Corinne entschieden, dass Frauen überall auf der Baustelle gebraucht sind. Sie hob hervor, dass die besonderen Fähigkeiten und das Fingerspitzengefühl, das Frauen oft besitzen, in der Baubranche sehr gefragt sind, manchmal sogar mehr als die der Männer.
Zusammengehörigkeit in der Baubranche
Bei dem Event zum Thema Frauen in der Baubranche hielten auch Heather Steele, zuständig für Human Resources, und Andreas Rogenmoser, Head of Civil West bei Implenia Schweiz AG, ein aufschlussreiches Inputreferat. Unter dem Titel „Wir schaffen Zusammengehörigkeit“ beleuchteten sie die Herausforderungen, denen Frauen in der Baubranche gegenüberstehen, und stellten gleichzeitig Lösungsansätze vor, die Implenia in der Schweiz und im Ausland verfolgt.
Heather Steele betonte, dass es Implenia wichtig ist, die Reise zur Erreichung von mehr Vielfalt und Gerechtigkeit im Unternehmen transparent zu machen. Andreas Rogenmoser ergänzte, dass Implenia stolz darauf sei, bereits Fortschritte in Richtung Vielfalt und Gerechtigkeit gemacht zu haben, aber auch überzeugt sei, dass noch weitere Schritte notwendig sind.
Abschliessend betonten Heather Steele und Andreas Rogenmoser die Notwendigkeit einer branchenweiten Zusammenarbeit, um eine inklusivere und gerechtere Baubranche zu fördern. Die Botschaft ist klar: Durch Zusammenarbeit und gezielte Massnahmen für eine Baubranche in der Frauen und Männer gleichermassen erfolgreich sein können.
Wie spricht man Frauen als Fachkräfte richtig an?
Es wurden innovative Strategien vorgestellt, wie Unternehmen Frauen als Fachkräfte gezielt ansprechen und für sich gewinnen können. Zunächst legte Jörg Buckmann, Geschäftsführer von Buckmann Gewinnt GmbH den Fokus auf die Gestaltung von Stellenanzeigen, die speziell darauf ausgerichtet sind, Frauen anzusprechen. Durch die Analyse von Vorher-Nachher-Beispielen verdeutlichte er, wie traditionelle Stellenanzeigen umgestaltet werden können, um inklusiver und ansprechender für Frauen Fachkräfte zu sein. Ein zentraler Tipp war die Verwendung von geschlechtsneutralen Formulierungen und Flexibilität in Bezug auf Arbeitspensum, um die Diversität der Lebenssituationen und Bedürfnisse potenzieller Bewerberinnen anzuerkennen.
Andrea Niggli, CEO bei Thomann Nutzfahrzeuge AG teilte die Erfahrungen seines Unternehmens Thomann Nutzfahrzeuge AG mit dem innovativen Arbeitsmodell „100%/4 Tage“, das es Mitarbeitenden ermöglicht, durch mehr Arbeit an weniger Tagen zusätzliche Freizeit zu gewinnen. Er erläuterte, wie solche flexiblen Arbeitszeitmodelle, insbesondere die Förderung von Teilzeitarbeit, nicht nur für Eltern attraktiv sind, sondern auch eine wertvolle Ressource darstellen, um Fachkräfte gezielt dort einzusetzen, wo sie am meisten benötigt werden. Niggli räumte ein, dass die Implementierung solcher Modelle eine Herausforderung darstellt und mit Kosten verbunden ist, betonte jedoch gleichzeitig, dass diese Investitionen nicht unmöglich zu bewältigen sind.
Beide Referate unterstrichen die Bedeutung von Flexibilität, Inklusivität und direkter Ansprache in der Kommunikation mit potenziellen Bewerberinnen und auch Bewerbern.
4-Tage-Woche
Im Mai 2022 führte das 25hours Hotel mit beiden Standorten in Zürich (Langstrasse und Zürich West) eine innovative Arbeitszeitregelung ein: die 4-Tage-Woche. Unter dem Motto „Come as you are“ setzt das Hotel auf Individualität und schafft ein Arbeitsumfeld, das die persönliche und berufliche Entwicklung fördern soll.
Wer sich für die 4-Tage-Woche bei 25hours Hotels in Zürich entscheidet, arbeitet an vier Tagen pro Woche jeweils 9,5 Stunden plus einer Mittagspause von 30 Minuten. Zudem sind in der täglichen Arbeitszeit zwei Mal am Tag 15 Minuten Pause inkludiert. Drei freie Tage sind garantiert. Die Differenz zur vertraglich geschuldeten Wochen-Arbeitszeit (42 Stunden) wird als Überstundenausgleich vorgehalten. Das Gehalt bleibt gleich. Ende des Jahres wird das aufgelaufene Minus-Stundensaldo auf null gestellt.
Durch diese Massnahme will sich das 25hours Hotel als Vorreiter in der Hotelbranche positionieren, indem es eine ausgewogene Work-Life-Balance fördert und gleichzeitig die Verantwortung und das Engagement der Mitarbeitenden in den Vordergrund stellt.
Job-Sharing auf der CEO-Ebene bei Stutz AG
Lynn Burkhardt und Beat Müller, das Co-CEO-Duo der Stutz AG, teilen sich die Geschäftsführung im innovativen Job-Sharing-Modell. Sie arbeiten jeweils zu 70%, wobei 1,5 Tage der Arbeitswoche von zu Hause aus gestaltet werden. Beide sind Bauingenieure und haben die Verantwortungsbereiche zwischen der West- und Ostschweiz aufgeteilt, um den Mitarbeitenden klare Ansprechpartner zu bieten.
Dieses Modell ermöglicht es ihnen, Verantwortungen effektiv zu teilen und trotz der 140% eine enge Zusammenarbeit zu pflegen, die ohne privaten Kontakt kaum realisierbar wäre. Die Tatsache, dass Stutz AG ein Familienunternehmen ist, wird von den Mitarbeitenden besonders geschätzt, und die dynamische Führung durch ein gemischtes Duo hat sich positiv auf das Unternehmen ausgewirkt. Allerdings besteht bei der Gleichberechtigung in der Belegschaft noch Handlungsbedarf: Von 800 Mitarbeitenden sind nur 20 Frauen, darunter lediglich eine Bauführerin. Auf die Frage von Ueli Schmezer, was unternommen wird, um dieses Ungleichgewicht zu ändern, sagen Burkhardt und Müller, dass sie in dieser Hinsicht noch zu wenig tun, aber dass sie das in Zukunft noch ändern wollen.
Frauen lassen sich am besten über Vorbilder für die Baubranche begeistern. Gesucht wurden zu diesem Zweck die besten Geschichten von Helden und Heldinnen und tatsächlich wurde an diesem zweitägigen Event eine Heldin gekürt. Mit der Abstimmung des Publikums vor Ort wurde die Gewinnerin oder Heldin bekanntgegeben, Doris Haldner die selbst nicht vor Ort an der Preisverleihung mitmachen konnte. Die glückliche Pensionärin hat noch ein paar Mandate und berät Gemeinden, Vereine oder Institutionen bei Immobilien- und Bauprojekten. Ihre letzte Anstellung hatte sie beim Kanton Bern (AGG) – dort war sie zuletzt Kantonsbaumeisterin und davor leitete sie die Abteilung Portfoliomanagement. Davor war sie bei der Batigroup AG zuständig für die Ausführung von Bauprojekten. Der Preis bestand aus einem Campus Sursee Gutschein im wert von 1000 Schweizer Franken.
Die Veranstaltung „Wir bauen auf Frauen“ am Campus Sursee war ein beeindruckendes Zeugnis für die Stärke, Entschlossenheit und das Talent von Frauen in der Baubranche. Sie unterstrich die Wichtigkeit der Diversität und Inklusion auf der Baustelle und diente als Inspiration für alle, unabhängig vom Geschlecht, ihre Leidenschaften zu verfolgen und Barrieren in traditionellen Berufsfeldern zu durchbrechen.
Für weitere Informationen: www.campus-sursee.ch