Schweizer Tech-Industrie schaut auf positives Jahr 2022 zurück
Der Geschäftsgang in der Schweizer Tech-Industrie (Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie sowie verwandte Technologiebranchen) hat sich im vergangenen Jahr positiv entwickelt. Im Vergleich zu 2021 erhöhten sich die Umsätze um +9,4 Prozent, die Exporte um +5,6 Prozent und die Auftragseingänge um +2,4 Prozent. Der im dritten Quartal 2022 erlittene Einbruch bei den Aufträgen konnte damit teilweise wettgemacht werden.
Die Umsätze in der Schweizer Tech-Industrie stiegen 2022 im Vergleich zum Vorjahr um +9,4 Prozent. Dies teilt der Branchenverband Swissmem mit. Im vierten Quartal 2022 betrug demnach der Zuwachs gegenüber Vorjahresquartal +8,8 Prozent. Die Branche verzeichnete damit das siebte aufeinanderfolgende Quartal mit jeweils höheren Umsätzen. Sowohl KMU und Grossbetriebe hätten von diesem Aufschwung profitiert, so Swissmem weiter. Auch die Auftragseingänge nahmen im Vergleich zu 2021 um +2,4 Prozent zu. Im vierten Quartal 2022 erhöhten sie sich im Vergleich zur Vorjahresperiode um +2,4 Prozent. Das sei sehr erfreulich, weil im dritten Quartal 2022 die Auftragseingänge aus dem Ausland im Vergleich zum Vorquartal um über 20 Prozent eingebrochen waren. Verbunden mit den globalen Rezessionsängsten befürchtete Swissmem denn auch einen starken Abschwung in der Industrie. Dieser blieb sowohl bei KMU als auch bei Grossfirmen aus. Vielmehr lag die Kapazitätsauslastung im vierten Quartal bei hohen 89,6 Prozent und damit deutlich über dem langjährigen Mittel von 86,2 Prozent. Dazu passt, dass sich die Anzahl Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Tech-Industrie weiter erhöht hat. Sie stieg im vierten Quartal 2022 auf 326’500 und lag +2,7 Prozent höher als in der Vorjahresperiode.
Doch Swissmem relativiert: Dieser positive Zahlenkranz dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass alle Firmen unter steigenden Kosten für Energie, Rohstoffe und Arbeitskräfte leiden. Namentlich die energieintensiven Unternehmen seien wegen den industriepolitischen Massnahmen der EU-Staaten im Markt massiv benachteiligt. Deren Firmenstandorte in der Schweiz seien gefährdet.
Höhere Exporte bei allen Warengruppen
Die Güterexporte der Tech-Industrie stiegen 2022 im Vergleich zum Vorjahr um +5,6 Prozent und erreichten einen Wert von 72,3 Milliarden Franken. Alle wichtigen Märkte entwickelten sich positiv. So erhöhten sich die Ausfuhren nach Asien um +11,7 Prozent, in die USA um 7,9 Prozent sowie in die EU um +4,3 Prozent. Die Exporte aller wichtigen Warengruppen nahmen zu. Gegenüber 2021 erhöhten sich die Ausfuhren bei den Metallen um +8,5 Prozent, bei der Elektrotechnik/Elektronik um +7,4 Prozent, im Maschinenbau um +5,4 Prozent und bei den Präzisionsinstrumenten um +4,2 Prozent.
Erhebliche Risiken und Unsicherheiten
Zu den Geschäftszahlen von 2022 sagt Swissmem Direktor Stefan Brupbacher: «Insgesamt ist die Lage der Schweizer Tech-Industrie besser als befürchtet. Nach dem dritten Quartal 2022 rechneten wir mit einem Abschwung. Dieser ist bis jetzt noch nicht erfolgt.» Die guten Umsatzzahlen führt Brupbacher auch darauf zurück, dass die Unternehmen den hohen Auftragsbestand abarbeiten und ausliefern konnten. Das wurde möglich, weil sich mit Ausnahme von einzelnen Schlüssel- und Elektronikkomponenten die Lieferkettenprobleme spürbar entspannt haben. «Für das laufende Geschäftsjahr bin ich vorsichtig optimistisch», ergänzt Brupbacher. Das deckt sich mit den Einschätzungen der Unternehmerinnen und Unternehmen aus der Swissmem-Mitgliedschaft. Gemäss der jüngsten Umfrage rechnet ein Drittel in den kommenden zwölf Monaten mit höheren Auftragseingängen aus dem Ausland. Wachstumsimpulse sind vor allem aus den USA und den aussereuropäischen Märkten zu erwarten. Von gleichbleibenden Bestellungen gehen 39 Prozent der Befragten aus. Mit sinkenden Aufträgen rechnen 28 Prozent. Allerdings bestehen nach wie vor erhebliche Risiken und Unsicherheiten. «Um die Inflation weiter zu reduzieren, dürfte es zu weiteren Zinsschritten der Nationalbanken kommen. Dies wird die Konjunktur und somit die Nachfrage nach unseren Produkten abkühlen. Zudem besteht nach wie vor die Gefahr einer Energiemangellage im nächsten Winter», erklärt Stefan Brupbacher. Die grössten Risiken für die Weltwirtschaft liegen allerdings in einer weiteren Eskalation des Krieges in der Ukraine sowie in einer Verschärfung der Spannungen zwischen China und den USA.
Herausforderungen beim Fachkräftemangel und beim globalen Marktzugang
Im Inland stellt der Fachkräftemangel das grösste Risiko für die Tech-Industrie dar. Ein Grossteil der Swissmem Mitgliedfirmen klagt über Schwierigkeiten, geeignete Fachleute zu finden. Um dem entgegenzutreten, investiert Swissmem umfangreiche Mittel in die Reform der Industrieberufe, ins Berufsmarketing sowie in die MINT-Förderung. Swissmem sieht aber auch den öffentlichen Sektor in der Pflicht. Dieser hat in den letzten Jahren massiv neue Stellen geschaffen. Die Verwaltung darf nicht mehr weiter aufgebläht werden, denn es sind die Unternehmen, welche den Staat alimentieren und nicht umgekehrt.
Die Schweizer Tech-Industrie exportiert fast 80 Prozent ihrer Produkte. Der hindernisfreie Zugang zu den globalen Absatzmärkten wird jedoch zunehmend zu einer Herausforderung. Im internationalen Umfeld sind Protektionismus und wettbewerbsverzerrende Subventionsoffensiven im Vormarsch. Beispiele dafür sind der «Inflation Reduction Act» in den USA, der «Green Deal» in der EU oder die «Dual Circulation Strategy» von China. Martin Hirzel, Präsident Swissmem ist besorgt: «Dieser neue Protektionismus stellt eine ernstzunehmende Bedrohung für die Tech-Industrie dar. Unsere Unternehmen haben erhebliche Wettbewerbsnachteile gegenüber subventionierten und mit Zöllen geschützten ausländischen Konkurrenten.» Um Gegensteuer zu geben, muss die Schweiz weltweit den Marktzugang für Unternehmen erleichtern. So müssen das Freihandelsabkommen mit dem Mercosur endlich finalisiert sowie ratifiziert und die Verhandlungen mit Indien zum Abschluss gebracht werden. Mit China besteht zwar bereits ein Freihandelsabkommen. Die meisten Hightech-Maschinen sind jedoch von der Zollbefreiung ausgenommen. Hier müssen Gespräche für eine Erweiterung des Abkommens aufgenommen werden. «Aber die dringendste Aufgabe ist, das bilaterale Verhältnis mit der EU – dem mit Abstand wichtigsten Handelspartner – auf eine neue Basis zu stellen. In einer zunehmend tripolaren Welt ist das ein Gebot der Vernunft», betont Hirzel. Dadurch kann sich die Schweiz den Zugang zum europäischen Binnenmarkt sichern, die Voraussetzungen zur vollumfänglichen Teilnahme an der europäischen Forschungszusammenarbeit schaffen und mittels eines Stromabkommens das ab 2025 erhöhte Risiko eines Stromversorgungsengpasses verringern. Zudem bliebe gewährleistet, dass die Unternehmen fehlende Fachkräfte ohne grossen bürokratischen Aufwand in der EU rekrutieren können. «Es ist höchste Zeit, im Europadossier vorwärtszumachen. Ziel muss sein, die Verhandlungen bis im Frühjahr 2024 abzuschliessen», unterstreicht Hirzel.
Quelle: Swissmem