„Rethinking Business“ am Forum ö 2022

Am 26. Oktober 2022 lud öbu, der Verband für nachhaltiges Wirtschaften, zum traditionellen Forum ö. Der diesjährige Anlass stand unter dem Motto «Rethinking Business». Und in der Tat boten die Inputs der Referierenden und Bestreiterinnen und Bestreiter der Breakout-Sessions viel Stoff zum Nachdenken.

Olmar Albers (rechts), Geschäftsführer von öbu, im Gespräch mit den Keynote-Speakern Nele Kreyssig und Robert Szilinski. Die beiden zeigten, wie „Rethinking Business“ auch bei der Unternehmenskultur beginnt. (Bild: Thomas Berner)

Beispielhaft dafür, wie nachhaltiges Wirtschaften aussieht, stand das Impuls-Referat von Martin Kyburz. Sein Unternehmen stellt Elektrofahrzeuge her, die u.a. von immer mehr Post-Zustelldiensten, darunter auch der Schweizer Post, genutzt werden. Während die Elektromobilität derzeit einen echten Boom erlebt, scheint ein damit einhergehendes Problem nach wie vor ungelöst zu sein: Was passiert mit den ausgedienten Batterien und Akkus? Klar existieren diverse Recycling-Ansätze, die aber in aller Regel auf Shreddern und thermischer Entsorgung ohne Stoff-Rückgewinnung hinauslaufen. Ein gemeinsam mit der Empa entwickeltes Verfahren kommt nun bei Kyburz zum Einsatz, mit dem 90 Prozent der in einem Akku verarbeiteten Materialien wieder zurückgewonnen werden können. Kyburz ist damit nominiert für den Green Business Award. Auch mit Planted war ein weiteres nominiertes Unternehmen vor Ort und zeigte konkret, wie im Nahrungsmittelbereich Umdenken und Transformation praktisch aussieht.

Energiemangellage: Die Losung heisst «smart energy»

Das Forum ö 2022 ging noch mit vielen anderen Themen an den Start. Eines davon war die aktuelle Energiemangellage. Mit welchen Szenarien zu rechnen sind, erklärten drei Experten der Elektrizitätswerke Zürich ewz. Konkrete Aussagen darüber, ob es zu einem Worst Case mit Stromabschaltungen kommen könnte, sind derzeit nicht einfach. Zu unsicher sind die Aussichten, wie hart der Winter wirklich wird und ob die für den Schweizer Strombedarf so wichtigen französischen Kernkraftwerke ab Januar 2023 wirklich wieder ans Netz gehen können oder nicht. In der Diskussion wurde aber auch klar, dass man die jetzige Krise als Chance nutzen sollte, den Verbrauch an elektrischer Energie zu drosseln und nicht nur über alternative Stromquellen – etwa den Ausbau von Solarkraftwerken in Berggebieten, der vom Parlament unter Aushebelung vieler ökologischer Grundsätze nun durchgewinkt werden soll – zu diskutieren. Zudem muss der Weg über eine Dezentralisierung von Energiesystemen führen; «smart energy» heisst dafür die Losung.

Rethinking Business in Sachen Innovation

Oder auch das Thema Innovation durch Kollaboration stand im Fokus. Postfinance etwa erläuterte in einer weiteren Breakout-Session, wie sie dieses Thema angehen, besonders hinsichtlich Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele. Denn um diese zu erreichen, gehe es nicht ohne Innovation, wie Anne-Käthi Leuenberger, Leiterin des Bereichs Corporate Responsibility erläuterte. Als Beispiele nannte sie etwa die Swiss Climate Challenge, mit der Postfinance in Kooperation mit Swisscom via App den Einfluss des persönlichen Mobilitätsverhaltens auf den Klimawandel transparenter machen will. Als «Lohn» winkt ein sog. «Green Coin», einen grünen, digitalen Schweizer Franken, der nur für nachhaltige Produkte und Dienstleistungen verwendet werden kann. Oder ein anderes Beispiel: mit «Velto» wird eine nachhaltige digitale Vorsorgelösung lanciert. Auch da ist mit Globalance ein Kooperationspartner im Spiel. Eingehend vorgestellt wurde auch «Crowda», eine Plattform explizit für KMU, die dort Kollaborationspartner für die gemeinsame Umsetzung der UNO-Nachhaltigkeitsziele finden können. Dieses Projekt steckt noch in den Kinderschuhen, könnte aber gerade für jene Unternehmen interessant werden, die zwar an nachhaltigem Wirtschaften interessiert sind, die für eine Operationalisierung notwendigen Personal- und Wissens-Ressourcen aber selbst nicht aufbringen können.

Von Firmenkultur und einer «Erde für alle»

Weitere Keynotes gab es dann noch von Nele Kreyssig und Robert Szilinski von esentri AG. Sie vermittelten einen Einblick in ihre Unternehmenskultur, die konsequent die Menschen ins Zentrum stellt und auf Selbstorganisation setzt. Dass dies etwa im Einführungsprozess für einen betriebseigenen Müsli-Automaten auch für eher «spezielle» Auswüchse sorgen kann, wurde ebenso erläutert wie aber auch die daraus gezogenen Lehren: Ideen sind nie der Engpass, es ist die Art, wie man den Menschen den für sie notwendigen Raum schaffen kann. «Das Zeitalter der Effizienz ist vorbei, es beginnt nun das Zeitalter der Resilienz», so Kreyssig und Szilinski.

Till Kellerhoff vom Club of Rome während seines Referats. (Bild: Thomas Berner)

Vom Club of Rome, der 1972 erstmals auf die Endlichkeit der Ressourcen aufmerksam gemacht hat, stammt Till Kellerhoff, der in seinem Referat die «Earth4All»-Studie vorstellte. Zunächst fasste er anhand von statistischen Daten eindrücklich zusammen, was passiert, wenn die Menschheit im gleichen Stil wie bis heute fortfahren würde. Das Insektensterben als insgesamt sechstes Massenaussterben der Erdgeschichte ist da nur ein Teil des Szenarios. Viel Sprengkraft liegt auch in den zunehmenden sozialen Ungleichheiten und Ungleichgewichte. Der Weg muss deshalb über fünf Kehrtwenden gehen:

  1. Neue Wirtschaftsstrukturen für einkommensschwache Länder zur Bekämpfung der Armut.
  2. Beseitigung der Einkommens-Ungleichheit, etwa durch höhere Steuerprogression oder eine stärkere Besteuerung von Vermögen.
  3. Empowerment von Frauen zwecks Überwindung des Machtgefälles zwischen den Geschlechtern.
  4. Gesunde Ernährung für alle ohne Ausweitung der landwirtschaftlichen Anbauflächen und Bekämpfung von Food Waste.
  5. Transformation von Energiesystemen, um die Treibhausgas-Emissionen alle zehn Jahre zu halbieren.

Die Anwesenden dürften sich einig gewesen sein: Das sind die wohl richtigen Ziele. Die Frage ist nur, ob die Zeit noch reicht, um sie zu erreichen. Für «Rethinking Business» ist es aber noch nicht zu spät. Zu wünschen ist auch, dass das Wissen in Unternehmen um die 17 UNO-Nachhaltigkeitsziele zunimmt und sich nicht nur auf jene Kreise beschränkt, die sich an Tagungen wie dem Forum ö bewegen.

Weitere Informationen: www.oebu.ch

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