Was bedeutet eigentlich… «epochal»?
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind sprachlich gesehen festgeschriebene Zeitformen. Im Leben und insbesondere im Berufsleben unserer Branche scheinen diese jedoch fliessend. Deshalb ist zwar verständlich, dass hier Worte, welche Zeiträume beschreiben, auch unterschiedlich eingesetzt werden, sonderbar wirken sie auf einem trotzdem. Wenn zum Beispiel Studierende der Kommunikation und des Marketings im ÖV auf dem Weg […]
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind sprachlich gesehen festgeschriebene Zeitformen. Im Leben und insbesondere im Berufsleben unserer Branche scheinen diese jedoch fliessend. Deshalb ist zwar verständlich, dass hier Worte, welche Zeiträume beschreiben, auch unterschiedlich eingesetzt werden, sonderbar wirken sie auf einem trotzdem. Wenn zum Beispiel Studierende der Kommunikation und des Marketings im ÖV auf dem Weg zur Fachhochschule oder Uni beim Scrollen in den Sozialen Medien von «früher» reden, aber eigentlich «gestern» meinen oder wenn Werber etwas «legendär» nennen, nur weil es «wiederkehrend» ist.
Im Moment macht gerade das Wort «epochal» die Runde. Nicht nur Zukunftsforscher bedienen sich des Adjektivs, wenn sie beschreiben wollen, was sie in der Kristallkugel sehen. Klingt gut und vielversprechend. Ist doch etwas, das als epochal beschrieben wird, über den Augenblick hinaus bedeutsam und in die Zukunft hineinwirkend. Und das wollen wir doch mit unserem Schaffen alle irgendwie erreichen. Deshalb ist es verständlich, dass wir uns bemühen, Dinge nicht nur ubiquitär zu gestalten, sondern möglichst auch epochal.
Nur in der Welt von gestern sinnvoll
In Anbetracht der aktuellen Weltlage sind solche Worte zwar beliebt, aber doch mit grösster Vorsicht anzuwenden. Corona war epochal, die Einführung des iPods – der kürzlich das Zeitliche segnete – auch. Ob es der kommende Winter oder die Blockierung der Third Party Cookies werden, können wir nur vermuten, wissen es jetzt einfach noch nicht. Denn ob etwas epochal ist, kann mit absoluter Gewissheit erst im Nachhinein erkannt werden.
Es gibt aber Ausnahmen. Zum Beispiel das gerade wieder hochaktuelle Werk Stefan Zweigs, «Die Welt von Gestern». Das ist nicht nur epochal, sondern es beschreibt epochale Ereignisse aus einer Perspektive der damaligen Gegenwart. Die Memoiren des Autors vermitteln das Lebensgefühl eines Weltbürgers in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und vieles darin erinnert in beängstigender Hinsicht an heute. Zweig lebte von 1882 bis 1942 und erlebte zwei Weltkriege. Er war ein Kind aus gutem Hause, was wir heute in der Schweiz lebenden Personen ja alle sind. Es geht unserer Gesellschaft hier noch nie so gut wie heute, trotz Krieg in der Ukraine, Inflation und Stromkrise. Okay, die goldenen Werberjahre sind längst vorbei und die Nachkommen der Generation von Gredingers, Gislers, Strittmatters, Aebis, Suters und Co leiden bis heute unter dem Ruf, verschwenderisch zu sein, aber Hand aufs Herz. Der Branche geht es vergleichsweise zu anderen immer noch gut. Oder möchte jemand gerne ins Gesundheitswesen, die Airline-Industrie oder zu einem Stromkonzern wechseln? Eben.
Und schaut man sich die aktuellen Kampagnen an, dann scheinen wir ja alle ein Vermögen zu besitzen, das wir irgendwie und bei irgendwem anlegen anstatt sparen sollen. Epochal sind dann vielleicht die Verluste oder Gewinne – wissen tun es aber weder wie Werbetreibenden noch die Leute in der Finanzberatung. Also bitte das Wort doch lieber erst im Nachhinein anwenden, wollen wir uns dereinst nicht lächerlich machen. Danke.
* Benno Maggi ist Mitgründer und CEO von Partner & Partner. Er lauscht seit über 30 Jahren in der Branche und entdeckt dabei für uns Worte und Begriffe, die entweder zum Smalltalken, Wichtigtun, Aufregen, Scrabble spielen oder einfach so verwendet werden können.