Schwer reduzierbare Emissionen: Bringt grüner Wasserstoff die Lösung?

Eine der weltweit grössten Herausforderungen für den Klimaschutz ist die Dekarbonisierung der fossilen Energienutzung, die nicht direkt durch erneuerbare Energien ersetzt werden kann. Dazu gehört vor allem die Schwerindustrie oder auch die Zementherstellung. Eine kürzlich veröffentlichte Studie kommt zum Schluss, dass grüner Wasserstoff ein möglicher Lösungsansatz ist.

Weg von fossilen Brennstoffen: Doch funktioniert das auch in Industrien die aufgrund ihres hohen Bedarfs schwer reduzierbare Emissionen aufweisen? (Bild: Unsplash.com)

Dass man mit der Reduzierung von CO2 wesentlich zur Verbesserung des Klimas beitragen kann, darüber ist sich die Fachwelt einig. Nur ist das nicht überall gleich gut in die Praxis umzusetzen. In manchen Industriezweigen gibt es schwer reduzierbare Emissionen, vor allem in jenen Sektoren, die in grossen Mengen auf fossile Brennstoffe angewiesen sind, entweder für Hochtemperatur-Energie oder für chemische Rohstoffe. Dazu gehören die Eisen- und Stahlindustrie, die Zementindustrie, die chemische Industrie und die Baustoffindustrie, die zusammen für etwa 30 % der jährlichen CO2-Emissionen der Welt verantwortlich sind. Auch der Schwerlastverkehr produziert schwer reduzierbare Emissionen. So sind etwa LKWs oder die Schifffahrt schwieriger zu elektrifizieren als der Personentransport, da dort enorme Batterien erforderlich sind, die das Fahrzeuggewicht erhöhen und lange Ladezeiten mit sich bringen.

Besonders grosser CO2-Emittent: China

Viele Länder untersuchen Wege zur Dekarbonisierung. Relativ wohlhabende Länder wie die USA und ein Grossteil Europas entwickeln Strategien, die sich auf erneuerbare Energieerzeugung und Elektrofahrzeuge konzentrieren. China wiederum steht aufgrund seines besonderen Kohlenstoffemissionsprofils, das sich aus der viel grösseren Rolle der Schwerindustrie in seiner Wirtschaft ergibt, vor ganz anderen Herausforderungen. Eine neue, in der Fachzeitschrift „Nature Energy“ veröffentlichte Studie untersucht, wie China – der bei weitem grösste Produzent von Eisen, Stahl, Zement und Baumaterialien – sauberen Wasserstoff („grüner“ oder „blauer“ Wasserstoff) nutzen kann, um die Sektoren mit schwer reduzierbaren Emissionen (die sog. „HTA-Sektoren“, engl. „hard-to-abate sectors“) zu dekarbonisieren und seine Dekarbonisierungsversprechen für 2030 und 2060 zu erfüllen. Grüner Wasserstoff wird durch die Spaltung von Wassermolekülen – H2O – unter Verwendung von erneuerbarem Strom hergestellt, während blauer Wasserstoff konventionell aus fossilen Brennstoffen erzeugt wird, jedoch in Kombination mit Kohlenstoffabscheidung und -speicherung.

Die Rolle von sauberem Wasserstoff

Die neue Studie des Harvard-China Project on Energy, Economy and Environment, einem gemeinsamen Forschungsprogramm der USA und Chinas, das an der Harvard John A. Paulson School of Engineering and Applied Sciences angesiedelt ist, ist die erste Studie, die einen integrierten Modellierungsansatz verwendet, um den potenziellen Einsatz von sauberem Wasserstoff in Chinas Energiesystem und Wirtschaft zu bewerten, um das Netto-Null-Ziel für 2060 zu erreichen. „Die Schliessung dieser Forschungslücke wird dazu beitragen, einen klareren Fahrplan für Chinas CO2-Emissionsreduzierung zu erstellen“, erklärt Xi Yang, Hauptautor der Studie und Forscher des Harvard-China-Projekts. „Unser Ziel mit dieser Studie war es, eine Rolle für sauberen Wasserstoff in Chinas Energiewirtschaft zu entwerfen, die dann als Referenz für andere Entwicklungsländer mit großen Schwerindustrie- und Transportsektoren dienen kann.“

In der Studie wurden drei Fragen untersucht: Was sind die wichtigsten Herausforderungen bei der Dekarbonisierung der HTA-Sektoren? Welche Rolle könnte sauberer Wasserstoff sowohl als Energieträger als auch als Rohstoff in gegen schwer reduzierbare Emissionen spielen? Und wäre eine breite Anwendung von sauberem Wasserstoff in HTA-Sektoren im Vergleich zu anderen Optionen kosteneffizient?

Modelle gegen schwer reduzierbare Emissionen

Um die Kosteneffizienz und die Rolle von sauberem Wasserstoff in Chinas gesamter Wirtschaft zu analysieren – mit einem Schwerpunkt auf den wenig erforschten HTA-Sektoren – hat das Team ein Modell eines integrierten Energiesystems entwickelt, das Angebot und Nachfrage in allen Sektoren umfasst. Die Ergebnisse zeigen, dass eine weit verbreitete Anwendung von sauberem Wasserstoff in den HTA-Sektoren China helfen kann, Kohlenstoffneutralität kosteneffizient zu erreichen, verglichen mit einem Szenario ohne die Produktion und Nutzung von sauberem Wasserstoff. Sauberer Wasserstoff kann Investitionskosten in Höhe von 1,72 Billionen Dollar einsparen und einen Verlust von 0,13 % des Gesamt-BIP (2020-2060) im Vergleich zu einem Pfad ohne Wasserstoff vermeiden.

Die Forscher untersuchten auch, welche Art von sauberem Wasserstoff – grün oder blau – am kosteneffizientesten wäre. Ihre Studie zeigt, dass die durchschnittlichen Kosten für grünen Wasserstoff in China bis 2037 auf 2 $/kg Wasserstoff und bis 2050 auf 1,2 $/kg gesenkt werden können, womit er wesentlich kosteneffizienter sein wird als blauer Wasserstoff (1,9 $/kg). „China verfügt über reiche ungenutzte Ressourcen an Sonnen- und Windenergie, sowohl an Land als auch auf See“, erklärt Chris P. Nielsen, Mitautor der Studie und Geschäftsführer des Harvard-China-Projekts. „Diese Ressourcen verschaffen China Vorteile bei der Entwicklung von grünem Wasserstoff für den Einsatz im Industrie- und Transportsektor.

Mehrere Fliegen auf einen Schlag

Und während der Kampf gegen schwer reduzierbare Emissionen für den Klimaschutz von entscheidender Bedeutung ist, könnte die Dekarbonisierung der HTA-Sektoren noch weitere Vorteile mit sich bringen. Neue Märkte für grünen Wasserstoff könnten auch die Umstellung des Energiesystems auf erneuerbare Energiequellen unterstützen. Nielsen erklärt, dass die Erzeugung von grünem Wasserstoff eine vergleichsweise flexible Form der Stromnachfrage darstellen würde, die nicht wie die meisten Stromlasten sofort gedeckt werden muss. Stattdessen kann sie oft geplant werden, zumindest innerhalb kurzer Zeiträume. Eine solche Nachfrageflexibilität ist für die Netzbetreiber wertvoll, da sie ihnen hilft, die inhärenten Schwankungen der erneuerbaren Energiequellen zu berücksichtigen, die von den wechselnden meteorologischen Bedingungen beeinflusst werden. So könnten gleich mehrere Fliegen auf einen Schlag getroffen werden.

Quelle: https://techxplore.com/

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