Vorsicht bei Massenentlassung: Vorschriften beachten!

«Drei von zehn Unternehmen kündigen 2017 einen Stellenabbau an» titelten Schweizer Medien Anfang Januar 2017. Für die betroffenen Arbeitgeber ist es unabdingbar abzuklären, ob «nur» normale Entlassungen oder eine Massenentlassung vorliegt. Diese ist in den Artikeln 335d bis 335g des Obligationenrechts samt dem vorgeschriebenen Vorgehen genau definiert. Verstösse gegen die Vorschriften sind mit erheblichen Kosten verbunden.

Wann es sich bei einem Personalabbau um eine Massenentlassung handelt, ist im Schweizer Obligationenrecht definiert (Bild: Fotolia.com)

Für eine Massenentlassung im Sinne des Gesetzes ist in erster Linie die Anzahl Kündigungen im Verhältnis zur Betriebsgrösse ausschlaggebend. In Betrieben, die zumeist zwischen mehr als 20 und weniger als 100 Mitarbeitende beschäftigen, braucht es mindestens zehn Kündigungen, damit die Massenentlassungsregeln anzuwenden sind. Bei Betrieben mit 100 bis 300 Mitarbeitenden müssen mindestens zehn Prozent der Belegschaft von den Kündigungen betroffen sein und bei Betrieben mit mehr als 300 Mitarbeitenden handelt es sich ab 30 Kündigungen um eine Massenentlassung.

Dazu kommt: Die fraglichen Kündigungen müssen innerhalb von 30 Tagen ausgesprochen werden, und zwar aus Gründen, die in keinem Zusammenhang mit der Persönlichkeit der betroffenen Arbeitnehmenden stehen. Ins Gewicht fallen somit lediglich Kündigungen aus wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Umständen. Nicht ins Kalkül einbezogen werden Entlassungen wegen ungenügender Leistung oder undiszipliniertem Verhalten. Liegen vermischte Kündigungsgründe vor, muss im Streitfall der ausschlaggebende Grund herauskristallisiert werden.

Wichtig: Bei Betriebseinstellungen infolge gerichtlicher Entscheide sowie bei Entlassungen im Konkurs oder bei einem Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung liegt keine Massenentlassung im Sinne des Obligationenrechts vor. Es kommen andere Vorschriften zur Anwendung.

Mitarbeitende vor der Massenentlassung informieren und konsultieren

Plant ein Unternehmen eine grössere Anzahl Kündigungen ist vorab auf jeden Fall abzuklären, ob allenfalls eine Massenentlassung vorliegt. Ist das zu bejahen, sind die dafür vorgesehenen obligationenrechtlichen Bestimmungen einzuhalten.

Es gilt: Bevor der Arbeitgeber eine Massenentlassung definitiv beschliesst, sind die Arbeitnehmenden rechtzeitig zu konsultieren. Dafür sind die Arbeitnehmervertretung oder, falls es keine solche gibt, die Mitarbeitenden direkt über die Massenentlassungsgründe sowie die Anzahl und den Zeitraum der geplanten Kündigungen zweckdienlich zu informieren. Eine Kopie dieser Mitteilung ist dem kantonalen Arbeitsamt zuzustellen.

Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmenden überdies die Möglichkeit geben, Vorschläge zu unterbreiten, wie die Kündigungen vermieden oder beschränkt oder ihre Folgen gemildert werden können. In diesem Konsultationsverfahren ist den Arbeitnehmenden eine genügend lange Frist einzuräumen. Für den Arbeitgeber besteht mindestens die Pflicht, sich mit den Vorschlägen ernsthaft auseinanderzusetzen. Deren Ablehnung muss allerdings nicht vertieft begründet werden.

Die Pflicht zur Information und Konsultation der Belegschaft besteht auch dann, wenn die Massenentlassung ohne Einflussnahme der Schweizer Tochtergesellschaft von einer ausländischen Muttergesellschaft beschlossen worden ist. In der Schweiz ist die Schweizer Tochtergesellschaft die formelle Arbeitgeberin und muss in dieser Eigenschaft allen gesetzlichen Verpflichtungen nachkommen.

Information des Arbeitsamts: Start zur 30-tägigen minimalen Kündigungsfrist

Zusätzlich zur ersten Mitarbeiterinformation und nach der Durchführung der Konsultation der Arbeitnehmenden muss der Arbeitgeber die beabsichtigte Massenentlassung dem zuständigen Arbeitsamt schriftlich anzeigen. Eine Kopie davon geht an die Arbeitnehmenden oder deren Vertreter. Die Anzeige muss die Ergebnisse der Konsultation der Arbeitnehmenden sowie alle zweckdienlichen Angaben über die Massenentlassung enthalten. Auch die Arbeitnehmenden können dem Arbeitsamt ihre Bemerkungen einreichen. Das Arbeitsamt hat nicht zu prüfen, ob das Konsultationsverfahren eingehalten worden ist. Das Amt sucht indessen von Gesetzes wegen nach Lösungen für die Probleme, welche die beabsichtigte Massenentlassung aufwirft.

Wichtig: Ein im Rahmen einer Massenentlastung gekündigtes Arbeitsverhältnis endigt in jedem Fall frühestens 30 Tage nach der Anzeige an das Arbeitsamt oder nach den vertraglichen Bestimmungen auf einen späteren Zeitpunkt.

Pflicht für einen Sozialplan

Unternehmen mit üblicherweise mindestens 250 Mitarbeitenden, die eine Massenentlassung von mindestens 30 Arbeitnehmenden innerhalb von 30 Tagen planen, sind verpflichtet, mit den Arbeitnehmervertretern einen Sozialplan auszuarbeiten. Darin werden die Massnahmen festgelegt, mit denen die Kündigungen vermieden oder beschränkt oder ihre Folgen gemildert werden. Gegenstände der Vereinbarung sind oft die interne Stellenvermittlung, das massgeschneiderte Outplacement samt Schulungen, Kursen und Weiterbildung, die frühzeitige Pensionierung oder die Abfindungszahlungen.

Sanktionen für Arbeitgeber bei Nichteinhaltung der Massenentlassungsregeln

Liegt eine Massenentlassung vor und werden deren obligationenrechtliche Regeln nicht eingehalten, hat dies für den fehlbaren Arbeitgeber spürbare Folgen. Gemäss Artikel 336 des Obligationenrechts ist nämlich jede Kündigung missbräuchlich, die im Rahmen einer unter das Gesetz fallenden Massenentlassung ohne Konsultation der Arbeitnehmervertretung oder der Arbeitnehmenden erfolgt. Jeder betroffene Mitarbeitende, der rechtzeitig Einsprache gegen seine Kündigung erhebt, hat dann Anspruch auf maximal zwei Monatslöhne. Überdies kann das Unterlassen der Meldung der Kündigung von mehr als zehn Mitarbeitenden mit Bussen bis zu 40’000 Franken bestraft werden.

Ein Projektteam für die Massenentlassung zusammenstellen

Im Hinblick auf eine Massenentlassung ist es von Vorteil, ein Projektteam zusammenzustellen. Dieses sollte neben Managementvertretern und Fachleuten in den Bereichen Recht, Steuern, Versicherungen und Kommunikation namentlich einen Spezialisten für Personalbelange in Zeiten von Veränderungen umfassen. Denn eine geplante und notwendige Massenentlassung ist für die Zukunft des Unternehmens mit erheblichen Risiken verbunden. Es gilt namentlich, unnötige Kosten zu vermeiden.

Unterschätzt werden oft die Folgen von Reputationsschäden sowie die mit Produktivitätsverlusten einhergehende Beeinträchtigung der Arbeitsmoral von verbleibenden Mitarbeitenden. Es ist somit wichtig, die Massenentlassung möglichst reibungslos zu organisieren und umzusetzen. Dabei spielt die Wahl der bestgeeigneten Personalmassnahmen zugunsten der betroffenen und der verbleibenden Mitarbeitenden eine tragende Rolle.

Caroline Pfeiffer Marinho ist Country Manager Schweiz bei Lee Hecht Harrison in Zürich.

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