Sich im Gleichgewicht befinden: Wie geht das wirklich?
Wie fühlt es sich an, wenn ich im Gleichgewicht bin? Ist ständige Balance erstrebenswert? Ist es gar eine Betrachtung über unser ganzes Leben, aufgeteilt in Lebensphasen? Oder ist es Wissen und Können, die eigene Balance jederzeit wiederherstellen zu können?
Noch vor ein paar Jahren wurde Life-Balance oft in Zusammenhang mit Teilzeitarbeit und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gebracht, doch wissen wir heute, dass es viel mehr Facetten gibt, die Life-Balance beeinflussen: Die psychische Balance, die nicht alleine durch den Faktor Zeit, sondern auch durch den Inhalt der Arbeit bestimmt wird, die Balance zwischen Stress und Entlastung, Erfolgshunger und Leistungsfähigkeit, Leistung und Erholung, Einkommen und Lebensstil und die Balance zwischen ständiger Erreichbarkeit und Zeit für sich selbst.
Das Gleichgewicht zu finden, bedeutet die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und für sie einzustehen. Hier liegt die erste Herausforderung im Finden der Life-Balance: Viele glauben zu wissen, was ihnen wichtig und wertvoll ist und welche Bedürfnisse sie haben. Und trotzdem sind sie nicht im Gleichgewicht.
Erste Herausforderung: die innere Zustimmung als Orientierungshilfe
Wichtig ist das, was mir wertvoll erscheint und dem ich meine volle innere Zustimmung geben kann. Die innere Zustimmung ist ein klares und starkes Gefühl, «Ja» zu dem sagen zu können, was ich gerade tue oder erlebe. Damit sind wir auf der Gefühlsebene. Mir kann etwas sehr wichtig erscheinen, aber wenn die innere Zustimmung fehlt, droht sehr schnell die Frage nach dem Sinn und damit die Suche nach der Motivation, nach der Kraft, die mich bewegt.
Doch was ist, wenn ich glaube, die innere Zustimmung zu fühlen, und trotzdem nicht in der Balance bin? Dann ist es wahrscheinlich ein «Ja, aber …», also eine eingeschränkte innere Zustimmung: «Ja, es ist mir wichtig, aber es fehlt mir die Zeit, die Energie.» «Ja, es ist mir wichtig, aber momentan hat etwas anderes Priorität.» Solche Situationen fordern uns heraus. Sie katapultieren uns in ein Spannungsfeld, in dem wir den Druck verspüren, uns für das eine und damit gegen etwas Anderes entscheiden zu müssen.
Zweite Herausforderung: das Aushalten von Mehrdeutigkeiten
Befinden wir uns in einem solchen Spannungsfeld, neigen wir zum Entweder-oder-Denken. Um die Kraft zu spüren, die für mich die passende Antwort enthält, muss ich mich im Spannungsfeld aufhalten und damit gegenüber der Mehrdeutigkeit eine Toleranz entwickeln. Dieses Verharren halten wir fast nicht aus, deshalb wollen wir entscheiden. Die Ambiguitätstoleranz ist die Fähigkeit, mehrdeutige oder widersprüchliche Situationen zu ertragen, und fordert uns zum Sowohl-als-auch-Denken auf, also zum Integrieren von vielschichtigen Informationen. Menschen mit der Fähigkeit, unterschiedliche Informationen miteinander in Verbindung zu bringen, gelingt es besser, abzuwarten, bis sich die passende Lösung zeigt.
Dritte Herausforderung: die Integration von Fakten und Gefühlen
Oft haben wir bei Entscheidungen den Anspruch, die richtige Lösung finden zu müssen. Schliesslich müssen wir die Entscheidung vor uns und anderen rechtfertigen können. Der Anspruch baut enormen Druck auf. Nehmen wir einmal an, dass wir tatsächlich ohne Strassenkarte vor einem solchen Wegweiser mitten im Dschungel stehen würden, dann dürfte allen klar sein, dass der Entscheid kein ausschliesslich erdachter sein kann, weil wir zwar auf Fakten wie Sonnenstand und -verlauf achten können, gleichwohl aber zu wenig Informationen haben, um die Antwort alleine denkend zu finden. Die Frage lautet deshalb: Wo zieht es mich hin? In dieser Notsituation ist es überlebenswichtig, dass ich ausharre, mich neuen Impulsen öffne und reflektiere bis sich die passende Lösung zeigt. Sie zeigt sich nur dann, wenn wir Fakten, Gefühle und Unbewusstes so lange neu miteinander verknüpfen, bis Klarheit entsteht. Handeln, das einem solchen schöpferischen Prozess entspringt, verbindet Kopf und Herz. Das wird als couragiert bezeichnet.
Nun kann es sein, dass ich das innere Gefühl wahrnehme und weiss, wo es mich hinzieht, ich mich nicht traue, diesen Weg einzuschlagen. Die Angst, jemanden zu enttäuschen, die Angst, die Erwartungen anderer nicht zu erfüllen. Ein gesundes Selbstbewusstsein (sich seiner bewusst sein) macht es etwas einfacher. Vielleicht auch die folgenden Fragen: Wer soll über mein Leben entscheiden, ich selbst oder womöglich andere? Wer soll der Hauptaktionär meiner «Ich-AG» sein?
Selbstverständlich können wir uns der Frage «wo zieht es mich hin» entziehen, indem wir einfach faktenorientiert loslaufen oder aus lauter Angst, falsch zu entscheiden, zu lange vor dem Wegweiser stehen bleiben. In beiden Fällen geraten wir ins Ungleichgewicht, und zwar dort, wo wir ausschliesslich denkend unser Leben zu steuern versuchen oder uns von unserer Angst steuern lassen.
Die Existentialpsychologie definiert Verantwortung so, dass uns das Leben Fragen stellt. Kümmern wir uns um die Fragen und suchen unsere persönliche Antwort darauf, nehmen wir Verantwortung (Ver-«Antwort»-ung) wahr und leisten damit unseren Beitrag zur Life-Balance. Ob wir Spannungsfelder wahrnehmen oder nicht, liegt in unserer eigenen Verantwortung und nicht an unseren Vorgesetzten, Kollegen oder dem Unternehmen.
Was kann ein Unternehmen beitragen?
Gleichwohl stellt sich selbstverständlich die Frage, inwiefern das Unternehmen eine Verantwortung im Erreichen und Halten der Life-Balance seiner Mitarbeitenden trägt. Diese Frage muss sich jedes Unternehmen stellen. Ein Engagement kann sich aus personalpolitischer oder sozial geprägter Überlegung und ökonomischer Sicht lohnen: je ausgeglichener die Mitarbeitenden, desto produktiver sind sie.
Unternehmen können in verschiedenen Bereichen auf unterschiedliche Art und Weise Einfluss nehmen. Im Grunde gilt immer dasselbe: Die Balance kann der Einzelne einfacher finden, wenn Freiräume, Mitspracherecht und Erleichterungen gewährt werden. Wenn der Gesundheit Beachtung geschenkt wird und Mitarbeitende in einem funktionierenden Team ihren Fähigkeiten entsprechend einer sinnstiftenden Aufgabe nachgehen können und dabei Anerkennung und Wertschätzung erfahren.
SwissRe zum Beispiel unterstützt ihre Mitarbeitenden in vielen Bereichen, so auch in der Betreuung älterer Angehöriger. Die Ergon Informatik AG lässt ihre Mitarbeitenden bei wichtigen Entscheiden abstimmen. Ist die Mehrheit der Belegschaft dagegen, dann wird vom geplanten Unterfangen abgesehen. Andere Unternehmen organisieren den «Dog Walker» für hundeliebende Mitarbeitende oder bereiten neben dem Mittagessen auch das Abendessen in der Kantine zu, übernehmen Kinderbetreuung in firmeneigenen Krippen oder geben Mitarbeitenden und Teams die Möglichkeit, ihre Projekte ganz oder teilweise selbst zu bestimmen.
Gespräche helfen Spannungsfelder zu beseitigen
Denken wir an die beschriebenen drei Herausforderungen, sehen wir, dass die grössten Herausforderungen der Life-Balance im Finden der inneren Zustimmung, im gekonnten Umgang mit Spannungsfeldern und im Integrieren von Kopf und Herz liegen. Diese Fragen zu klären ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die nicht immer alleine bewältigt werden kann. Austausch und Reflektion mit einer unabhängigen Person in einem geschützten Raum sind dabei sehr wertvoll. Viele Firmen haben das erkannt und bieten Hilfe durch externe Coaches. Unternehmen wie Migros Genossenschaft Zürich, UBS und andere kleinere Unternehmen gehen einen Schritt weiter und bieten Führungskräften eine Mitgliedschaft bei Spot Coaching an, der Sparringspartner für berufliche Fragen. Ein Gespräch mit einem professionellen Coach kann sehr kurzfristig und unkompliziert online gebucht werden. Das 60-minütige ortsunabhängige Gespräch findet via Telefon oder Skype statt und kann, falls erwünscht, anonym erfolgen. Ein Gespräch hilft Fakten, Gefühle und Unbewusstes effizient zu verknüpfen und damit den Weg aus einem Spannungsfeld schneller zu finden. Dieses Angebot kann Life-Balance fördern.
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